Im letzten Jahr konnte das Debutalbum von Todeskult die Presse im begeistern. Aufgrund von Musik, Texten und Aufreten war schnell klar, dass hier eine weitere Suicide/Depressive Black Metal Band die Verwendung von Rasierklingen propagierte.

Im letzten Jahr konnte das Debutalbum von Todeskult "Als die Farben älter wurden" die Presse im allgemeinen begeistern. Aufgrund von Musik, Texten und Aufreten der Band war schnell klar, dass mit Todeskult eine weitere Suicide/Depressive Black Metal Band die Verwendung von Rasierklingen, vorgetragen in deutscher Sprache, propagierte. Wie ernst sie es damit meinen und wie wichtig diese Subkultur für Todeskult ist, verrieten Gitarrist Mactar und Sänger Neideck.

Mactar fasst zuerst die Gründung und die ersten zwei Jahre der Band zusammen, bevor wir relativ schnell zum Kern des Interviews kamen:

Die Band wurde irgendwann Ende 2005 gegründet, nachdem Neideck und ich uns kennen lernten und wir feststellten, dass wir die gleichen Ansichten vertraten. Die anderen Mitglieder waren schnell gefunden, da schon vorher mit ihnen musikalisch zusammengearbeitet wurde. Kurz darauf erschien das erste Demo und ein Jahr später das Album. Nun stehen wir hier...

Da es diesem Interview unter anderem um das sogenannte (Suicide/Depressive Black Metal) Genre geht, ist natürlich als erstes interessant, wo die Band sich musikalisch selber sieht? Mactar beschreibt den Stil von Todeskult mit den Worten:

Ich halte nichts von Schubladen-Denken. Oberflächlich betrachtet würde man uns wohl dem oben genannten Genre zuordnen, doch das würde keinen Spielraum lassen.
Aber man kann sagen dass wir melancholischen Black Metal spielen, welcher sich textlich stark mit Tod, Verzweiflung, Selbstmord und Depression, aber auch Stärke und Überlegenheit auseinandersetzt.

Es wird wohl kaum jemand der Aussage widersprechen, dass Suizid-Black Metal eine der extremsten Subkulturen im ohnehin schon extremen Black Metal ist. Da stellt sich natürlich die Frage, wie man dazu kommt, diese Art von Musik zu spielen. Gab es da bei Todeskult einen konkreten Entscheid für Suizid Black Metal?

Mactar:
Man legt sich denk ich nicht von vornherein auf einen Stil fest, sondern begrenzt sich eher thematisch und bringt gewisse Emotionen ein. Daraus bildet sich dann von ganz alleine die Richtung der Musik. Quasi ist die Abneigung diesem Leben gegenüber Wurzel und Entscheidungsfaktor für unseren Stil.

Neideck:
Dass ich mich für diesen Stil entschieden hätte kann ich so auch nicht unterschreiben. Es war vielmehr so, dass mir nichts anderes übrig blieb, als Selbstmörderische Musik zu entwerfen. Ursprünglich hatten Mactar, Dominion und ich vor sehr aggressive Musik, vornehmlich "Standard" Black Metal zu spielen. Es war dann aber so, dass es mir wenige Wochen nach der Bandgründung so mies ging, dass ich Mactar anschrieb, dass ich mit der Musik nicht klar käme und so nicht weiter machen könne. Er hat dem zugestimmt und wir schlugen unseren Weg ein.

Wie würdet ihr Suicide/Depressive Black Metal einer fremden Person beschreiben und vom "normalen" Black Metal abgrenzen?

Mactar:
Die Fähigkeit des Black Metals starke Emotionen zu bündeln und den Hörer darin ersaufen zu lassen, gepaart mit eben jener Verzweiflung und Abneigung dem Leben gegenüber, die den Künstlern inne wohnt.

Worin besteht für euch die Verbindung von Selbstmord bzw. Selbstverstümmelung und Black Metal?

Mactar:
Hass und Gewalt sind die Grundlagen des Black Metals, gegen wen diese gerichtet sind, bleibt jedem selbst überlassen.

Neideck:
Selbstmord und Selbstverstümmelung haben erst einmal nichts mit Black Metal zu tun. Ich habe schon mehre Leute erlebt, welche Black Metal hören, sich aber vor Live Shows wie denen von Shining oder Suicide Solution ekeln. Black Metal selbst verfolgt ja auch eher einen sehr elitären Charakter, zu dem Selbsthass und Selbstverstümmelung ja auch nicht zu passen scheinen. Insofern denke ich, dass depressiver Black Metal wesentlich ehrlicher ist, da er sich mit den eigenen Schwächen auseinander setzt und weniger einem Idealbild von Stärke und Erhabenheit entspricht.

Da hat Neideck eine sehr interessante These entwickelt, denn es stellt sich die Frage, ob die im Black Metal ursprünglich propagierte, individuelle Stärke des Charakters nicht einen Widerspruch dazu darstellt? Mactar sieht das durchaus anders als Neideck und widerspricht:

Nein, der Hass gegen das Leben und seine Ausgeburten vergrössert den Graben zwischen diesen und dem Individuum nur noch mehr, macht es noch unabhängiger und noch stärker.

Interessanter- aber auch ehrlicherweise geben die beiden Musiker offen zu, hier Differenzen zu sehen. Neideck bekräftigt seinen Standpunkt noch einmal:

Das sind genau die Fragen, in denen Mactar und ich uns immer widersprechen. Ich denke, dass depressiver BM, wie ich oben schon sagte, mit dem ursprünglichen BM wenig zu tun hat, was die Sichtweise auf die eigene Persönlichkeit betrifft. Wobei ich hier wohl auch nur von mir ausgehen kann. Musik ist eine Kunstform, welche, wie jede Kunstform, nicht alleine für den Schaffenden, sondern für, bzw. durch den Hörer bestehen kann. Inwieweit der einzelne nun meint, individuelle Stärke zu besitzen, bleibt ihm überlassen. Ich kann nur für mich sagen, dass meine individuelle Stärke über die Musik selbst, durch die Energien des Hörers und deren Reaktionen entsteht.

Die Essenz des Suizid-Black Metal ist natürlicherweise das Aus-dem-Leben-scheiden. Wie stündet ihr dazu, wenn Hörer Suizid begehen (würden)?

Mactar:
Wäre wohl jedem in der Band reichlich egal. Jeder muss selber wissen was er tut und jeder ist für sich selbst verantwortlich. Gedanken und Gefühle erschafft man in sich, unsere Musik ist nur ein Spiegel für diese.

Neideck:
Ich würde mich wohl geehrt fühlen. Nicht, dass ich andere zum Suizid überreden wollte, dass überlasse ich der Konsumgesellschaft, aber dass unsere Musik anderen die Kraft verleiht, diesen Schritt zu wagen, würde ich gutheissen.

Inwieweit fliesst die Idee des Suicide / Depressive Black Metal in euer Privatleben ein?

Mactar:
Keiner sollte eine so ausdrucksstarke Musik machen, wenn er nicht irgendwie in seinem Leben ein Bezug zu diesem Thema hat. Ich würde viel eher sagen dass bei uns das Privatleben in die Musik fliesst und nicht andersrum.

Die Letzte Konsequenz wäre dann ja, Hand an sich selbst zu legen. Würdet ihr euch selbst töten? Und wenn ja, welche Umstände müssten eintreten, damit ihr euch selbst töten würdet?

Mactar:
Da gibt es verschiedene Ansichten in der Band die ziemlich auseinander driften. Manche sind dagegen und manche stehen wiederum sehr nahe daran, aber ich denke, im Moment ist jeder soweit im Leben verankert um diesem noch nicht gänzlich den Rücken zu kehren.

Neideck:
Jaja, das leidige Thema... auch hier haben Mactar und ich andere Ansichten. Ich für mich, kann hier keine konstante Meinung vertreten, da mich dieser Todeswunsch in regelmässigen Abständen überkommt und mir jede Freude am Leben nimmt. Letztendlich gibt es nur wenige Faktoren die mich an diesem Schritt hindern und diese haben schon viel zu oft geschwankt. Was die Umstände angeht, kann ich auch nichts Konkretes angeben, da mich die Depression oftmals unabhängig von äusseren Gegebenheiten überfällt.

Die Ursachen eines Suizid können vielfältig sein, letztendlich stellt sich jedoch immer die Frage, ob ein Selbstmord nicht der Weg des geringeren Widerstands ist. Findet ihr Selbstmord nicht ein feiges aus dem Leben scheiden, wenn nicht eine Krankheit, oder sonstige Umstände vorherrschen, an denen man in absehbarer Zeit aus dem Leben treten müsste?

Mactar:
Ich denke es gibt mehrere Zustände im Leben, als die oben genannten, in denen ein Selbstmord gerechtfertigt ist. Jedoch sollten diese, die Person so zu Grunde gerichtet haben, das er nicht mehr befähigt ist in dieser Welt zu leben.

Neideck:
Nein, da man entweder sehr viel Kraft benötigt um sein Leben wegzuwerfen, oder schlichtweg so verzweifelt oder "krank" ist, dass man den Suizid als solchen, nicht nach rationalen Massstäben beurteilen kann.

Lassen wir es dabei. Nach diesen teilweise persönlichen Fragen interessiert vielleicht noch ein bisschen das Business. Wie lukrativ ist das Geschäft Suicide bzw. Depressive Black Metal heutzutage?

Mactar schildert seine Sicht:
Wenn man mit dem ganzen Geschäfte machen will, dann ist man definitiv falsch. Hier geht es um das ausleben von tiefsten Emotionen und nicht um Geldmacherei. Man kann aber wohl sagen, dass diese Richtung mittlerweile eine grosse Hörerschaft Erreicht. Die Abneigung gegen dieses Leben verbindet die Musik und den Hörer.

Wie steht ihr zu den kommerziell erfolgreichen Bands des Genres, wie z.B. "Shining"?

Mactar:
Wie schon gerade gesagt hat kommerzielles Denken hier keinen Platz, deswegen kann es nur von der Qualität der Musik zeugen, wenn sie viele Menschen erreicht. Dennoch sollte so extremes Gedankengut nur von den Leuten aufgenommen werden, welche dieses auch wahrlich fühlen und nicht von irgendwelchen Kindern mit Liebeskummer.

Letztes Jahr ist euer Debut "Als die Farben älter wurden" heraus gekommen. Wie waren die Reaktionen soweit?

Mactar:
Im Grossen und Ganzen wurde das Album sehr positiv aufgenommen und bewertet, wobei es natürlich immer Gegenstimmen geben muss.

In Reviews wurde euch vor allem das Attribut "Authentizität" vergeben. Wie erreicht ihr diese?

Mactar:
Dadurch dass wir nicht nach irgendwelchen Vorgaben handeln, sondern nur nach dem, was wir für richtig erachten. In unsere Musik fliesst genau das, was in uns und um uns vorgeht. Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass wir zwischen all den Ein-Mann-Projekten mal wieder eine Band sind, welche die negativen Gedanken von Vielen auf einen Nenner bringen kann.

Was bedeutet es für euch "Authentisch" zu wirken?

Mactar:
Nichts. Wenn wir uns Gedanken darüber machen würden, wie wir authentisch wirken könnten, dann würden wir nicht mehr authentisch sein.

Wie findet bei euch der kreative Schaffensprozess statt? Wer ist für Texte und Musik verantwortlich und in welchen Stimmungen muss sich derjenige befinden, um diese zu schaffen.

Mactar:
Neideck schreibt den Hauptteil der Musik, zeigt sie uns und wir sagen, was wir darüber denken und bringen eigene Ideen mit ein. Mittlerweile wird der Hauptteil der Texte von mir geschrieben.
Beides wird in Phasen geschrieben, in denen wir dem profanen Leben besonders fern sind und uns tief in unsere eigenen Gedanken vergraben.

Neideck:
Hier muss ich noch mal von meiner Seite eingreifen. Musik an sich, kann ich immer schreiben. Ich habe ständig Melodien im Kopf, unabhängig von meiner momentanen Stimmung. Deswegen auch meine Aktivitäten in anderen Projekten.
Es ist allerdings so, dass mir zumeist die Worte fehlen. Letzthin funktioniert Todeskult deshalb so gut, da mir bei dem musikalischen Prozess von den anderen wenig reingeredet wird und ich mich so voll entfalten kann. Durch zusätzliche Ideen werden die Lieder noch bereichert, was sich allerdings erst auf unserem kommenden Album voll erschliessen lässt, da die Songs hier wesentlich gereifter und ausgefeilter sind, als auf dem Debüt. Mactars Texte runden die Lieder dahingehend ab, da sie einfach perfekt zu den Stücken passen. Auch meine beiden Texte des kommenden Albums zeigen sich stark von seinen beeinflusst. Der Wert von Todeskult ist für mich, dass ich auch Mactars Texte so wiedergeben kann als wären es meine eigenen und dass sich somit alles zu einer stimmigen Atmosphäre zusammenfügt. Was wohl auch daran liegt, dass wir in der Band eine starke Einheit bilden

Wie kann man sich eine Bandprobe bei Todeskult vorstellen?

Mactar:
Das Hauptziel der Proben ist es, die Musik zusammen zu spielen, was alleine schon eine ganz besondere Atmosphäre aufbaut. Hin und wieder kommt es aber dann doch zu diversen Exzessen.

Was sind eure weiteren Pläne mit Todeskult?

Mactar:
Dieses Jahr wird noch ein Album erscheinen, welches sich vom ersten definitiv abheben wird. Wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, werden wir auch noch Gigs spielen. Was danach kommen wird, weiss wohl noch keiner...

Wollt ihr noch etwas bestimmtes loswerden?

Mactar und Neideck:
Nein

Dann warten wir auf das neue Album und hoffen, dass es auch noch weitere geben wird.