Nocte Obducta haben mit "Sequenzen einer Wanderung" ihr Ende gefunden. Oder etwa doch nicht? Mehr dazu weiss Bandkopf Marcel zu berichten.

Nocte Obducta haben mit "Sequenzen einer Wanderung" ihr Ende gefunden. Oder etwa doch nicht? Mehr dazu weiss Bandkopf Marcel zu berichten.

01. Wie fühlst du dich nun, da das letzte Album unter dem Namen Nocte Obducta erschienen ist?

Dass der Name Nocte Obducta auf dem Album draufsteht, ist gar kein so gewichtiger Faktor, wenn es darum geht, wie sich diese ganz konkrete Veröffentlichung anfühlt. Das ganze hat sich so lange hingezogen und war mit so viel Ärger verbunden, dass es letztlich nur noch eine Art von Erleichterung darstellt, dass nun alles vorbei ist, was mit dieser Scheibe zusammenhängt. Da wir nun Dinner Auf Uranos heissen, mag das Ganze wie ein Schlusspunkt wirken, aber so ist es für mich nicht. Wir haben den Namen geändert und so weitergemacht, wie wir auch unter altem Namen weitergemacht hätten, das nimmt dem Album natürlich an Schwere. Dazu kommt, dass wir Ende letzten Jahres beschlossen haben, noch mindestens ein weiteres Album unter altem Namen zu produzieren, allerdings als BM-Projekt, nicht als klassische Band. Nocte Obducta gibt es nun also gleich zweimal. Einmal die "echten", die ständig wechselnden Jungs also, die trotz alledem seit 1993 eine gewisse Kontinuität aufweisen und unter dem Namen Dinner Auf Uranos schlicht weitermachen. Und dann halt ein Kollektiv unter altem Namen, das aber nur einen einzigen Aspekt der stilistischen Bandbreite wirklich beleuchtet und mehr oder minder untot aus dem Jenseits agiert. Ohne Zeitplan und ohne grosse Ziele. Du siehst, es gibt nicht wirklich einen Grund, sich bei den "Sequenzen" anders zu fühlen als bei den Vorgängern. Die Besonderheiten liegen nur in der Erleichterung nach allzu viel Scheisse und in der freudigen Erwartung, dass sich viele Menschen die Zähne an diesem Album ausbeissen werden.

02. Die Idee ein weiteres Album unter dem Namen aufzunehmen klingt interessant. Wenn ich an "BM-Projekt" denke, dann kommt mir in erster Linie euer Album "Schwarzmetall" in den Sinn. Wird es wieder in eine ähnlich extreme Richtung gehen oder mehr nach modernem Black Metal klingen?

Es wird sich schon sehr an der Idee von "Schwarzmetall" orientieren. Natürlich wird es Unterschiede auch im Sound geben, aber letztlich soll es roh, ungeschliffen und bedrückend werden. Das Material ist langsamer als auf "Schwarzmetall", wir haben ausserdem ein paar mehr Soundspielereien drin, aber es handelt sich ganz klar um den "alten" BM mit eigener Note ... das moderne Zeugs hat für mich irgendwie enorm an Reiz verloren.

03. Es hat ja wie du schon sagtest ziemlich lange gedauert, bis "Sequenzen einer Wanderung" seinen Weg in die Hände und Ohren eurer Fans gefunden hat. Die Gründe hierfür möchte ich hier nicht weiter ansprechen. Mich würde eher interessieren, wie du dich während dieses Zeitraums gefühlt hast. Hast du zu irgendeinem Zeitpunkt den Glauben daran verloren, dass das Album überhaupt noch erscheinen wird?

Ja, den Glauben haben wir immer mal wieder verloren, und wir haben uns ziemlich verarscht gefühlt. Natürlich hatten alle Beteiligten ein Interesse daran, dass das Ding irgendwann einmal erscheint, aber die völlig abstrusen Geschichten, die passiert sind, haben einen manchmal vor die Frage gestellt, ob sich das alles mit der realen Welt vereinbaren lässt. Von sagen wir April 2006 bis Dezember 2008 hat die Scheibe Unmengen an Energie gefressen, der absolute Grossteil ist schlichtweg verpufft und für immer verloren, aber letztlich hat es ja doch noch geklappt, und versehen mit dem ein oder anderen Stechen, das aber wohl nur uns selber auffallen wird, sowie geschmückt mit zwei sehr peinlichen Rechtschreibfehlern ist das Ding wohl nun erhältlich.

04. Wenn ich mir die Kritiken zum Album durchlese, dann sind die allermeisten von ihnen recht positiv bis euphorisch - nicht zuletzt meine eigene. Du kannst da aber vermutlich ein umfassenderes Bild liefern. Wie wurde das Album von der Presse und den Fans aus deiner Sicht angenommen? Haben die Leute verstanden, um was es euch bei diesem Album ging?

Ob sie es verstanden haben, kann ich nicht beurteilen. Ich kann leider sagen, dass viele es anscheinend nicht verstanden haben, und das betrifft nicht bloss die negativen Kritiken, aber darum geht es ja auch nicht. Das ist kein Lehrstück, sondern ein Album. Es soll den Leuten entweder etwas geben oder nicht. Wenn sie es auch noch verstehen, umso besser. Wir sind auch überrascht, dass das Album so gut ankommt. Es war klar, dass einige begeistert sein würden, denn - auch wenn Eigenlob stinkt - es ist schlicht ein sehr gutes Album, aber es hat eben auch einen gewaltigen Haken: Es ist nämlich kein Metal-Album, obwohl viele eines erwartet hätten. Selbst die Promotion läuft (bislang?) praktisch nur im Metal-Bereich, man sieht uns also ganz allgemein noch immer dort. Selbst die Genre-Bezeichnungen ist immer noch Black/Death, und zwar auch bei Reviews, bei denen das Album ganz eindeutig geehrt wurde ... aber wie gesagt, es scheint sehr gut anzukommen. Natürlich gibt es auch negative Reaktionen. Aber zu unserer grossen Freude sind diese schlechten Kritiken auch qualitativ immer unter aller Sau und zeigen niemals eine Auseinandersetzung mit Musik, sondern lediglich beschränkten Horizont und enttäuschte, eng gesteckte Erwartungen. Es ist natürlich schade, wenn womöglich die eigenen Fans "nicht mein Musikstil" mit "ohne Inhalt" verwechseln, aber es ist ja allgemein bekannt, dass man nicht auf die Geisteskapazitäten anderer bauen sollte. Es wäre wünschenswert, wenn wir mit diesem Album endlich aus dem Metal-Umfeld heraustreten und weitere Felder erschliessen könnten, aber das ist aus eigener Kraft nach der Namensänderung mit diesem Album kaum mehr möglich. Und so hoffen wir, dass wir vielleicht wenigstens ein paar Augen und Ohren öffnen und ein paar Fans, die noch nicht allzu weit über den Tellerrand geschaut haben, auf die Suche gehen nach ähnlicher Musik und natürlich Dinner Auf Uranos.

05. Um mal auf die Geschichte von Nocte Obducta zu sprechen zu kommen: Du bist ja eine der wenigen Konstanten dieser Band. Wie siehst du ihre Entwicklung allgemein? Hochs und Tiefs kann man bereits aus der Bandbiografie herauslesen, aber gab es auch gewisse Punkte vor "Sequenzen einer Wanderung", die dich am Sinn der ganzen Sache haben zweifeln lassen?

Gewisse Zweifel waren natürlich immer mal wieder da, wenn es grad nicht rund lief, aber es waren niemals ernsthafte Zweifel. Es gab auch einen Unterschied zwischen der internen und musikalischen Entwicklung und der Entwicklung im Hinblick auf die Stimmung gegenüber des Geschäfts, der Szene-Dritten allgemein. Ab Mitte 2004 wurde es immer anstrengender, zermürbender. Das lag zum einen an internen Problemen (nicht unbedingt nur menschlicher Natur, denn Besetzungswechsel können ja auch terminlich bedingt sein und verursachen dann bei der Suche nach Nachfolgern und deren Einarbeitung viel Stress) mit vielen Wechseln, vor allem aber an einer immer grösseren Unzufriedenheit mit dem Kosmos, in dem und für den wir spielten und Dritte, mit denen wir zusammenarbeiteten. Andererseits passierte ab dem gleichen Zeitpunkt musikalisch so unglaublich viel, dass der künstlerische Aspekt wieder viel erfüllender war, auch wenn letztlich nur ein minimaler Prozentsatz all dessen jemals auf einer Bühne oder eben auf "Sequenzen" gelandet ist. Unerträglich wurde es erst, als man gemerkt hat, all das lässt sich nicht mehr realisieren, die Band driftet (teilweise) auseinander und vor allem die externen Probleme fressen wirklich alles auf. Dazu kam, dass es mir (und auch Torsten) 2006 eher bescheiden ging, und da ging dann bei mir Ende April / Anfang Mai binnen weniger als einer Woche einfach der Deckel zu.

06. Du sprichst da den "Kosmos, für welchen ihr gespielt habt" an. Ich nehme an, du verweist hier auf eure Fans und diese kann man sich bekanntermassen nicht aussuchen. Wie haben sich diese denn über die Jahre verändert und wie müsste deiner Meinung nach der perfekte Nocte-Fan sein? Gibt es auch Leute, denen du liebend gern eure CDs aus den Händen reissen würdest?

Die Fans sind vielleicht weniger das Problem, es ist eher das Laufpublikum oder die ganzen Asos, die auf Konzerten rumhängen, auf denen man ja gezwungener Massen mit allen möglichen Bands spielt. Natürlich gibt es auch Fans, bei denen man sich fragt, wie sie auf die dumme Idee kommen, Nocte zu hören. Leute, die die Musik mögen, sich dann aber bei uns beschweren, dass wir Keyboards benutzen ... ich frag mich, was die sich einbilden, eine Band zuzublubbern und ihr zu erklären, wie sie zu klingen hat. Aber meist waren es wie gesagt eher die Fans der anderen Bands im Billing, die einem den Abend versaut haben. Im Metal ist es halt üblich, zu pöbeln, wenn einem etwas nicht passt. Und da Metaller naturgemäss sehr wenig mögen, bzw. sagen wir besser: nicht gerne verschiedenes mögen, zumindest nicht im Schnitt, wird es dann einfach unangenehm. Ich bin zu alt und zu anspruchsvoll, um vor einem Haufen asselnder Teenager über dreissig zu spielen. Ich denke auch ehrlich gesagt, dass wir da nicht einfach nur empfindlicher geworden sind. Die Leute werden einfach immer unverschämter und dümmer, warum soll das im Metal anders sein? da es sich hier sowieso um eine Scheuklappengemeinschaft handelt, ist es da vermutlich sogar noch schlimmer.

07. Um wieder zurück zur Musik zu kommen: "Sequenzen einer Wanderung" behandelt, wenn ich es richtig verstanden habe, in gewisser Weise den ganzen Werdegang von Desîhra, nach welcher ein Abschnitt betitelt ist, bis hin zu Dinner auf Uranos - zumindest interpretiere ich den Titel "Wald/Route: Erde-Uranos" als Hinweis darauf - mit eindeutigem Fokus auf Veränderung und Neubeginn. Wenn ich mich nun an den "Nektar"-Zweiteiler erinnere, hatte der ja gewissermassen eine ähnliche Ausrichtung mit Desîhras Tagebuch, dem ersten "Nektar"-Album, das zum allergrössten Teil aus recht altem Material bestand und schliesslich den letzten drei Stücken des zweiten Albums, die musikalisch einen Ausblick auf Kommendes geben, was ja nun mit "Sequenzen einer Wanderung" bestätigt werden kann. Könnte man "Sequenzen einer Wanderung" als Abschluss des "Nektar"-Zyklus bezeichnen, oder ist es davon losgelöst?

Nein, "Sequenzen" ist eigentlich davon losgelöst. Natürlich gibt es inhaltliche Bezüge, aber sie erzählen keine geradlinige Geschichte. Inhaltlich ist "Sequenzen" nicht chronologisch, weil die Musik und ihr Fluss im Vordergrund standen, nicht die Geschichte dahinter. Denn die besteht eher aus Eindrücken und immer wieder abschweifenden Erinnerungen, sowie Ausblicken. Eine komplette und chronologisch korrekte Bandgeschichte in musikalischer Form hätte wohl eher ein Doppelalbum ergeben. Es gibt ausserdem auch auf anderen Alben immer wieder stark verschlüsselte, autobiographische oder die Bandgeschichte betreffende Lieder, ebenso ist die Auseinandersetzung mit den letzten 15 Jahren bei Dinner Auf Uranos und anderen Projekten immer wieder ein Thema, einen Abschluss findet das ganze also niemals wirklich.

08. Bei euren bisherigen Alben waren in den Booklets stets die Texte zu finden welche, soweit ich das beurteilen kann, öffentlich immer sehr gelobt wurden. Warum habt ihr euch auf diesem Album dazu entschieden, Bilder nur mit kurzen Auszügen aus den Texten zu versehen?

Da der Textanteil ohnehin sehr reduziert war und wir der Meinung waren, dass die Stimmungsbilder mit Satzfetzen besser wirken würden, haben wir darauf verzichtet, die Texte komplett abzudrucken. Es passte einfach besser zu der sehr bildhaften Musik und dem bisweilen Soundtrack-artigen Charakter des Albums.

09. Bei der Holzbox-Edition liegt ein zweites Booklet bei, in welchem du kurz deine Gedanken zum Album und zu den zwei verstorbenen Mitgliedern von Pink Floyd niedergeschrieben hast. Wie wichtig ist Pink Floyd dir persönlich?

Sehr wichtig, wenn nicht sogar am wichtigsten in musikalischer Hinsicht. Das mag ein wenig "langweilig" sein, weil ich mir da nicht gerade die abgefahrenste Lieblingsband ausgesucht habe ... aber so isses nun einmal. Sie gehören einfach zu den Bands, die ich höre, seit ich mich erinnern kann, ganz einfach weil meine Eltern den Kram auch hören. Ich finde es ausserdem recht interessant, sich mit ihrer gesamten Diskographie auseinanderzusetzen, denn gerade eher unbekannte Frühwerke wie das im Vergleich zu den astrein produzierten Werken wie "Dark Side of the Moon" bisweilen fast schon schrottige "More" sind sehr inspirierend. Ausserdem ist die Live-Platte der "Ummagumma" eines der ersten Postrock-Alben. Dazu kommt, dass ein paar Alben schlichtweg sehr stark mit sehr intensiven Erinnerungen verknüpft sind. Es ging mir bei dem Booklet aber nicht um Pink Floyd, bzw. es war nicht meine ursprüngliche Absicht, eine Verbindung herzustellen. Das ganze ergab sich einfach aus den Umständen.

10. Um gleich bei der Holzbox zu bleiben: Es ist soweit mir bekannt ist das einzige eurer Alben, das in einer limitierte Sonderedition erschienen ist und nach "Schwarzmetall" und "Stille" die dritte Veröffentlichung auf Vinyl. Wo liegt der Grund für dieses breit gefächerte Angebot?

Nun, da unsere Alben sowieso allesamt in niedriger Auflage gepresst werden, ist quasi alles limitiert ... dass es die "Sequenzen" gleich in dreifacher Ausfertigung gibt, war eine Idee des Labels anlässlich der "letzten" Veröffentlichung. Insbesondere das Vinyl freut mich natürlich. Anstatt eines Jewelcases plus einer Holzbox-Version wäre mir zwar ein schöner Pappschuber und gröberes Papier wesentlich lieber gewesen für alle Exemplare lieber gewesen, aber die Zweiteilung der CD-Version scheint ja regen Anklang zu finden, also passt es schon. Und so ganz gewöhnlich ist das Papier ja nun auch nicht.

11. Hättest du dir denn für die früheren Alben auch ein Vinyl-Pendant gewünscht? Ich denke mal, eine Doppel-LP des "Nektar"-Zweiteilers würde schon Anklang finden. Zumindest ich würde sie mir kaufen, hehe.

Das wäre schon was. Würde dann aber wohl auf eine Vierer-Box hinauslaufen bei der Spielzeit. Ausserdem stellt sich die Frage, ob die Lieder in der gleichen Reihenfolge bleiben könnten ... prinzipiell bin ich immer für eine Vinyl-Version, sofern es technisch machbar ist, aber sowas ist leider immer recht teuer.

12. Um noch einmal kurz ansatzweise auf Pink Floyd zu sprechen zu kommen: Ihr habt auf dem Album ausgiebig mit Sprachsamples gearbeitet, die damals auf "Dark Side Of The Moon" ebenfalls Verwendung fanden. Jedoch sind für dieses Samples auf eurem Album die Passagen meist dafür eingerichtet während musikalisch vorher ein Aufbau und nachher sozusagen die Konsequenz des Textes stattfindet. Sind denn alle diese Samples spontan von den Leuten gesprochen worden oder sind manche absichtlich so formuliert wie sie auf dem Album vorzufinden sind?

Die Samples sind alle spontan und echt. Die Leute wussten auch grösstenteils nicht, was wir mit ihnen vorhatten. Natürlich haben wir eine Auswahl getroffen und bestimmte Ausschnitte gewählt, aber wir haben nichts so herausgeschnitten, dass ein neuer Zusammenhang entsteht oder das Sample glatter wird. Das merkt man daran, dass bisweilen auch ziemlich viele "äh"s, Versprecher und blöde Sprüche drin sind. Einzig die Stimme vom Anrufbeantworter ist manipuliert. Der Anruf war zwar tatsächlich ziemlich deprimiert und von nicht eben erfreulichem Inhalt, es ist aber kein Trennungs- oder allgemein Beziehungsanruf gewesen. Wir haben einfach ein paar der ja fast schon gestammelten Sätze herausgeschnitten, so dass das Sample die passende Länge hatte und ausserdem in das Umfeld "Abschied" passte, während die anderen Samples ja vor allem den Neubeginn und die Wanderung zum Inhalt haben. Ursprünglich wollten wir auch wie bei DSOTM ein paar Samples mehr in die Songs integrieren, genauso wie ein paar Gitarrenlinien für die Soundscapes geplant waren, aber die Aufnahmebedingungen machten das leider zunichte. Wir haben am Schluss unter riesigem Zeitdruck einfach nur noch die fehlenden Spuren und Passagen ihrer Wichtigkeit nach abgearbeitet. Deprimierend, aber wahr. Und faszinierend, dass dennoch ein so grossartiges Album herausgekommen ist, wenn ich uns mal eben selber auf die Schultern klopfen darf...

13. Waren denn diese Samples auch der Grund, weshalb das Album in nur zwei Songs unterteilt wurde? Immerhin sind mache Passagen doch mehrere Minuten lang, in welchen der Fokus eher bei den Samples als bei der Musik liegt.

Nein, diese Unterteilung stand schon vorher. Anfangs, nachdem ich mich eines Abends nach Weihnachten 2005 mit Stefan und Torsten darüber unterhalten hatte, dass mir die Idee gekommen war, spontan ein etwas anderes Album zu machen und das bis dahin erarbeitete Material aufzuschieben, war ich sogar dafür, nur ein einziges Stück auf das Album zu packen. Aber letztlich gefiel es mir dann so besser, es hat ausserdem in dieser Art ein klein wenig was von den frühen Mike Oldfield. "Ommadawn" ist "schon immer" eines meiner Lieblingsalben gewesen.

14. Wird man denn anderweitig erarbeitetes Material irgendwann noch - eventuell unter dem Namen Dinner auf Uranos - zu hören bekommen?

Auf jeden Fall. Vermutlich nicht alles, denn das ist einfach viel zu viel, aber wir haben nicht wenig Material, das eigentlich für Nocte gedacht war oder sogar von Nocte gespielt aber niemals aufgenommen wurde, jetzt bei Dinner auf der Agenda. Natürlich wird das teilweise stark überarbeitet werden, teilweise kann man es aber fast eins zu eins übernehmen. Auf dem ersten Dinner-Album wird zwar nur bei dem Stück "Töte das Jahr für mich" Nocte-Material zu hören sein, der Rest ist tatsächlich erst ab dem Frühling 2006 entstanden oder - wie bei "Zwischen dem Salz und Montpellier" der Fall - aus dem Archiv meines ehemaligen Soloprojekts Exekutionsromanze, aber wir werden uns auch in Zukunft immer in unserem eigenen Songlager bedienen, da lagern nämlich unserer Ansicht nach noch einige Schätze. Natürlich wird man das niemals gänzlich ausschöpfen können, da es nicht nur unglaublich viel ist, sondern natürlich auch immer neues Material hinzukommt. Ausserdem ist es immer eine Frage der Zeit und des Geldes inwieweit man Ideen überhaupt angemessen umsetzen kann. Aber auch wenn unsere Mittel mittlerweile postrockiger, psychedlischer sind, so sehen wir uns hinsichtlich des Fundus, aus dem wir schöpfen, weiterhin als die gleiche Band wie all die Jahre zuvor.

15. Kann man demnach also Dinner auf Uranos als die mehr oder weniger logische Fortsetzung des Weges bezeichnen, den Nocte Obducta über die Jahre gegangen sind?

Auf jeden Fall. Natürlich gibt es gewisse stilistische Brüche wie den Wegfall der BM-Vox, aber letztlich handelt es sich ganz eindeutig um das gleiche "Haus". Die Kontinuität Desîhra - Nocte Obducta - Dinner Auf Uranos ist für mich die Geschichte einer Band und nicht dreier. Sogar bei dem Name Dinner Auf Uranos liess ich mich inspirieren (wenn man dieses hochtrabende Wort im Zusammenhang mit einem Bandnamen überhaupt verwenden kann) von dem, was um die Band herum im Frühling 1995 geschah und wir noch Desîhra hiessen. Die Geschichte dazu ist uninteressant und privat, aber für mich schlägt der Name auch eine Brücke zurück in die Vergangenheit der Band, die im Frühling 1995 kurz vor ihrer ersten "Aufösung" eine kreative Hochphase hatte.

16. Der Name Uranos entspringt ja der griechischen Mythologie, ebenso wie der Lethe, der Fluss des Vergessens, welcher eurem ersten Album den Namen gab. Besonders in Zeiten, in welchen scheinbar jeder viel mehr über Odin als über Zeus zu sagen hat sticht das hervor. Woher kommt dieses Interesse für die griechische Mythologie?

Es hat sich eigentlich daraus ergeben, dass es bei uns um die Symbolik ging bzw. geht, nicht um irgendeinen konkreten kulturellen Bezug. Glauben tue ich an den ganzen religiösen Kack sowieso nicht, aber über die bildhafte griechische Mythologie, aus der dem gebildeten Europäer zumindest einige wenige Bedeutungen hinter den Namen geläufig sein sollten, bietet wirklich viel Material, mit dem man irgendetwas aussagen kann. Und zwar nicht bloss "Christen sind schwach, Wikinger sind toll, die konnten voll dufte segeln". Ich finde es ein wenig peinlich, sich eine Kultur und gleich auch noch deren Religion zum Vorbild zu nehmen, nur weil diese Kultur als gemeinhin kriegerisch und verwegen gilt. Dann fühlt man sich als unbesiegbarer, mannhafter Krieger gegen das Christentum und übersieht dabei, dass die Zeit der Wikinger nicht eben lang war. Aber ich schweife ab ... ich finde, dass sich die griechische Mythologie in lyrischer Hinsicht ein wenig besser eignet, und die konkreten Inhalte sind sowieso meine, nicht die einer religiösen Gemeinschaft jedweder Art. Mit Uranos im Bandnamen beziehen wir uns aber natürlich schon auf den Planeten, haben aber aus verschiedenen Gründen die griechische Schreibweise gewählt.

17. Vorletztes Jahr wurde euer Debüt "Lethe" samt eurer Demo neu veröffentlich. Auf eurer Homepage stand auch, dass die Arbeiten am Re-Release von "Taverne" ebenfalls aufgenommen wurden. Nun hat man da leider länger nicht mehr viel davon gehört. Stehen denn die Pläne noch, die teilweise längst vergriffenen Alben neu aufzulegen?

Am liebsten würde ich erst "Lethe" gleich noch einmal neu auflegen. Das Re-Release ist irgendwie eher misslungen. Diese klobige Aufmachung ist nicht unbedingt ansprechend, andererseits ist es natürlich die preiswerteste Variante, wenn man eine Doppel-CD mit zwei Booklets veröffentlichen will, da muss man schon realistisch bleiben. Vor allem bei einer Band, die fast nichts verkauft und in Zeiten, in denen Musik ohnehin de facto nichts mehr wert ist. Aber es ist auch irgendetwas mit den Booklets passiert, nachdem sie unser Haus verlassen haben. Beim Standart-Booklet liegt es wohl an einem Lesefehler, aber das Zusatzbooklet wurde leider an den Rändern arg beschnitten, so dass es innen jetzt aussieht wie "Mein erstes Lesebuch". Dass weitere Re-Releases eingeschlafen sind, lag nicht zuletzt an uns selber. Wir haben aber hinsichtlich der Musik mit den Sequenzen, neuem Nocte-Zeug, dinner Auf Uranos, Thâlsperre und Cüühn echt genug um die Ohren. Und da Musik viel Zeit und Geld kostet, müssen Re-Releases halt warten.

18. Nun, ich denke da wird man als Fan bestimmt noch die Geduld aufbringen um darauf zu warten. Wie ist denn der momentane Stand bei den genannten Bands? Mit Dinner auf Uranos habt ihr, soweit ich weiss, einen Plattendeal mit Cold Dimensions und das Debüt ist unter dem Namen "50 Sommer, 50 Winter" angekündigt, zu welchem es auch bereits Demoaufnahmen zu bewundern gibt. In welche Richtungen werden denn Thâlsperre und Cüühn gehen?

Ja, mit Dinner sitzen wir am Debüt und eigentlich gleichzeitig auch schon am Nachfolger. Wir hätten rein theoretisch sogar noch mehr auf Lager, aber es ist immer einer Frage der Zeit und insbesondere auch des Geldes, so etwas umzusetzen. Also, ... "50 Sommer, 5o Winter" sollte in nicht allzu ferner Zukunft fertig gestellt sein, für den Nachfolger gibt es zwar erst ein Minimum an Aufnahmen, aber wir sitzen dran. Sieht derzeit so aus, als würde Nummer zwei um einiges düsterer, aber bei uns kam ja eigentlich immer alles auch für uns selbst völlig überraschend. Thâlsperre ist ein Projekt, dass Flange und ich Frühling 2008 ins Leben gerufen haben. Es ist quasi eine Mischung aus meinem ehemaligen Soloprojekt Exekutionsromanze und diversen Projekten von Flange, unter anderem Vater Carus, bei denen neben einem Drummer aus dem Freundeskreis Flange, unser Dinner-Basser Heidig und ich gespielt haben. Musikalisch bewegt sich das ganze wirklich relativ grenzenlos in allen Möglichen Gebieten. Eine Mischung aus Rock, Pop, Psychedelic, Singer-Songwriter, Ambient, Electro, Trip Hop ... oder so. Wir hoffen, dass wir dieses Jahr irgendwie etwas auf die Beine, das als Album bezeichnet werden kann. Das Material ist da und schon sehr weit ausgearbeitet, aber Zeit und Geld sind auch hier gerne mal das Problem Cüühn mache ich alleine, und wie man sich vorstellen kann, muss das hinter dem Rest zurückstehen, da es flexibler ist. Die musikalische Nähe zu Dinner Auf Uranos ist natürlich nicht zu leugnen, aber alles in allem sind Dinner härter. Da ich bei Cüühn ausserdem viel mehr bastele und auch hinsichtlich des Endprodukts vor mich hinwerkele, wird es natürlich dennoch anders klingen. Ich weiss auch noch nicht so recht, wen ich mir alles als Gast dazuholen will ... wir werden es eines Tages hoffentlich sehen bzw. hören.

Gut dann wären das alle meine Fragen. Ich möchte dir herzlich dafür danken, dass du dir für meine Fragen Zeit genommen hast.