"Niemand muss uns als "Black Metal" akzeptieren, nicht mal wir selbst tun das – auch wenn es rein musikalisch natürlich das Naheliegendste ist."

Der Weg Einer Freiheit sind eine im Jahr 2008 gegründete, mittlerweile dreiköpfige BM-Band aus Deutschland. Mit ihrem selbstbetitelten Debut, welches von Viva Hate Records vertrieben wird, bekommen sie zur Zeit viel Aufmerksamkeit und Lob. Auch ich schliesse mich dem an und behaupte, dass sie zu den wenigen Bands (Beispiele ohne Wertung oder stilistischer Vergleichbarkeit: Agrypnie, Furia, Repvblika, Anaal Nathrakh u.a.) gehören bzw. in Zukunft gehören können, die dem BM "neues Leben" einhauchen. Dementsprechend nutze ich besagte Situation schamlos aus, um mit halsbrecherisch investigativem Journalismus den Jungs zu Leibe zu rücken. Rede und Antwort, unter suggeriertem Tischlampenlicht direkt ins Gesicht, stand Nikita (Gitarre, Bass und Texte), "Mastermind" der Band.

Fangen wir mit der vorhersehbarsten aller Fragen an. Wie zufrieden seit ihr persönlich mit dem Album?

Nikita: Wir sind sehr zufrieden mit unserem Album, auch wenn der Sound etwas einheitlicher und professioneller hätte ausfallen können. Diesen Vorwurf muss ich mir aber wohl leider selbst machen.

Obwohl euer Debut erst seit ein paar Monaten in den Läden steht, sind die meisten Songs schon etwas älter. Lied 1-7 bilden ja die selbst produzierte Version eures Debuts. Daher würde ich gern wissen, wann man mit ganz neuem Material rechnen kann, da die Label Version mit "Ruhe" zwar einerseits ein neues Stück bietet, andererseits natürlich noch neugieriger auf mehr macht ?

Nikita: Momentan bin ich dabei, neues Material zu schreiben und ein paar konkrete Song-Ideen stehen schon. Ein Veröffentlichungstermin für eine neue Platte steht aber noch in den Sternen und auch soundmässig gibt es noch nicht viel zu sagen.

Da das Album mit Ausnahme von dem oben genannten "Ruhe" schon vor Februar 2009 (bin mir nicht ganz sicher) eingespielt wurde und meines Wissens nach nur das Schlagzeug der Label Version neu ist, gib den Lesern doch bitte einen Eindruck davon, wie die Aufnahmen von Anfang bis Ende abliefen?

Nikita: Die Aufnahmen zur ersten Version fanden etwa um die Jahreswende 2008/2009 statt, nachdem alle Songs ausgearbeitet und vorab aufgenommen waren. Im Februar 2009 wurden die Stücke zum ersten Mal via Myspace an die Öffentlichkeit gebracht. Die neue Version über Viva Hate Records beinhaltet, wie du richtig erwähnt hast, den Bonustrack "Ruhe" sowie neue Drum- als auch Gitarren- und Bassspuren. Am Gesang und an den Arrangements der Songs selber wurden natürlich keine Änderungen mehr vorgenommen.

Um auf die in der Einleitung angesprochene Lobhudelei, welche die Reviews eurer Platte begleitet, einzugehen, setzte dich bitte mit dieser multiple-choice Frage auseinander.
Wie verkraftet ihr den "Erfolg"?
A) Arrogant: War zu erwarten und ist berechtigt!
B) Erfreut/Überwältigt: Wie ein Sechser mit Zusatzzahl.
C) Gelassen: Schönes i-Tüpfelchen zu Plattenvertrag und VÖ. Wählen und kommentieren!

Nikita: C) Das alles ist schön anzusehen und freut uns aber unsere eigene Zufriedenheit und der Spass an der Musik ist uns wichtiger.

Deine Texte werden nicht von BM-Stereotypen wie Okkultismus, Satanspreisung oder Hass u.ä. getragen, sondern sind eher persönlicher Natur. Wie ist es da für dich, die eigenen Befindlichkeiten zu formulieren, jedoch, bezüglich des Gesangs, sie nicht selber vorzutragen?

Nikita: Ich bin mit Tobias' Gesang äusserst zufrieden und er bringt die Stimmung der Texte genau so rüber, wie ich es mir vorstelle. Besser könnte ich es selbst auch nicht machen, da ich keine geeignete Stimme für diese Art des Gesangs habe.

Um noch mal ein Stück zurück zu blicken. Als nach der Auflösung von Frostgrim die Entscheidung fiel, eine neue BM-Band zu gründen, war dir da sofort klar, dass die Texte eher untypisch werden würden?

Nikita: Anfangs habe ich mir rein um das Instrumentale der Musik Gedanken gemacht. Fast alle Texte entstanden erst kurz vor den finalen Aufnahmen und im Gegensatz zum Rest in einem viel kleineren Zeitraum. Da die Musik auf persönlichen Eindrücken und Empfindungen basiert, befand ich es als angebracht, auch die Texte darauf auszulegen. Dass sie eher untypisch ausfallen, war mir nicht klar, vielleicht da ich allgemein nicht sonderlich auf Texte achte und sie eher als Stilmittel zur Untermalung der Musik sehe.

Da ich Frostgrim soeben erwähnte, hier die Frage, die den Kreis schliesst. Frostgrims "Hasserben" ist bei weitem kein schlechtes Album, doch hingt es "Der Weg Einer Freiheit – s/t" in Sachen Melodie und vor allem Intensität weit hinterher. Und da DWEF zu Beginn, wie reichlich weitere Bands (Bsp.:Anaal Nathrakh, Plague Bringer, Arsis -auch nur zu Beginn), die mich in den letzten Jahren überraschten und fesselten, nur aus zwei Mitgliedern bestand bzw. ein hauptverantwortliches "Mastermind" hat, frage ich mich hin und wieder, ob doch was an dem Spruch:"Viele Köche verderben den Brei!" dran ist. Wie denkst du darüber?

Nikita: Ich bin Frostgrim erst im letzten halben Lebensjahr als Gitarrist beigetreten und kann nichts Genaues über die Band sagen. "Mastermind" bei dieser Band war Tobias und er schrieb das Material zu "Hasserben" mit etwa 16 Jahren, nachdem er noch nicht allzu lange Gitarre gespielt hatte. Hinter Frostgrim und Der Weg Einer Freiheit steck(t)en also zwei verschiedene Personen, was den Unterschied der beiden Bands erklärt. Auf der einen Seite ist es natürlich gut und macht wahnsinnig viel Spass mit Gleichgesinnten im Proberaum zu jammen und daraus Songs entstehen zu lassen. Auf der anderen Seite wird die Musik einheitlicher und lässt leichter einen roten Faden erkennen, wenn alles aus nur einer Hand kommt. Ich habe mich für den zweiten Weg entschieden, was den ersteren für die Zukunft aber natürlich nicht ausschliesst.

Welchen Stellenwert haben die verschiedenen Bands/Projekte für dich (DWEF und Fuck Your Shadow From Behind)? Aufgrund der DWEF-Seite in den "Metal-Archives" vermute ich "The Unexpected" ist Geschichte. Aber trotzdem, was war/ist "The Unexpected"?

Nikita: Eine Band, in der Tobias und ich etwa für ein halbes Jahr mitgewirkt haben. Auch Fuck Your Shadow From Behind ist mittlerweile Geschichte, lief zu Lebzeiten aber stets parallel zu Der Weg Einer Freiheit und es wurde keine der Bands priorisiert.

Um Priorität im Sinne von Nr.1 und Nr.2 geht es mir auch nicht explizit. Eher um die Bedeutung für dich. Wie siehst du deine Aktivität(en) in einer Band wie FYSFB zu DWEF?

Nikita: FYSFB war eher als "Band" im traditionellen Sinne zu sehen, heisst Aufgaben rund um Organisation und Songwriting wurden aufgeteilt, es wurde viel geprobt und live gespielt, was auf Grund der Wohnsituation bei DWEF eigentlich komplett anders abläuft. Hier "steuere" ich alles von daheim aus und übernehme fast die gesamte anfallende Arbeit, was mir aber nichtsdestotrotz sehr viel Spass macht und ich es gerne tue.

Ich hätte DWEF in diesem Interview wohl schlicht als junge, moderne BM-Band bezeichnet, die frischen Wind in die Szene bringt. Im SM-Forum jedoch ist eine Diskussion bezüglich Eurer Szenezugehörigkeit, Eurem Erscheinungsbild, "true" oder nicht etc. entstanden. Daher wüsste ich gern, wie stehst du Szenezugehörigkeit im allgemeinen gegenüber, aber auch speziell BM als Szene (die vier No’s, Corpsepaint, Kleidung etc.)?

Nikita: Die Black Metal Szene braucht weder einen neuen Hoffnungsträger noch frischen Wind und funktioniert einfach so weiter, wie sie es die letzten 20 Jahre getan hat. Dass es nicht mehr so wie früher ist, ist klar – Zeiten ändern sich und die "Revolutionäre" von damals werden älter. Wir haben nichts mit Corpsepaint und Satanstexten am Hut und wenn sich Black Metal vornehmlich auf solche Charakteristika beschränkt, haben wir ebenso wenig mit dieser Richtung bzw. dieser Szene zu tun und haben auch keinerlei Interesse daran. Niemand muss uns als "Black Metal" akzeptieren, nicht mal wir selbst tun das – auch wenn es rein musikalisch natürlich das Naheliegendste ist.

Auf Grund deiner massiven Reaktion auf die Formulierung "frischer Wind", vermute ich, dass du ähnliches zuletzt häufiger gehört hast, wollte dich damit nicht bevormunden. Doch da du in deiner Antwort einen Teil meiner Frage umschifft hast, hier noch mal explizit: Welchen Wert nehmen Genreeinteilung/(Szenezugehörigkeit) für dich ein?

Nikita: Genreeinteilungen helfen, Musik zu organisieren und geben einen Eindruck über den Klang der Musik, ohne sie vorher gehört zu haben. Wenn wir mit Black Metal tituliert werden, ist das wohl nicht von der Hand zu weisen, denn es wird das erste sein, das einem in den Sinn kommt. Man kann ein Genre mit einer Szene oder Lebenseinstellung in Verbindung bringen, gleichsetzen kann man die beiden Dinge aber nicht. Und dies wird eben oftmals getan und Bands wie uns, die augenscheinlich nichts mit der Szene zu tun haben, aufgebrummt. Aber solange es Leute gibt, die sich darüber den Kopf zerbrechen, brauche ich das ja nicht auch noch tun. Von daher kümmert mich diese Angelegenheit eher wenig.

Meines Empfindens nach wird, egal auf welche Szene man sich bezieht, zu viel kopiert, was Stagnation beschwört oder nicht ehrlich bzw. erzwungen wirkt, weil die Beteiligten mehr aus Trend Gründen als Herzblut zur Musik kamen (siehe momentan Emo-/Metalcore). Wie sehen deine eigenen Erfahrungen diesbezüglich aus?

Nikita: Mittlerweile kann jeder Musik produzieren, der in der Lage ist, ein Instrument und einen Computer zu bedienen. Ich denke, dass man früher sehr viel mehr Wert auf Eigenständigkeit und Innovation gelegt hat und diese heutzutage auf Grund des Überflusses flöten geht. Im Grunde kann der Hörer aber nie in den Kopf des Musikers sehen und wissen, aus welcher Motivation und Intention die Musik entsteht – vor allem nicht über das Internet. Ich denke, dass man manchmal aber einfach spüren kann, welche Emotionen in der Musik liegen und darum hört man sie auch. Wenn man es nicht kann, hört man sie eben nicht. So eine Diskussion wie im SM-Forum ist meiner Meinung nach überflüssig, da jeder Mensch einen anderen Zugang zur Musik hat und diesen kann man auch nicht erzwingen.

Themenwechsel: Wie kamt ihr eigentlich zu Viva Hate Records?

Nikita: Viva Hate Records kam zu uns, mit einer einfachen E-Mail.

Ihr habt also gar nicht bewusst nach einem Label gesucht?

Nikita: Das haben wir an sich schon – aktiv Bewerbungen verschickt haben wir aber nur wenige. Wir wollten uns keinen Stress machen und standen ja nicht unter Zeitdruck. Daher haben wir das Ganze mehr oder weniger auf uns zu kommen lassen.

Mit Bayern, Sachsen und NRW kann man euch, relativ weit gestreut, in diesem Jahr noch live erleben. Doch leider sind bisher nur vier Gigs angesetzt. In Mai und August zusammen waren es auch nur fünf Auftritte. Gibt es mit Label im Rücken und genügend Zeit auf dem Konto bald auch mal eine ausgedehnte Tour?

Nikita: Vielleicht wird es im nächsten Jahr eine kleinere Tour geben, nur gestaltet sich die Planung von Auftritten auf Grund von Studium und Arbeit meistens sehr schwierig.

Bevor wir zum seichten Ausklang kommen, nochmal was ernstes. Du beziehst ja sowohl in Texten als auch Interviews Stellung gegen Rassismus bzw. Intoleranz in all ihren Formen. Wie empfindest du über den anscheinend zunehmenden Einfluss rassistisch faschistoidem Gedankenguts im Bereich des BM aber auch anderer Metalgenres?

Nikita: Ich interessiere mich privat nicht für Politik und sehe nicht nur bei uns, sondern auch allgemein, keinen Anlass, irgendwelchen politischen Inhalt in Musik oder Texte einfliessen zu lassen. Ein bisschen zum Nachdenken anregen hier oder Aufforderung zu mehr Toleranz dort kann meines Erachtens dennoch nicht schaden. Als Musiker/Texter hat man, ob bewusst oder unbewusst, ein gewaltiges Werkzeug der Meinungsformung inne. Viele Leute schreiben sich – oft aus reiner Euphorie – irgendwelche Texte auf die Stirn, plappern sie nach ohne sich viele Gedanken zu machen. Dieses Mittel wird in meinen Augen zu oft missbraucht, wenn man sich einmal bestimmte Strömungen – z.B. im Black Metal – ansieht.

Von der Politik zurück zur Musik! Gibt es Bands, die dich deutlich geprägt haben? Und selbst, falls sie nicht aus den Bereichen BM/DM/Hardcore stammen, mit verantwortlich dafür sind, dass du Musiker wurdest und was dir momentan widerfährt?

Nikita: Massgeblich geprägt haben mich Nocte Obducta, deren Musik ich mir noch heute regelmässig anhöre. Warum und mit welcher Band ich angefangen habe, Musik zu machen, weiss ich leider nicht mehr.

Im Anschluss an die vorangegangene Frage, nenne bitte eine/max. zwei Bands, die dich aktuell, ob nur ein Album oder deren gesamtes Schaffen, besonders beeindruckt und nicht mehr los lässt.

Nikita: Das ist definitiv die englische Band Devil Sold His Soul mit ihrem aktuellen Album "Blessed & Cursed" und auch dem Vorgänger "A Fragile Hope". Es gibt für mich nur wenige Bands, die eine vergleichbare Intensität, Emotionalität und Dynamik besitzen. Zudem wären noch die beiden Lantlôs Alben "Lantlôs" und ".neon" zu nennen. Musik pur.

Damit es keinen Ärger mit Amnesty Int. gibt, beende ich das Verhör an dieser Stelle, ziehe mich, dankend für Zeit und Musse, hinter den Spiegel zurück und überlasse dir die letzten Worte.

Nikita: Vielen Dank auch für dein Interesse und für deine Zeit!