Theurgische Klassik- und Romantik-Winkelloge

Alles nichtmetallische Musikalische gehört hier hin.

Moderator: Imperial Warcry

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Der Theurg
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Beitrag von Der Theurg »

Fenriz stellte einst die musikhistorische Theorie auf: "Tre er en magisk tall."

Neun ist es aber auch. Nur ganz wenige Ausnahmen schafften es nach Beethoven mehr als neun Sinfonien zu komponieren (z.B. Schostakowitsch oder Havergal Brian).


Bei den grossen Meistern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist es beinahe beängstigend:

Ludwig van Beethoven: 9 Sinfonien.

Franz Schubert: 9 (bzw. nach anderer Zählweise acht) Sinfonien.
(Die Neunte ist die vollendete "Grosse C-Dur-Sinfonie".)

Anton Bruckner: 9 Sinfonien.

Antonín Dvořák: 9 Sinfonien.

Gustav Mahler: 9 vollendete Sinfonien.
(Abgesehen vom herrlichen Adagio einer unvollendeten Zehnten.)

Tschaikowsky und Sibelius kommen sogar "nur" auf sechs, bzw. sieben Sinfonien.


Des Rätsels Lösung für dieses Mysterium lüftete Arnold Schönberg (dessen Frühwerk, wie ich erst kürzlich herausfand, überraschenderweise ausgesprochen tristanesk klingt), der um 1912/13 erklärte:

"Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muss fort. Es sieht so aus, als ob uns in der Zehnten etwas gesagt werden könnte, was wir noch nicht wissen sollen, wofür wir noch nicht reif sind. Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe. Vielleicht wären die Rätsel dieser Welt gelöst, wenn einer von denen, die sie wissen, die Zehnte schriebe."

So, jetzt wissen wir's.



Übrigens:
Gerade erst zwei Wochen ist eine neue CD erschienen mit der brandneuesten Rekonstruktion des unvollendeten vierten Finalsatzes von Anton Bruckners Sinfonie Nr. 9, dirigiert von Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern.

Die vier Musikwissenschaftler Nicola Samale, Giuseppe Mazzuca, John Phillips und Bejamin-Gunnar Cohrs bemühen sich schon seit Jahrzehnten dieses Finale auf "musikforensische" Weise zu rekonstruieren und zu vollenden. Bereits ihre vor zwanzig Jahren eingespielte Fassung mit dem Bruckner-Orchester Linz war ganz anhörbar, teilweise staunenswert. Doch die Forschung kam in den letzten Jahren weiter, zumal in jüngerer Zeit anscheinend bedeutende Skizzenfragmente wiederentdeckt worden sind (die seinerzeit aus Bruckners Sterbezimmer von "Anhängern" entwendet worden waren, wobei sämtliche Takte bei Bruckner durchnumeriert sind, so dass man wusste, welche Teile fehlen), möglicherweise als Folge des Aufrufs von Nikolaus Harnoncourt.

Das Ergebnis ist absolut hörenswert! Es ist ganz anders und viel authentischer als die (ebenfalls zumindest teilweise hörenswerten) Rekonstruktionsbemühungen von William Carragan, der wesentlich freier vorgeht. Man könnte sagen, dass das Finale jetzt endlich so gut wie vollendet ist. Und diese neue Einspielung von Simon Rattle klingt wirklich wie von einer anderen Welt.
Skeptische Authentizisten müssten spätestens bei der Anmerkung von Rattle hellhörig werden, wonach sich hier viel mehr Bruckner fände als Mozart in dessen Requiem.
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Inversus
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Beitrag von Inversus »



Man sollte einen genaueren Blick auf die "People's Artist of the CCCP" werfen, viele Prachtstücke enthalten, allemal.
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Der Theurg
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Beitrag von Der Theurg »

@Inversus: Vielen Dank für den Hinweis! :)



Nicolas Slonimsky schrieb in seinem "Lexicon of Musical Invective. Critical Assaults on Composers Since Beethoven's Time" (Seattle 1978) folgende lustige Kritik über Anton Bruckner:

"Bruckner is the greatest living musical peril, a total Antichrist. The violent nature of the man is not written on his face – for his expression indicates the small soul of an average Kapellmeister; and yet he composes nothing but high treason, revolution and murder. His music may radiate the fragrance of heavenly roses, and yet be poisoned with the sulphur of hell."



Wesentlich interessanter ist die folgende Aussage des Dirigenten Stanislaw Skrowaczewski (geb. 1923), den ich mehrfach live erlebt habe, zur Frage, woher seine Liebe zur Musik Bruckners komme:

"Das ist eine ganz ausserordentliche Geschichte. Ich war ungefähr sieben Jahre alt, als ich mit einer Gouvernante im Sommer auf der Strasse ging. Auf einmal erklang aus einem geöffneten Fenster diese Musik. Ich blieb stehen - das war für mich absolut nicht von dieser Erde: Kosmos. Die Musik ging zu Ende, und ich konnte niemanden fragen, was das denn sei. Ich war ganz ausser mir und bekam vierzig Grad Fieber. Meine Eltern ängstigten sich, ob ich Typhus oder eine andere schwere Krankheit hätte.
Langsam senkte sich das Fieber jedoch wieder. Und ein paar Tage oder Wochen später fand ich heraus, dass ich das Adagio aus der Siebten von Bruckner gehört hatte. Das war der Anfang. Ich studierte nicht nur die Partitur der Siebten, sondern auch aller andern Bruckner-Sinfonien. Ich spielte sie auf dem Klavier und hörte sie am Radio, wenn etwas gespielt wurde. Bruckner war ein wahrer Schock für mich. Daher auch das Fieber. Das ist so geblieben, bis heute."
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Beitrag von Der Theurg »

Ich verfrachte das mal aus thematischen Gründen hieher, damit nicht zuletzt ich selbst es wiederfinde, wenn ich mal danach suche:
Aderlass hat geschrieben:Es lebe das großartigste Land aller Zeiten!!!





Aderlass hat geschrieben:
Ju-Hu hat geschrieben:
Aderlass hat geschrieben:
Ja, Schostakowitschs 7. Sinfonie "Leningrader"!!!!!!
Hyper-genial, vom ersten bis zum letzten Ton des Finales!!! :D

Die anderen beiden Tonkünstler sind mir bishero (noch) nicht bekannt...
GLIERE muß Ihnen bekannt sein!!! Da gibt es kein drumherum!!!

Der andere (Lyatoshinksy) ist um einiges unbekannter, hauptsächlich aus dem Grunde, da er aus dem Grenzgebiet des heiligen Reiches stammt, die leider Gottes immer wieder diskriminiert wurden. Gäbe es besagte Diskriminierung in der Geschichte nicht, gäbe es auch kein modernes Ukraine. Die herabwürdigung des ukrainischen ist ein Schande!!! Ukraijna = rossija v vetschnost!!!
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Beitrag von Der Theurg »

Hier gibt es einen sehr guten BBC-Spielfilm über Beethoven zu sehen, leider nur auf Englisch, da er glaubs bisher nicht synchronisiert worden ist, aber dafür mit deutschen Untertiteln versehen.

Es geht darin um die Uraufführung von Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 3 "Eroica" ("Die Heroische") im Jahre 1804, mit welcher der grosse Tonmeister völlig neue Wege beschritt und klanglich bis dato ungehörte Dimensionen erschloss, und zwar im privaten Rahmen bei seinen aristokratischen Gönnern, die völlig schockiert und fassungslos von der neuartigen Musik sind. (Es ist tatsächlich überliefert, dass Beethovens Dritte das Publikum anfänglich dermassen überforderte, so dass es diese Musik für reinen Lärm hielt.)

Am Rande dieses ganzen musikhistorischen Geschehens sind im Film, der wie gesagt im Jahre 1804 spielt, auch noch wichtige Eckpunkte, bzw. Wendepunkte aus Beethovens Leben szenisch eingeflochten.
Insgesamt ein sehr sehenswerter Film:

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Beitrag von Der Theurg »

Wer kennt die "Boogie-Woogie"-artige Passage aus Beethovens Klaviersonate Nr. 32, Opus 111, noch nicht? Und das hundert Jahre, ehe Boogie Woogie überhaupt erfunden wurde - und hundertmal genialer.

Der entsprechende Ausschnitt, ab 0:28 geht's richtig los:




Der klassische Pianist András Schiff erläutert, warum es sich dabei um keinen Boogie Woogie handeln würde:

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Beitrag von Graf von Hirilorn »

Extra für den lieben Weihnachtstheurg...

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Beitrag von Der Theurg »

:o
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

:knuddel:
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Beitrag von Der Theurg »

:oops:

So, jetzt aber zurück zu Beethovens "Boogie Woogie":
Der Theurg hat geschrieben:Wer kennt die "Boogie-Woogie"-artige Passage aus Beethovens Klaviersonate Nr. 32, Opus 111, noch nicht? Und das hundert Jahre, ehe Boogie Woogie überhaupt erfunden wurde - und hundertmal genialer.

Der entsprechende Ausschnitt, ab 0:28 geht's richtig los:




Der klassische Pianist András Schiff erläutert, warum es sich dabei um keinen Boogie Woogie handeln würde:

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Beitrag von Der Theurg »

Damit es nicht verloren geht:
Der Theurg hat geschrieben:Über den genialsten Tonkünstler des 20. Jahrhunderts, nämlich Dmitri Schostakowitsch, dessen Werdegang und Schaffen aufs innigste mit den seinerzeit unaussprechlichen Schattenseiten der Sowjetunion sowie ganz direkt mit Stalins Schreckensherrschaft verknüpft sind:

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Beitrag von Der Theurg »

Ludwig van Beethoven (1770-1827; diese Jahreszahlen habe ich intus, seit ich ein 9-jähriges Kind war) hatte einen weitaus grösseren geistigen Horizont, als landläufig bekannt ist.

Beethoven las nicht nur u.a. die vermutlich erste Deutschübersetzung der alt-indischen Upanishaden (und zwar vollständig!), die ihn massgeblich beeinflusst haben sollen, sondern entnahm einem Buche von Friedrich Schiller einige Textpassagen aus dem antiken, im ganzen römischen Reich verbreiteten Mysterienkult der ägyptischen Göttin Isis und schrieb diese auf ein Blatt Papier, welches er unter einer Glasplatte an der Wand befestigte.

Dieses rätselhafte Blatt ist erhalten geblieben! Laut einem Zeitzeugen soll es sich dabei um Beethovens "Glaubensbekenntnis" gehandelt haben. Die Abschrift lautet folgendermassen, wobei ich Beethovens Orthographie beibehalte:


"Ich Bin, was da ist"

"Ich bin alles, was ist, was
war, und was seyn wird,
Kein sterblicher Mensch
hat meinen Schleyer
aufgehoben"

"Er ist einzig von ihm selbst,
u. diesem Einzigen sind
alle Dinge ihr Daseyn schuldig"


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Beitrag von Graf von Hirilorn »

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