Kategorie: Interview
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"Ich bekenne" mit Tanelis Jarva? Nicht ganz. Zwar sollte der ehemalige Frontmann von Sentenced dazu bewegt werden, ein Album aus seiner privaten CD Sammlung zu nennen, welches er niemals jemandem zeigen würde...

"Ich bekenne" mit Tanelis Jarva? Nicht ganz. Zwar sollte der ehemalige Frontmann von Sentenced dazu bewegt werden, ein Album aus seiner privaten CD Sammlung zu nennen, welches er niemals jemandem zeigen würde, aber er wollte nicht mehr damit herausrücken, nachdem ihm sein Gesprächspartner seinen "peinlichsten" Musikbesitz verraten hatte. Es gab trotzdem viel zu lachen, und nach einigen telefontechnischen Verbindungproblemchen konnte man sehr schnell mit dem Interview beginnen, welches, wie Ihr nachlesen könnt, eine wirklich unterhaltsame Angelegenheit wurde. Von einem grossmäuligen Jarva, wie man früher oft in der Presse lesen konnte, war absolut nichts zu spüren. Natürlich kam Tanelis nicht drum herum, ein zwei Fragen zu seiner Vergangenheit zu beantworten, was ihm allerdings nicht sonderlich angenehm war. Respektieren wir das, denn der Mann hatte auch sonst genug zu erzählen.

Auch wenn Tanelis praktisch null Sentenced Einflüsse auf Ichor heraushören kann, so scheint die Aussage, dass Amok Fans ihre Freude an dem The Black League Album haben werden, nicht allzu gewagt. Das Material ist vielleicht etwas progressiver, ruhiger und die Musik etwas variantenreicher, aber im Endeffekt nicht grundverschieden zu dem, was Sentenced damals mit der genannten Platte abgeliefert haben. Klar, das behaupten wir ... um's Probehören werdet Ihr nicht herumkommen. Doch jetzt zu Mr. Jarva, dem Mann, der alle seine schlechten CD's bereits verkauft hat, in schwarzen Hosen auftritt jedoch in blauen telefoniert und offenbar durchaus zufrieden mit dem ist, was er und seine 4 Mitstreiter mit Ichor abgeliefert haben. Wir sind's auch.

Zuerst mal möchte ich sagen, dass ich mich sehr freue, Dich wieder in der Metal Szene zu sehen. Ich glaube, dass ziemlich viele Leute seit Deinem Weggang von Sentenced Dich baldmöglichst wieder im Business zurück haben wollten. Ein paar von diesen Leuten, und dazu zähle ich mich auch, halten Amok für eines der besten Metal Alben der letzten 10 Jahre. Einer der Hauptgründe dafür waren sicherlich die brillianten Songs, aber ich denke, dass auch Deine aussergewöhnlichen Growls sehr viel dazu beigetragen haben, welche dann ja nach der Love And Death Ep 1996 aus dem Sentenced Sound verschwanden.

Tanelis: Ja, das kommt hin. Genauer gesagt wurde Love And Death 1995 aufgenommen, und etwa ein Jahr später habe ich die Band dann verlassen.

Wie denkst Du rückblickend und nach all diesen Jahren über Amok und die Zeit mit Sentenced?

Tanelis: Ich denke nicht mehr viel darüber nach, und ich höre mir auch die alten Sachen nicht mehr an. Ich erkenne mich ehrlich gesagt nicht mehr darin wieder. Aber ich respektiere die alten Erinnerungen. Wir hatten eine gute Zeit zusammen. Es gab viele Leute, die mich auf Amok angesprochen haben, dass es ein ganz besonderes Album für sie sei, dass es sie inspiriert hat in ihrer Art, Musik zu machen. Aber wie gesagt, ich denke nicht mehr sehr viel über diese Zeit nach.

Ich habe gelesen, dass der Songwriting Prozess für The Black League schon 1992 begonnen hat. Das würde ja bedeuten, zu einer Zeit, in der es mit Sentenced gerade bergauf ging.

Tanelis: Stimmt. Ich habe die Idee zu The Black League eigentlich nie aufgegeben. Die Songs, die ich damals geschrieben habe, passten einfach nicht zum Stil von Sentenced, weder musikalisch noch textlich. Aber ich hatte eine Vision, wie sich das anhören sollte, was ich machen wollte, und so schrieb ich einfach weiter neues Material, nur für mich alleine. Es gab da einen Song, der 1992 entstanden ist, und der eigentlich auf eine Sentenced Platte kommen sollte, genauer gesagt auf das Amok Album. Wir haben ihn sogar aufgenommen, aber er wurde nie verwendet. Glücklicherweise, denn so konnte ich eine bessere Variante davon für The Black League ausarbeiten.

Ich muss sagen, ich hab den Bezug zu Sentenced nach Amok auch ein wenig verloren. Und als ich dann Ichor hörte .... ehm, wie spricht man das aus? Ichor oder Aichor oder?

Tanelis: Ichor ist ok. Das Wort kommt aus dem Griechischen. Ich glaube, man spricht es eigentlich aiischor oder so aus, aber ich spreche ja kein Griechisch ....

Ja wie, hast Du den Ausdruck per Zufall in einem Wörterbuch gefunden?

Tanelis: Haha. Ja, ich muss gestehen, das Wort stammt tatsächlich aus einem Wörterbuch, aus einem englischen Wörterbuch, genauer gesagt, in dem auch altgriechische Terminologien übersetzt wurden.

Ok. Also, ich fang noch mal an. Nachdem ich Ichor gehört hatte, dachte ich sofort: Ja, das ist das Album, dass ich in einer ähnlichen Form von Sentenced nach Amok erwartet hätte. Damit bist Du nicht gerade glücklich, was?

Tanelis: Ich respektiere jede Meinung, aber persönlich kann ich nicht viele Einflüsse von Sentenced bei The Black League erkennen.

Du hast The Black League 1997 mit Sir Luttinen von Impaled Nazarene gegründet. Zur Veröffentlichung des Albums hat's dann aber noch 3 Jahre gebraucht. Weshalb so lange?

Tanelis: Nun, ich habe nach dem Weggang von Sentenced noch mehr Material geschrieben, allerdings ohne jeglichen Pläne, was ich damit anfangen würde. Ich wusste nicht mal, ob ich überhaupt jemals wieder Musik machen würde.

Wieso, warst Du frustriert oder enttäuscht?

Tanelis: Nein, nicht wirklich. Ich hatte alles ein bisschen satt. Ich fand mich zu der Zeit auch ein wenig in einer Situation wieder, in der ich nichts mehr Kreatives bringen konnte. Aber nach einigen Monaten war mir dann klar, dass diese Musik auf ein Album kommen sollte, also kontaktierte ich Sir Luttinen. Ich rief ihn an und sagte: "Hey, ich hab da 20 oder 30 Songs. Hast Du Lust, die mal ausprobieren, um zu sehen, wie sie wirken?" Also haben wir als Duo etwa ein Jahr lang geprobt und nahmen ein paar Tapes auf, um den Grundstil von The Black League festzulegen. Nach einer Weile wollten wir natürlich eine richtige Band haben, und so fanden wir ein halbes Jahr später unser erstes, neues Mitglied, den ersten Gitarristen, ein sehr talentierter Mann, der ein weites, musikalisches Spektrum hat. Das war uns auch wichtig für den Rest der Band. Wir wollten vieles ausprobieren und uns nicht einschränken.

Ja, da gibt es einen tollen Song auf dem Album, Ozymandias. Der hat ja einen leichten Jazzeinschlag, vor allem dann, wenn dieses .... ich sag mal Blasinstrument, einsetzt.

Tanelis: Haha, Blasinstrument?? Ich weiss ehrlich gesagt überhaupt nicht, was das für ein Instrument sein soll. Sir Luttinen hat ein wenig mit Percussions und Keyboardsounds herumgespielt, und dieser Effekt ist unter anderem dabei herausgekommen. Wir haben die Keyboards aber nur sporadisch eingesetzt, denn unsere Musik soll hauptsächlich auf Gitarren basieren. Wir wollen auch keinen festen Keyboardspieler in der Band.

Dieses Rock'n Roll Feeling in einigen der Songs, wo kommt das her? War das ursprünglich schon da oder kam das eher durch die neuen Gitarristen, welche die Songs auf ihre Weise interpretierten? Diese Passagen erinnern mich teilweise ein wenig an 80'er Jahre Hard Rock Bands.

Tanelis: Aaaah haha, 80'er Jahre Hard Rock Bands. Das hört sich echt schlimm an, haha ...

Ich meine damit auch nicht Bands wie Poison oder Mötley Crüe. Vielleicht eher die alten Almighty oder sowas in der Richtung. Kannst Du damit leben?

Tanelis: Also leben kann ich mit allem. Die Idee zu solchen Riffs war schon seit Beginn da. Die neuen Gitarristen haben diese natürlich dann beim Arrangieren der Songs ausgearbeitet und ergänzt. Wie gesagt, es war uns wichtig, dass The Black League technisch wie auch stilistisch wirklich alles ausprobieren konnte. Natürlich nicht Hip Hop ... haha, ich hoffe, sowas versuchen wir niemals. Aber ich denke, was immer wir als Band auch spielen, es wird sich stets nach The Black League anhören.

Ja, definitiv. Der Sound ist auf seine eigene Art sehr eigenständig. Es ist nicht einfach Heavy Metal oder Gothic Rock oder sowas. Ich mag dieses Album sehr, es ist wirklich grossartig. Ich hab's mir sicher 20 bis 30 Mal angehört.

Tanelis: Es ist gut zu hören, dass jemand das Album wirklich mag, dass er es zu schätzen weiss und auch versteht. Ich erwarte keinen grossen kommerziellen Erfolg mit Ichor, und es ist in erster Linie ein Album, das wir für uns selbst gemacht haben. Wenn es auch anderen Leuten gefällt, freut uns das natürlich.

Habt Ihr denn besonders viele negative Reaktionen darauf bekommen?

Tanelis: Nein, nicht direkt. Aber gewisse Leute haben einfach Mühe mit dem Album. Sie denken beispielsweise, dass die Songs zu verschieden voneinander sind und haben Schwierigkeiten, die verschiedenen Stilrichtungen zusammen auf einem Album als ganzes Package zu akzeptieren.

Mein persönlicher Favorit auf Ichor ist We Die Alone. Welches ist Deiner?

Tanelis: Oh, das ist schwierig zu sagen, aber wenn Du mich so fragst, dann würde ich Night On Earth nennen, denn das ist zugleich der älteste Song auf dem Album. Ich hatte diesen Song schon so lange im Kopf, und es ist ein grossartiges Gefühl, diesen nun endlich aufgenommen und verwirklicht zu haben.

Befürchtest Du nicht ein wenig, dass es Euch ein bisschen an Support mangeln könnte, wenn Ihr jetzt bei einem solch grossen Label wie Nuclear Blast Euer Debutalbum herausbringt, das ja viele grosse Acts gleichzeitig betreuen muss? Die Frage hat einen Grund. Als ich Dich vor einigen Jahren mit Sentenced auf Tour gesehen habe, hatte ich das Gefühl, dass Du Dich auf der Bühne sehr wohl fühlst und vielleicht schon bald wieder live unterwegs sein willst.

Tanelis: Ja, ich bin ein verdammt guter Schauspieler haha. Nein, mal ehrlich. Es ist mir eigentlich egal, was Nuclear Blast damit anfangen. Das Einzige, was ich wirklich vermisst habe, als ich keine Musik gemacht habe, war das Gefühl, das Du hast, wenn Du etwas Neues schaffst, dass Dich inspiriert und Dich ausfüllt.

Eine ganz andere Frage. Deine Heimatstadt ist Oulu in Finnland, auch "die weisse Stadt des Nordens" genannt. Wieso? Schneit es dort immer?

Tanelis: Nee, mittlerweile haben sogar wir T-Shirt Wetter. Der Sommer steht vor der Tür. Natürlich hat es hier im Winter auch viel Schnee. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber soweit ich weiss, bezieht sich die Beschreibung auf die Architektur der Stadt. Es gibt hier sehr viele, weisse Häuser. Mehr als in anderen Städten.

Woher habt Ihr eigentlich diesen Namen, The Black League? Was soll er denn bedeuten? Die 5 schwarzen Typen aus dem nordischen Underground ...?

Tanelis: Na, ganz einfach, wir sind gebürtige Afrikaner, hehe. Nein, im Ernst. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob der Name überhaupt eine Bedeutung hat, es ist mehr ein Konzept. Sowas wie "5 hässliche Männer in schwarzen Kleidern", das passt doch gut als Gegenstück zu der "weissen Stadt des Nordens", oder? Oh, mir fällt auf, ich trage gerade Blue Jeans ... so'n Mist, haha!

Also ich denke nicht, dass Ihr Euch gleich als hässlich bezeichnen müsst. Als ich Dich vor ein paar Jahren live gesehen habe, sahst Du noch ganz ok aus, oder hast Du Dich in der Zwischenzeit dermassen verändert?

Tanelis: Haha, nein. Aber ich hab einiges an Gewicht verloren.

Welches Album hörst Du Dir denn im Moment so an?

Tanelis: Schwierig zu sagen. Also im Moment höre ich mir öfters eine Compilation von Lynyrd Skynyrd an, weil die hier morgen in Oulu spielen. Natürlich mag ich auch Nick Cave, das ist einer meiner "all time favourites", und dann das neue Motorhead Album, das ich für das beste seit 15 Jahren halte. Auch Slayer natürlich ... es ist schwierig, einzelne Namen zu nennen.

Und welches Album versteckst Du vor allen Leuten? Welches würdest Du niemals jemandem zeigen?

Tanelis: Hmm, ich glaub, ich habe die schlimmsten Alben verkauft. Mir fällt da gerade kein spezielles ein.

Also gut, ich fange an, ok?

Tanelis: Ok.

Ich würde niemals jemandem mein Samantha Fox Album zeigen, das ich habe.

Tanelis: Oooouh .... aaaahahahaha!

Tja, was soll ich machen, ich kann dieses Album nicht verkaufen, wie Du es mit Deinen übelsten Erwerbungen getan hast. Dieses Ding will doch niemand.

Tanelis: Haha. Das glaub ich sofort.

Nun ja, ich war ein ganz junger Spund, und sie hatte ein wirklich beeindruckendes Erscheinungsbild, oder etwa nicht?

Tanelis: Ja ja. Ich verstehe. Wenn Du jung bist, siehst Du vieles mit anderen Augen und hörst vieles mit anderen Ohren (es sprach der Soziologe Dr. Prof. Tanelis Jarva - Anm. d. Red.).

Jetzt bist Du dran. Hast Du nun eine solche Platte oder nicht?

Tanelis: Nein, ich bin sauber, ich hab alle üblen Scheiben verkauft, haha (Feigling, hehe - Anm. d. Red.).

Ich hoffe, man hört auch nach Ichor wieder einmal was von Euch.

Tanelis: Defintiv. Eigentlich ist das meiste Material für eine 2. Platte schon geschrieben, und ich denke, dass es innert Jahresfrist ein weiteres Album geben wird. Es werden sogar ältere Songs als die auf Ichor vertreten sein.

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