Die sogenannte moderne Kunst ist die Spitze der intellektuellen Eitelkeit. Wer ein Kunstwerk Müll findet, ist ein Kleingeist, und linke, aufgeklärte, besserverdienende Gutmenschen wollen keine Kleingeister sein. Das überlassen sie dem Nachbarn der Sonntags immer Rasen mäht und Musikantenstadl guckt. Der kann mit seiner Einfältigkeit die Bedeutung und den Hintergrund eines Werkes nicht fassen, soll er auch nicht; aber das Zeugs mit seinen Steuern bezahlen, ja das soll er. So lauschen sie den aufgeblasenen Kunstkritikern an Vernissagen zu, und nicken kräftig und zustimmend, lachen an den richtigen Stellen, um ja nicht in Verdacht zu geraten, die Tragweite des symbolischen Hintergrunds nicht erfassen zu können. Guter Tip für Kunstschaffende : Einfach sagen euer dahingeschissenes Machwerk sei ein Protest gegen das Nazi-Regime. Das zieht immer.
Hm, was ist auf dem obigen Bild zu sehen ? Ein flachgelegtes Pissoir ? Weit gefehlt, es handelt sich hierbei um das bedeutenste Kunstwerk des 20. Jahrhunderts (laut Experten). Naja, man könnte jetzt sagen, der Typ (Marcel Duchamp) hat einfach irgendwo ein Pissoir aus der Wand gerissen, auf den Boden gestellt und es "La Fontaine" (Quelle) genannt. Aber, hey, wenn ich euch jetzt sage, dieses Ding stellt die Unkultur der Alltagsgegenstände in Frage, ausserdem ist es ein Symbol für den Ursprung, die Quelle, in die alles wieder zurückfliesst um daraus neues entstehen zu lassen; insofern ein Sinnbild für menschliches Werden. Ausserdem will Duchamp, dass wir uns fragen, inwiefern ein Gegenstand seine Authentizität einbüsst, wenn er seiner Benutzbarkeit enthoben wird, wie fest die Funktionalität mit der Form verbunden und blablabla... Wenn ihr jetzt mit einem Sektglas und toskanischen Olivenhäppchen meinen Worten lauschend neben mir stehen würdet, könntet ihr da - angesichts des mit theatralisch interessierten Mienen drumherumstehenden Grossintellektuellentum - tatsächlich entgegnen : "Ach, komm, der Typ war auf Drogen und hat im Bahnhofsklo nach einem Fick mit einem Stricher die Schüssel aus der Wand gerissen und morgens im Museum angeliefert" ? Auatsch. Das bedeutet : Reiheneinfamilienhäuschen, Gartenzwerge, Schweizerfahnen; geistig-sozialer Abstieg. Deshalb sagt ihr : "Hach, ja, Herr Kunstkritiker Bandog, sie haben ja so recht, auch wir erkennen die tiefere Bedeutung und den Hintergrund dieses genialen Werkes. Ausserdem studiert unsere veganische Tochter gerade zeitgenössische Kunst an der Uni, könnten wir sie nicht mal bei ihnen vorbeischicken, auf dass sie mal so richtig durchgenommen wird ? Und, wieviel sollen wir in den neuen Museumsflügel investieren ? Wäre ihnen ein Blankoscheck recht ?" Und damit würdet ihr euch dann als Menschen vom Tier unterscheiden, Entschuldigung, ich meine, als aufgeklärter Mensch der Neuzeit vom spiessigen, ewiggestrigen Kleinhirn unterscheiden.
Nehmen wir doch als weiteres Beispiel gleich mal das zweitbedeutenste Werk des 20. Jahrhunderts. Pablo Picassos "Les Demoiselles d'Avignon".
Was schiesst einem durch den Kopf, wenn man einen Blick darauf wirft ? Etwa : "Wenn ich später mal heirate, dann eher keine aus Avignon." oder :"Jaja, Anatomie und Alkohol vertragen sich nicht." Vielleicht. Vielleicht aber auch :"Pablo Picasso stellt in diesem Porträt die seelisch wahrgenommene Form über das physische Konstrukt. Damit schafft er Raum für die Reflektion über das eigene Ich. Habt ihr letzteres gedacht ? Cool Leute, dann seid ihr dabei. Willkommen im Kulturfilz, in diesem geistigen Heissluftballon der Eitelkeiten.