Eine Geschichte!

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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

BLUTGOTT

Teil 6


Er hat kein Wissen. Er hat nur Fragen bekommen. Fragen, die er nicht zu stellen wagt. Er steht so stumm vor der widerwärtigen Demonstration, wie die anderen Beteiligten. Er kann nichts sagen. Er weiss nicht, ob Fragen angebracht waren. Also beschäftigt sich Hansen mit sich selber und seinen eigenen abartigen
Gedanken zur Situation. Er blickt durch das massive Gitter auf die Szene. Das Ding – es muss mal ein Mensch gewesen sein – tut sich gerade an den Resten des verstorbenen Muller gütlich. Was ist, wenn diese Gitterstäbe nicht halten? Er hat selbst gesehen, wie das Ding seine Fesseln gesprengt hat. Und die sahen nicht weniger massiv aus. Von einem schützenden Energiefeld kann Hansen auch nichts entdecken. Hier unten scheint sehr rustikal gearbeitet zu werden. Selbst die Chirurgie, die an dem Ding vorgenommen wurde, scheint primitiv… Aber so kamen die Typen doch schon hier an? So wurde es Hansen jedenfalls geschildert… Nein. Beck hat etwas von grösser geschildert… Und von
Blutverkrustet und abartig… Aber Becks Bericht war nichts, verglichen mit dem hier…

Hier dran wurde noch „gearbeitet“. Diverse Teile eingebaut… Das Ding sieht nun schlimmer aus als der Käpt’n. Und auch wenn Hansen weiss, wie hoch
entwickelt diese Technologie sein muss, die man direkt mit dem Fleisch
verbindet, so sieht das hier doch ungeheuer primitiv aus.

Das Ding, der Ex-Mensch, der Ex-Soldat, wasauchimmer… hat offenbar eine Art Pumpe oder so was in den Rücken gepflanzt bekommen. Schläuche ziehen sich von Gerät aus den Rücken hoch, enden im kahlen, für diesen Körper zu kleinen Kopf… Versorgen oder steuern wohl das, was an Gehirn darin noch vorhanden ist.

Wie viele dieser Dinger haben sie hier unten? Viele, sehr viele, wahrscheinlich.

Das Nichtvorhandensein des Energiefeldes macht sich jetzt auch dadurch
bemerkbar, dass der Gestank des Auseinandergenommenen Muller zu ihnen durchdringt, während das Ding frisst.

Hansen sieht hin und direkt durch die Szene hindurch. In eine andere, bessere, frühere Welt. Eine Welt, in der er noch nicht Adjutant eines skrupellosen
Menschenschinders war, sondern bloss nichtstuerisch an einem Terminal
hockte…

Eine schäbige, kleine Existenz kann einem wie das Paradies erscheinen, wenn aus dieser jede Bequemlichkeit gezogen wird…

Das Jetzt ist Stress. Und zwar unverdünnt. Er wendet seinen Blick nicht ab. Die Szenerie wirkt wie eine Unterstreichung des erlittenen Verlustes. Wie die
Präsenz des Schmerzes in einem zuvor relativ schmerzfreien Existieren…

„Sie sehen, Inquisitor, wir haben das Nötige getan.“ gibt der Alte neben Hansen emotionslos von sich. Er klingt routiniert.

„Ich wusste, auf Sie ist Verlass in der Angelegenheit. Keine Komplikationen?“

Hansen wartet ab, was der Alte darauf antworten wird.

„Nichts, das ausserhalb des Üblichen gelegen hätte… Mein Adjutant hier hat aber alles sehr schnell unter Kontrolle gebracht. Seiner Initiative ist es zu
verdanken, dass wir nicht in grössere Schwierigkeiten gekommen sind.“

Hansen flucht still in sich hinein, während er tiefer und tiefer in die ganze Schweinerei hineingezogen wird. Enger und enger an die ekelhaften Kreaturen gebunden, die das hier, das er immer noch nicht im Mindesten versteht, in Gang gesetzt haben.

„Kommen Sie, Hansen. Seien Sie nicht bescheiden. Zeigen Sie Ihren Fund…“

Jetzt hat wieder dieses unsägliche Grinsen das Gesicht des Alten in Beschlag genommen. Und Hansen stöhnt im Geiste. Bernhard will wirklich alles von ihm. Noch das Letzte sogar. Er hat keine Wahl. Langsam wendet er sich um – jetzt eine Waffe - Er hätte eine Waffe stehlen oder basteln sollen! Aber das hat er nicht. In seiner Blödheit hat er lieber einen ganz tollen anderen Plan entworfen. Also erfolgt sein Umdrehen einfach ohne Waffe. Ohne Überraschung. Er dreht sich ganz einfach zu den miesen Typen um und tut das, von dem er noch eine Sekunde zuvor geglaubt hat, es nicht fertig zu bringen. Er holt den Knopf aus seiner Tasche. Zeigt ihn den versammelten Arschlöchern. Hätte der Alte noch einen Schwanz, würde ihm jetzt garantiert einer abgehen. Hansen weiss nicht, dass Bernhard tatsächlich noch einen Schwanz hat.

Aber die Geste allein genügt nicht. Der Alte will mehr. Hansen weiss das. Also tut er auch das. Er räuspert sich vorher. Nur um sicherzustellen, dass er
überhaupt noch bei Stimme ist. Er ist es. Erstaunlicherweise.

„Das hier…“ Er zeigt Serking den gebastelten Auslöser „hat ein
Mannschaftsmitglied gebaut. Er sollte einen Befehl im Schiffsrechner auslösen, der die Tschernobog möglicherweise zum Absturz gebracht hätte…“

Der Inquisitor sieht sich das Teil mit einigem Interesse an.

„Und Sie haben die Verschwörung aufgedeckt?“

Hansen nickt und fühlt, wie sein letzter Rest von Anstand in ihm zerbröselt, aus purem Überlebenswillen.

„Wer war es?“

Hansen deutet lässig zu Mullers Überresten hin. Und denkt darüber nach, wann und wo sich ihm die nächste Gelegenheit bieten wird, sich zu erschiessen.

„Gute Arbeit, Adjutant…“ Der Inquisitor nickt und gibt ihm seinen Knopf zurück.

Der Pakt zwischen Hansen und diesen Wichsern ist besiegelt! Hansen hat sich ganz und gar verkauft. Er nimmt den Knopf entgegen und drückt ihn noch
einmal, einfach so. Als letzte Bestätigung seines monumentalen Scheiterns.

Und das Schiff kippt.
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Tigga
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Beitrag von Tigga »

Geil! :ugly 3:
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

BLUTGOTT

Teil 7

I

Alle kippen mit. Da die Schwerkraft an Bord bereits auf den Planeten
ausgerichtet ist, ist dieser Ausfallschritt verheerend. Es wäre sicherlich
interessant, darüber zu spekulieren, warum das jetzt so ist. Wie Joel das
hinbekommen hat. Aber Hansen ist in seiner ganzen Notlage geistesgegenwärtig genug, den inneren Schalter sofort umzulegen.

Während die Arschlöcher allesamt überrascht wegkippen, springt er zur Seite, passt sich der rapide zunehmenden Neigung an und rennt los. In Richtung nächstes Tor. Der verflüssigte Inhalt seines Gedärms entleert sich dabei leider unvermeidlich in seine Hosen, aber das ist momentan ein Problem, das er
vernachlässigen kann. Er hat keine Ahnung, wohin er rennt. Er muss erstmal die Tür aufkriegen und dann weiter. die Neigung nimmt weiter zu. Hansen rennt auf dem, was vorhin noch eine Wand war. Und hinter sich hört er Fluchen und
Geschrei.

Der Öffnungsschalter für das Tor ist vor ihm im „Boden“ er betätigt ihn. Durch das Tor und auf der anderen Seite auf „verschliessen“ drücken. Bringen wird das nicht viel. Mindestens Bernhard weiss, wie man es wieder öffnet. Aber Bernhard wird möglicherweise erstmal erklären müssen, was sein Adjutant da gerade
gemacht hat…

Und weiter den Gang an der Wand entlang. Einfach mal den Weg zurück
rennen, den sie gekommen sind. Vom Landungsdeck aus (falls er dort
hinkommt), wird er sich schon weiter orientieren können. Also rennen. Rennen. Rennen. Und das in diesen verfluchten Stiefeln, die schon längeres Laufen zu einem Riesenproblem machen.

Er kommt noch an mehreren Toren vorbei und vollführt an allen dieselbe
Prozedur. Von Verfolgung bekommt er nichts mit und will auch nichts
mitbekommen. Nebst seinen vollgeschissenen Hosen ist seine Hauptsorge
momentan die Tatsache, dass der Rostkoloss möglicherweise abstürzen wird. Die Neigung nimmt zu. Und wenn sie abstürzen, werden all’ seine Probleme schlagartig ein Ende haben, weil auch er ein schlagartiges Ende haben wird…

„Vor dem Tod sich zu fürchten, hat überhaupt keinen Zweck. Man sieht ihn ja nicht. Wenn er kommt, ist man weg.“ rezitiert er im Geiste. Er weiss gar nicht, wo er diesen oberdämlichen Spruch aufgeschnappt hat. Aber der Spruch ist
irgendwie schon wahr und irgendwie muss er sich beschäftigen, um sich von seiner
Situation ein bisschen abzulenken. Um weiter rennen zu können. Ist ja nicht so, dass er ein grosser Sportler wäre. Lieber rauchen und trinken und abhängen…

Verdammte Scheisse. Und dann das!

Wie weit ist es noch, bis zu den verdammten Landungsdecks? Er hat keine
Erinnerung mehr, wie Lange er mit der miesen Truppe vorhin diese Gänge
entlangging. Es muss lange gewesen sein.

Etwas verändert sich. Die Neigung nimmt ab. Der Koloss hat sich gefangen. Ein grosses Lob an die Typen, die ihn steuern! Aber vielleicht wäre es besser, sie wären abgestürzt.

Da kommen die Landungsdecks… Nicht den Aufzug benutzen…

Hansen geht ins Treppenhaus. Er sollte warten, bis das Schiff wieder ganz grade ist, aber er hangelt und stolpert auch so schon die Treppen hinauf.

Und irgendwann muss er anhalten. Irgendwann ist die Kraft weg. Er sackt auf der Treppe zusammen. Keuchend, röchelnd. Alles dreht sich. Der Schwindel. Jetzt der Tod. Alles wird schwarz. Ende. Erlösung.



II

„Bist du wahnsinnig? Was… willst du…“ Joel ringt mit Petrov und bekommt zum Glück sofort Hilfe. Die Brücke steht geschlossen hinter ihm. Der Stein wurde
losgetreten und rollt nun unaufhaltsam. Schon geht die Tür auf und zwei der Halbmenschlichen Wachen des Alten kommen rein.

Bernie reagiert blitzschnell. Er hat ein paar Stromkabel von seiner Konsole
gerissen und greift die Typen mit den Enden an. Lebensgefährlich auch für ihn. Er schafft es, die Typen zumindest zu betäuben. Vielleicht sind sie auch tot. In jedem Fall ausgeschaltet. Joel und die anderen halten Petrov auf dem Boden. Joel setzt ihm einen gestiefelten Fuss auf die Brust.

„Komm runter, Mann, ja? Der Alte hat uns doch längst alle verraten und
verkauft!“

„Das ist… Meuterei…“ röchelt Petrov.

„Du willst als mit dem Alten gehen? Ja?“ Joel nickt zum siegreichen kleinen
Bernie herüber, dass dieser ihm eine der Knarren von den Wachen bringen soll. Das tut der auch. Eine grosse, schwere Projektilwaffe… So richtig schön altmo-disch.

Joel nimmt das Ding und richtet es auf Petrov’s Kopf.

„Na?“

„Ich gehe mit dem Käpt’n! Eure Meuterei wird euch alle bald ins Grab bringen!“

Joel schiesst. Und Petrovs Kopf zerplatzt wie eine überreife Frucht. Ein
Arschloch wurde erledigt. Petrov war der Spion von Bernhard, der alle ihre Pläne fast zunichte gemacht hätte. Joel hat keine Reue, einen solchen erschossen zu
haben.

„Los, macht die Tür dicht, Leute! Sie werden bald kommen! Wir hauen ab!“

Die Übrigen auf der Brücke gehorchen ihm sofort. Obwohl Joel nicht der Typ für ein Kommando ist. Momentan hat er es und versucht eben das Beste draus zu machen.

„Was können wir von hier aus tun? Bernie? Kannst du mal versuchen, eine
Analyse unserer Fracht zu machen? Haben wir etwas, womit wir uns bewaffnen
können?“

„Alle Landungsdecks geschlossen, keiner kann raus! Wir können uns abstürzen lassen! Wir haben sie in der Hand!“ kommt es von Weller an seinem Terminal.

„Schnell reagiert!“ bestätigt Joel, der sich nun selber wieder an seinen Posten gibt.

„Kaum was, aus dem wir was machen können.“ sagt Bernie enttäuscht… Wir haben zwei Pistolen von den Typen da…

Joel lässt sich auch die zweite aushändigen. Er traut momentan niemandem.

„Orbit verlassen.“ weist er an. „Und beim nächsten möglichen Punkt in die
Verwerfung!“

Die Mannschaft tut, wie ihr geheissen. Das ist ein veritabler Staatsstreich. Joel überlegt sich, was wohl die anderen Mannschaftsmitglieder gerade tun, so auf dem Koloss verteilt… Ob er eine Durchsage machen sollte? Irgendwie zur
allgemeinen Revolte aufrufen?

Nein. Dafür ist es momentan noch zu früh. Er muss erst einige Antworten
bekommen…. Die Dinge sind im Rollen. Nun kann nur noch mitgerollt werden, in der Hoffnung, unter der Lawine nicht begraben zu werden.




III


„Er war der Verschwörer. Deshalb habe ich ihn mitgenommen…“ Der Käpt’n weiss genau, wie mies seine Lage ist. Die ganze Vorführung, zu der er Hansen absichtlich mitgeschleppt hat, nur um ihn ganz persönlich zu brechen… das alles hat er ausschliesslich zu seiner eigenen Befriedigung getan. Und nun muss er sich Serking erklären.

„Was? Und Sie machen ihn zu Ihrem Adjutanten?? Bringen ihn hierher mit??“

„Ich… wollte ihn brechen. Er ist ein fähiger Mann…“

„In der Tat. Du Arschloch! Das haben wir gemerkt!“ Sherlock behält ihre
Fassung noch weit weniger als Serking.

„Sie haben das hier zu Ihrem Vergnügen getan, Bernhard.“ Serking ist
beherrscht, aber dadurch wirkt seine Wut noch viel kälter und tiefer als die des/der seltsamen Sherlock.

Bernhard weiss nicht, was er darauf antworten soll. Es stimmt schliesslich.

„Wir werden Ihnen noch weit mehr Vergnügen verschaffen.“ macht der Inquisitor weiter.

Bernhard wird bleich. Zumindest der Teil von ihm, der noch bleich zu werden vermag. Und es ist nicht seine Art, zu stammeln, oder zu winseln…

„ich… er sollte zu uns gehören. Dazu stehe ich. Er wäre mehr als fähig
gewesen…“

„Schweigen Sie.“ Serking sagt das ganz gelassen. Und trotzdem dröhnen diese Worte in Bernhards altem Schädel. Er weiss, was die Stunde geschlagen hat.

„Wachen! Bringt ihn rein!“

Die Hochgezüchteten Wachen treten von und packen Bernhard an beiden
Armen.
Und Bernhard behält die Fassung. Nun ist alles zu Ende. Und es wird auch überhaupt nicht lustig werden. Es wird sogar ganz ganz verflucht unangenehm werden. Aber winseln wird er nicht. Er wird den Preis bezahlen. Er hatte das, was jemand wie er ein gutes Leben nennen würde. Es gibt nichts mehr, das er nicht zur Gänze ausgelebt hätte. Er hat im Blut anderer gebadet und nun ist es Zeit, dass andere in seinem baden. Ohne ein Gefühl der Reue lässt er noch einmal all die schönen Momente durch sein Hirn laufen, die er hier unten und an anderen Orten im Bauch des Kolosses gehabt hat. Als er mit zahllosen Truppen Drogen genommen, geleckt und gefickt hat, Frauen und Kinder gefoltert, gefickt, geschlachtet (und manchmal auch angeknabbert) hat. Er hat noch jeden Schrei im Ohr, den Geschmack jeder Träne und des Blutes auf seiner Zunge. Fast kriegt er bei seinen Erinnerungen sogar noch mal einen Steifen, aber dafür ist seine Lage dann doch zu final. Es reicht für ihn gerade noch, seinen Kopf zu Serking zu drehen und ihm zuzuraunen:

„Auch Ihr Spiel wird einmal zu Ende gehen, lieber Serking. Und das wird viel mieser sein, als das, was Sie mit mir hier machen!“

Serking antwortet nicht. Er versucht auch, sich nichts anmerken zu lassen, aber er scheint doch beeindruckt vom alten Bernhard. Das kann Bernhard mitnehmen.
Schon stossen ihn die Wachen in den Käfig. Er stolpert. Er bleibt liegen. Er dreht seinen Kopf. Der Soldat hat ihn schon gesehen. Und er scheint noch immer Hunger zu haben. Lust auf das Töten.

Es wird sehr, sehr, sehr schmerzhaft. Viel schlimmer, als Bernhard es sich
vorgestellt hat. Aber bis zuletzt bleibt er standhaft. Man hört keine Schreie von ihm. Höchstens ein Keuchen und gepresste Laute.

Bis er irgendwann tot ist.

Und die Tschernobog weint dem „Wichser“ keine Träne nach.


IV

„Ich will alles haben! Wer ist wo. Wieviele, was auf dem ganzen verschissenen Schiff läuft!“

„Er hat alles verschlüsselt. Ich komme nicht in seine Datenbänke!“

„Doch!! Lass dir was einfallen!“ Joel hat keine Ahnung, wirklich gar keine, was er konkret tun kann. Aber er muss sich einen Überblick verschaffen. Und sie
müssen von dieser Weltraumstadt wegkommen.

„Was tun sie?“

„Sie bleiben wo sie sind. Bis jetzt.“

„Sie werden uns verfolgen. Wir haben noch ihren Inspektor an Bord.“

„Inquisitor!“

„Ja, oder was auch immer.“

Wo ist Hansen? Lebt er noch? Wo ist der Inquisitor? Und was zur Hölle
transportieren sie in ihrem Bauch… Joel steht in jeder Hinsicht völlig unwissend da. Und muss dabei auch noch stark aussehen und führen. Er hätte sich nie
gedacht, dass diese Rolle ihm zufallen würde, wenn so was eintritt. Aber es sind inzwischen nur mehr die absolutesten Bachel übrig auf der Brücke. Er hat keine Wahl. Und er befürchtet, dass diese Meuterei deswegen scheitern könnte.

Die Tür zur Brücke ist fest verschlossen und Bernie hat zusätzlich noch eine elektrische Falle gebaut, für den Fall, dass sie durchbrochen wird.

„Wartet… Ich glaub’ ich bin drin.“

„Gute Arbeit, Wolf! Such’ Hansen!“ Joel will Hansen hier haben. Damit der
diesen ganzen Blödsinn übernimmt. Joel hat weder Können noch Lust darauf, den Koloss zu führen. Soll doch Hansen sehen, wie er mit seiner elenden
Meuterei weitermacht…

„Schwierig… Da sind jede Menge anzeigen… Ich hab’ keine Ahnung, wie ich da was rausfiltern soll. Grössere Gruppen bewegen sich auf die Brücke zu.“

Wohl die Garde vom Alten. Wie lange werden die brauchen, um durch die Tür zu brechen? Wie gut wird die Stromfalle funktionieren? Wie gut kann Joel
schiessen?

„Da. Das muss Hansen sein!“

„Wo ist er?“

„Im Treppenhaus bei den Liften Landungsdeck E 3…“

Oh Mann, was will Hansen dort? Ein Spitzenversteck ist das nicht… Eher das Gegenteil…

„Und dieser Inquisitor?“

„Den habe ich. Er befindet sich im 20sten mittleren Deck… Ungefähr einen
Kilometer von Hansen entfernt. Und bewegt sich auf ihn zu…“

Verdammte Scheisse.

Joel kann hier nicht weg. „Kannst du ihn rufen?“

„Wie? Er trägt keinen Kommunikator. Und ausrufen lassen kann ich ihn wohl nicht, oder?“

„Scheisse! Ich muss ihn holen!“

„Das geht nicht! Du musst die Brücke halten!“

„Niemand kann raus oder rein hier!“ bellt Bernie von der anderen Seite. „Ich kann die Falle nicht wieder deaktivieren!“

„Lass ihn dort… Er wird schon wissen, was er tut! Er kommt allein zurecht.“

Damit liegt Wolf wahrscheinlich sogar richtig… Und alles bleibt an Joel hängen.

„Markus? Bereit?“

Der Navigator nickt. Hager in seinem Sessel zusammengekauert. Joel hat immer irgendwie Mitleid mit diesen Typen gehabt. Ihre Tätigkeit scheint sie vollkommen auszuzehren. Und trotzdem werden sie oft alt.

„Wie lange noch bis zum Sprung?“

„Sprung erfolgt jetzt!“

Und Joel hat gerade noch Zeit, sich irgendwo festzuhalten, während der
Rostkoloss in die Verwerfung eintaucht. Donnernd vom Un-Raum jenseits der materiellen Realität verschluckt wird. Weg von Thanatos, weg von dem
verfluchten Riesenklotz des Inquisitors. Nur seine ganze, innere Verdammnis mitnehmend.
Sepp Dietrich
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Beitrag von Sepp Dietrich »

Weltklasse. Davon möchte ich noch mehr lesen.
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

Na, wir wollen bei uns bleiben... Es kommt mehr. Wegen dem blöden Graf Feuersturm muss ich das Ding ja nun zuende schreiben...

Danke trotzdem...
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Kothund
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Beitrag von Kothund »

herrlich
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

BLUTGOTT

TEIL 8


I

Tot zu sein bedarf es wenig, doch wer tot ist, ist ein König. Es ist schon eine ganz andere Form von Gleichgültigkeit, als diejenige, die man durch
Drogenkonsum erlangt. Es ist eine vollkommenere Form. Vielleicht die einzige vollkommene Form überhaupt. Man ist erst wirklich eins mit sich selbst, wenn man gar nicht mehr da ist, was wohl damit zusammenhängt, dass dann auch das störende Selbst, welches für die schrecklichen, internen Dramen unseres
Daseins, endlich weg ist.

Ganz klar: Den Tod kann man uneingeschränkt geniessen. Ewige Ruhe in wunschloser Glücklichkeit. Ungestört von Träumen, Eindrücken und anderen Dingen…

Aber die Ruhe hält nicht an. Der Tod geht einfach wieder, so wie er gekommen ist. Und mit seinem Gehen geht auch der Friede seines Weges. Der Krieg kehrt zurück. Das Siegel des Lebens, der Vater aller Dinge. König kriegt ist flüssig. Er durchschreitet als Blut die Adern. Und er ist Gasförmig. Er wird eingeatmet. Und vor allen Dingen ist er Schmerz. Er kehrt als Schmerz in den halb zerstörten Leib zurück, um ihn zu reanimieren und wieder auf das Schlachtfeld zu zwingen. Das Leben ist wieder da. So verlogen und grausam wie zuvor.

Mein Tod, warum hast du mich verlassen?

Es ist ein langsames, quälendes Erwachen. Ein Erwachen, in den ganzen
Gestank der Lebendigkeit hinein. Er riecht als erstes den schlammig- fauligen Geruch seiner verschissenen Hosen. Dann erst nimmt er die Schmerzen seiner Glieder bewusst war. Er lässt die Informationen langsam in sich hineinsickern. Immer noch nicht wach… Leider gerade wach genug, um zu realisieren, dass er nicht nur geträumt hat… Und dass er offenbar doch nicht tot ist… Leider.

Also liegt man und sammelt sich. Zunächst mal eruieren, wo man überhaupt liegt. Die Archive durchforsten. Dann weiss man es auch schon. Im
Treppenhaus, neben den Aufzügen. Und das in nicht gerade vorteilhafter
Erscheinung.

Er muss diese Hosen loswerden! Er will, kaum im Leben zurück, dann doch nicht am eigenen Gestank verrecken! Benommen geht er den Versuch an, seine
Hosen auszuziehen… Aber es geht nicht. Ach ja: Die Stiefel. Scheiss-Stiefel. Er hat weder die physische noch die willentliche Kraft, sich jetzt aufzusetzen und diese beschissenen Stiefel aufzumachen… Also bleibt er liegen, während er sich sammelt. Irgendwelche Reste zusammenkratzt, die trotz allem offenbar noch da sind… Um sich dann, nach gefühlten Ewigkeiten, trotzdem aufzusetzen.

Und es ist hart. Es schmerzen Muskeln, von denen er nicht mal wusste, dass sie da sind. Vielleicht sind das auch Innereien, die weh tun. Wer weiss. Seine Sicht ist verschwommen, aber er bekommt den einen Stiefel zu fassen. Und dann sind seine Hände taub und die Arme wie gelähmt. Und er hockt da und dämmert
dahin. Irgendwo muss der Inquisitor sein. Hinter ihm… ihn verfolgend…

Aber sogar das kann seine Taubheit nicht durchbrechen… Er ist momentan
immun gegen alle Gefühle… Schmerzen und Taubheit verwischen alles. Und er bekommt den verdammten Schnürsenkel nicht zu fassen. Er strengt sich zwar an, aber es geht nicht. Seine Finger verweigern den Dienst. Er versucht es
weiter. Konzentriert sich, so gut er kann. Fängt an zu wimmern unter der
Anstrengung…

Und schliesslich klappt es. In einer heftigen Aktion reisst er den Knoten auf und fummelt an seinem Stiefel rum. Kriegt den auch los. Langsam kehrt das Gefühl in seine Hände und Arme zurück. Dann die Prozedur noch mal. Diesmal
schneller. Etwas. Und dann raus aus den verschissenen, elendigen Hosen. Eine verdammte Sauerei! Aber Hansen hat nicht den Magen für das Zeug, das hier an Bord in letzter Zeit läuft.

Nun liegt er erstmal befreit da…Soll er die Stiefel wieder anziehen? Ja, wäre wohl besser. Unten ohne, aber mit Stiefeln… Perfekt für einen Schwulenporno. Wie kommt er an eine neue Hose? Er kann diese Fragen momentan alle nicht beantworten und es ist ihm auch egal… Er muss schon alle Kräfte sammeln, nur damit er sich irgendwie aufrappeln kann, um die miesen Dinger wieder
anzuziehen. Und das braucht seine Minuten. Minuten, in denen seine Verfolger näher kommen. Aber er kann und kann nicht genug Angst mobilisieren, um diese totale, bleierne Schwere zu überwinden, die auf ihm lastet. Vielleicht einfach
liegen bleiben. Warten, bis sie kommen und ihn erschiessen. Oder anderswie umbringen. Das ist doch eigentlich auch egal, wie sie es tun. Sogar, wenn es langsam sein wird… Er ist einfach zu fertig, um in die Gänge zu kommen. Zu halb im Tod, ujm sich wirklich um das Leben zu kümmern…

Aber er hat das mit den Stiefeln ja auch geschafft. Sammeln, sammeln…
Einatmen, ausatmen… sammeln. Kräfte zusammenkratzen, die gar nie da
waren. Die grosse Kunst des Menschen in seinem ewigen Kampf ums
kümmerliche Dasein! Sein grosser Trumpf.

Während dem Sammeln vielleicht auch überlegen, was zu tun wäre. Wohin kann er von hier aus, falls er jemals wieder laufen kann? Er müsste irgendwohin, wo er Hosen bekommt… Und was ist überhaupt auf dem Schiff los? Wer hat das Kommando? Wo kann er überhaupt durch, ohne erwischt zu werden?

Irgendwann hat er in dieser ergebnislosen Fragerei genug Kraft gesammelt, um sich in aller Mühsamkeit aufzusetzen… Und dann endgültig aufzustehen. Er
zittert. Er hat sich auf seiner Flucht vollkommen überanstrengt und das ist ihm bewusst. Er muss sich weiter bewegen, um mit den Schmerzen klarzukommen. Stiefel anziehen. Mit Mühe. Klar. Idiotisch aussehen darin. Klar. Und jetzt die Treppe hoch… Die verfluchte! Und die ist noch lang…

Keine Anzeichen von Verfolgern. Gut. Wer weiss, vielleicht ist der Inquisitor ja auch ganz woanders… Vielleicht hat ihn eines dieser Viecher gefressen, die er hier hat züchten lassen? Wer weiss. Also Mut gefasst und vorwärts! Einen Fuss vor den… er stolpert und fängt sich gerade noch am Geländer auf. Zieht sich hoch.

Einen Fuss vor den anderen setzen. Weiter. Weiter!



II


Die Situation ist ganz und gar nicht seiner Gewohnheit, oder dem, was er als
angenehm einstufen würde, entsprechend. Ganz im Gegenteil. Nicht einmal das Sterben von Bernhard, dem elenden Versager, hat ein Gefühl der Befriedigung hervorrufen können.

„Wir sind soeben in die Verwerfung eingetaucht.“ Sherlock spürt so was. Er hat es auch nicht anders erwartet. Was tun. Dem Idioten von Hansen hinterher
rennen? Sicher nicht. Er hat mit Sherlock die Rettung seiner Mission schon hier. Es ist im Prinzip nichts verloren, aber er hasst es, wenn die Dinge ausser
Kontrolle geraten. Er muss wieder Herr der Lage werden. Und zwar schnell.

„Sherlock!! Nachricht an die „Rechtschaffenheit“! Sofort Verfolgung aufnehmen!“

Es wird nicht gerade einfach sein, den Kontakt aus der Verwerfung heraus
herzustellen, aber grundsätzlich möglich ist es schon. Und ausserdem ist es nicht einmal das Wichtigste. Er muss die Kontrolle hier übernehmen. Eine
Herausforderung, der er sich stellen wird. Auch wenn er dafür zu wenig Personal hat.

„Wir marschieren los!“ Und Sherlock und seine abartigen Wächter setzen sich mit ihm in Bewegung. Zur Tür.

„Nachricht angekommen?“

Sherlock nickt nur.

Es bereitet keine besonderen Probleme, die Tür zu öffnen. Der Hurensohn hat sie auf seiner Flucht jeweils von der anderen Seite wieder geschlossen… Hat wohl gedacht, dass er ihm hinterher rennen würde… Hat seine Wichtigkeit
masslos überschätzt, dieser Hansen.

Während Serking mit seiner Begleitung ruhig die Gänge entlang schreitet,
überlegt er nicht nur, wie er die Kontrolle auf dem Schiff wieder übernimmt,
sondern auch wie er diesen Hurensohn bestrafen wird. Und den Rest der
Meuterer…

Gleich einer vernichtenden Reinigung schreitet er die klammen Gänge ab. Er wird sich Zeit lassen. Alle Zeit der Welt wird er sich nehmen. Er wird zu seinem Lander gehen und dann ist Schluss mit dem freundlichen Erscheinungsbild im Gewand eines idiotischen Diplomaten.

der Hass schreitet mit durch die Gänge. Stumm wie immer. Grollend. Tief. Eins mit seiner seit Jahrtausenden verfluchten Behausung.


III

Und an der Tür. Also an irgendeiner. Er weiss es selbst nicht genau, welche das ist. Es ist ihm auch gerade völlig egal. Er muss nur den Schalter finden… Er weiss, wo er ist, aber die Arme sind weiterhin Blei. Trotzdem kann das Blei auch seinen Zweck tun und den verschissenen Schalter kippen.

Er fällt fast auf den Korridor raus. Hält sich aber fest. Links, rechts… Alles leer. Was ist das hier? Quartiere? Oder ein Lager? Ungenutzter Raum? Er braucht eine Hose! Und am besten vorher noch eine Dusche.

Unsicherheit während dem Peilen. Achten auf Geräusche in der Ferne. Aber
diese bleiben undeutbar. Belüftungen wahrscheinlich. Nichts, um das man sich Sorgen machen müsste. Oder doch? Er verharrt in seiner Stellung in der Tür.
Eine groteske, exhibitionistische Erscheinung. Der Geist eines dummen Witzes, der ein Schiff in der Verwerfung heimsucht. Aber er muss es wagen. Noch
einmal gucken, noch einmal lauschen.

Schon trippelt er los. Immer noch von seiner gar nicht vorhandenen Reserve zehrend. Hier gibt es eine Menge Türen. Angeschrieben? Ja. Keine Quartiere. Lager.

Leider keine Kleiderlager. Mist. Weiter. Geradeaus nach rechts den Gang
entlang. Hier wird nur Elektrozeug gelagert. Aber vielleicht ein Deck höher. Mit Grausen kommt der Gedanke an erneutes Treppensteigen hoch. Aber es ist
unvermeidlich… Oder vielleicht ein Deck tiefer…? Wäre er bloss nicht so weit entfernt von dem Bereich, den er kennt…

Hier geht es schon wieder zum Treppenhaus… Also rein. Ein Stockwerk höher. Die Kraft nutzen, so lange sie aus unerfindlichen Gründen noch da ist. Tiefer kann er später immer noch.


IV

Er ist nackt. Ein gestählter Leib entblösst, den Blicken anderer preisgegeben. Er braucht sich nicht zu verstecken. Er ist so oft aufgewertet worden. Selbst in
seiner Nacktheit ist er das Abbild von Stärke und Pflichtbewusstsein. Er ist so geplant, so entworfen worden auf dem Reissbrett des Reiches. Er ist gross. Grösser als ein normaler Mensch. Und älter, um einiges. Stärker? Sehr viel
stärker. Resistent gegen so gut wie jede Krankheit des Leibes und vor
psychischem Leiden abgeschirmt durch die Substanzen, die permanent in
seinen Kreislauf gepumpt werden. Er steht hier wie ein Monument für das
Kommende, das nicht mehr vergänglich wie das Vorige, sondern ewig sein wird. Immerwährend. Er ist Mahnung und Waffe zugleich. Und wenn er so da steht und sich in den Spiegeln betrachtet, die um ihn sind, schiessen ihm diese
Gedanken durch den Kopf. Werden ihm durch den Kopf geschossen, durch ein konditioniertes Hirn. Aber nicht minder ist es deshalb angenehm. Er hat ein Ziel und er weiss jetzt schon, dass er es erreichen wird.

„Nicht diesen!“ brüllt er den Sklaven an. „Meinen Kriegsanzug!“

Und während der Sklave davonkriecht, sich davonbuckelt, ist dem Inquisitor klar, dass das vollkommen überflüssig ist. Er braucht diesen Anzug nicht. Aber er will ihn. Das ist nicht rational, und er sollte immer rational bleiben. Aber er hat schon viele der Dinge, zu denen er in der imperialen Ausbildung erzogen wurde, längst abgelegt. Und dieser ganze Einsatz hier ist nicht unbedingt etwas, von dem alle hohen Stellen im Reich etwas wissen müssen. Also nimmt er sich die Freiheit, diese Sache so anzugehen, wie es ihm beliebt, und nicht irgendeinem Protokoll.

Und so lässt er sich einkleiden in den scheusslichsten Panzer, den das Reich jemandem wie ihm bieten kann. Er will ein Hammer sein. Er will zermalmen. Und er will, dass man das auch sieht.


V

Auch hier keine Kleider. Es ist eine verdammte Scheisse. Wenigstens keine
Idioten, die auf den Gängen rumhängen und ihn so sehen. Na, er wird schon
genug auf irgendwelchen Videoaufzeichnungen sein. Egal. Er muss weiter. Erstmal noch kurz verschnaufen. Und dann? Noch einen hoch oder lieber
runter? Die verbleibende Kraft wird das entscheiden. Er ist einfach nur noch
hundemüde. Nur die Angst halt ihn wach. Und seine heilige Mission der
Beschaffung einer neuen Hose…



VI

„Wo sind sie?“

„Überall! Jedenfalls überall dort, wo’s wehtut!“

„Sie werden uns die Maschinen einfach abschalten!“

„Verdammt!! Markus, sind die Arschlöcher immer noch hinter uns?“

Markus, angestrengt konzentriert, gibt erst nach einigen Sekunden Antwort: „Ja. Sie sind noch da.“

„Wenn die auf uns schiessen…“

„Sei endlich ruhig mit dem Scheiss! Sie werden nicht schiessen, solange dieser idiotische Chef von denen noch da ist!“

Bernie ist damit erstmal ruhiggestellt. Joel hat keine Zeit zum durchatmen.

„Vor der Tür?“

„Immer noch fünf Stück!“

„Und machen keine Anstalten reinzukommen.“ Warum sollten sie auch. Die Hauptakteure der Meuterei sind eingeschlossen und Hansen gibt peinliche Nackvorstellungen auf der Überwachungsanlage…

„Weller!! Wir brauchen den Code!!! Sofort!“ presst Joel hervor.

„Ich krieg’ ihn nicht!! Der Alte hat den Scheiss so verschlüsselt… Es sieht so aus als gäbe es ihn gar nicht mehr!“

Jedes gottverfluchte Schiff des gottverfluchten Reiches hat diesen Code.
Selbstzerstörung vor Ergeben. Er muss da sein. Und wenn sie ihn haben, haben sie wieder ein bisschen Oberwasser.

„Du musst ihn kriegen!“

„Bluffen wir einfach!! Geben wir durch, dass wir ihn hätten...“

„Vergiss das, ja? Das muss echt sein. Das ganze Schiff soll die Durchsage
hören!“

„Und wenn wir die Sequenz nicht mehr abschalten können, wenn…“

Sie haben den verdammten Code noch nicht einmal und Bernie macht sich schon jetzt Sorgen darüber, was passieren könnte wenn sie ihn hätten… Joel wird das alles zu viel. Nein. Es wird ihm nicht zuviel. Das ist es schon lange. Es wird ihm nur voll bewusst, dass es ihm zuviel ist.

„Dann gehen wir eben alle drauf!! Was willst du denn noch? Wir sind doch schon am Arsch! Mit den Typen an Bord und dieser verfluchten fliegenden Kathedrale hinter uns! Wir sind schon am Arsch!!“

Das war deutlich genug, um Bernie und andere potentielle Überlebenswillige in die Schranken zu weisen. Es ist jetzt wirklich keine Zeit für so was.

„Da ist was!“ verkündet Weller, aber Joel macht sich keine Hoffnung. Den Spruch hat er schon zu oft gehört in diesem glorreichen Ritt.

„Ja… Das ist er. Wir haben das Ding!!“

Joel wagt noch immer keine Hoffnung. „Bist du sicher?“

„Ja. Das ist er… ganz sicher!“

„kann man ihn eingeben?“ Es ist garantiert die Autorisation vom Alten
erforderlich…

„Kann nur vom Alten eingegeben werden…“ Na bitte.

„Aber das kann ich überbrücken.“

Verdammt. Vielleicht gibt es noch eine Chance. „Dann tu das! Sofort!!“

Keine Zeit, über Konsequenzen nachzudenken! Sie schaffen es, oder sie
sterben. So einfach kann das Leben sein. Joel atmet kurz durch.



VII


Doch lieber runter… Noch einen rauf schafft er nicht. Und sogar runter ist
anstrengend. Jeder Muskel in Fetzen. also runter, runter. Auf Gummibeinen. Er sollte sich eigentlich lieber wieder hinlegen und das Ende abwarten. Aber wie das so ist, mit urtümlichen Instinkten, sie beherrschen einem. Sie treiben einen an, vollkommen jenseits aller Vernunft. Alles, was Hansen in seinem Leben
gesehen hat, bestätigt diese Annahme. Und momentan ist er es selber, der sich ganz ziehen lässt… Zum Überleben reissen lässt in einer vollkommen
aussichtslosen Situation.

Hier war er schon…

Weiter runter. Und dann noch einen. Die Schmerzen breiten sich in Wellen, von den Fusssohlen die ganzen Beine hinauf, aus. Ausserdem ist ihm auch noch übel… Er ist wirklich ganz unten mit seiner Form. Hätte er doch trainiert, als es ihm noch gut ging! Hätte er sich auf so was vorbereitet! Wie die verschissenen Helden in idiotischen Filmen, die man halt trotzdem guckt, weil nichts anderes läuft und weil man den Scheiss ja doch irgendwie mag.
Und natürlich hat er es nicht getan. Wer sollte schon auf solches Zeug
vorbereitet sein? Hier heisst es improvisieren! Und da liegt seine Hose… Er braucht nicht mal hinzusehen, um sie wahrzunehmen…

Wenn er das hier hinter sich hat, wird er mal zum Arzt gehen…

Was ist das?

Auf den Gängen um das Treppenhaus ertönt eine Durchsage.

Hansen humpelt ein Stockwerk tiefer und lugt vorsichtig zur Tür heraus. Der Gang ist leer. Gut. Jetzt hinhören.

Die Worte dringen durch die Ohren ins Gehirn ein und das Gehirn gibt
Rückmeldung, dass diese Worte nicht verstanden werden, da Sprache
unbekannt.

Blödsinn! Er kennt diese Sprache. Das muss Altgotisch sein. Auch das noch. Die Durchsage scheint wichtig zu sein. Denn sie ist noch mit einer Art Alarmsirene unterlegt. Er studiert einige Sekunden an dem einen Wort rum, das ihm bekannt vorkommt… Aber er braucht nicht mal das zu entschlüsseln. Es fällt ihm von selbst ein. Jemand hat die Selbstzerstörung aktiviert.

In den Gang hinaus. Keine Ahnung, wie viel Zeit noch bleibt, aber er muss sie nutzen. Wenn schon in die Luft gehen, dann wenigstens mit Hose…


VIII


Es ist kalt. Und die Kälte wird gefühlt. Das warme Fleisch im Magen lässt die äussere Kälte auf der Haut spüren. Da sind noch Gedanken, aus einer früheren, gedachten Welt… Jetzt ist nur noch Wahrnehmung übrig. Die Gedanken fliegen gleich ungelesenen Flugblättern daran vorbei. Das Wichtige ist im Vordergrund. Das Fleisch, die Knochen. Die Nahrung. Und Furcht. Bedrohung von überall.
Gerüche. Die Gerüche potentieller Gegner. Wut ist da. Und Kraft. Und Wille. Der echte Wille, ungetrübt von Überlegung und Ratio. Da ist etwas, das bindet. Da ist etwas zu zerbrechen. Fleisch ist stärker als Stahl. Der Käfig ist durchbrochen.
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Hagel
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Beitrag von Hagel »

Hast du was gesagt, Clement?
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

Nein, hier schweige ich ausnahmsweise...
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Graf Feuersturm
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Beitrag von Graf Feuersturm »

Ricardo Clement hat geschrieben:Na, wir wollen bei uns bleiben... Es kommt mehr. Wegen dem blöden Graf Feuersturm muss ich das Ding ja nun zuende schreiben...

Danke trotzdem...

Ich anerkenne die Schuld meiner Tat, doch niemals werde ich sie bereuen!
…Was wäre mir (uns) sonst alles entgangen!

Ich weiss, Sie werden Ihre Geschichte hier vollenden. Und ich, ich werde keine Zeile davon ungelesen lassen!
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

Vielen Dank für diese Löblichkeit...
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Graf Feuersturm
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Beitrag von Graf Feuersturm »

Ricardo Clement hat geschrieben:Vielen Dank für diese Löblichkeit...
ICH habe zu danken!
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Tigga
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Beitrag von Tigga »

Los jetzt!
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

Ok, hier kommt der nächste Teil. Extra für meinen christlichen Freund Tigga.


BLUTGOTT

Teil 9


Endlich Glück! Hier gibt es Kleider! Er öffnet die Tür. Kleider für Typen im
Lager… mal sehen, ob sich was Passendes finden lässt. Draussen immer noch der Alarm… Er schätzt, dass das noch eine ganze Weile so gehen wird. Schliesslich müsste der elende Kahn ja geräumt werden. Und er spekuliert
darauf, dass Joel oder jemand anderes diesen ausgelöst hat, falls der Alte nicht längst schon wider auf seinem Posten sitzt…

Nur unpassendes Gummizeug… Vom Schwulen- zum Fetischporno. So nicht, verdammt! Er braucht nur Hosen… Da sind auch schon die richtigen. Aber sie sind zu gross. Egal. Er wird jetzt nicht auch noch rumwühlen… Stiefel aus und die Dinger angezogen… So stinkt er zwar immer noch, ist aber halbwegs wieder menschlich. Und nun?

Erstmals wird ihm mit bewusst, dass er nie wirklich über das Hosenziel hinaus geplant hat. Und schon gar nicht mit so einem Alarm… Wenn das so weitergeht, muss er zusehen, wie er von dem blöden Kahn runterkommt. Vom
Landungsdeck aus abhauen… Womit? Es gibt nur Probleme, Probleme,
Probleme…

Eigentlich will er sich einfach hinsetzen, oder noch besser: hinlegen und eine Runde pennen… Warum auch nicht? Dann merkt er nicht mal, wie er mitsamt dem verfluchten Schiff in die Luft geht.

Was gibt es hier noch? Weitere Regale, weitere Anziehsachen… Westen und so Zeug… Jetzt irgendwo was zu rauchen her… Und/oder zu saufen… Aber da ist nichts. Eine Waffe wäre natürlich auch nicht schlecht, aber auch das gibt es nicht. Natürlich.

Hansen schleicht sich einfach zurück auf den Gang, der immer noch leer ist. Er muss wohl zurück zum Landungsdeck. Vielleicht steht dort noch was rum, das er benutzen kann um abzuhauen… Aber dort steht auch der Kasten vom
Inquisitor... Erstmal zurück ins Treppenhaus. Vielleicht zu einem anderen Deck...

Probleme, Probleme, Probleme… Hansen ist froh, dass er so müde ist.



II

„Was bezwecken Sie damit?“

Er muss länger auf eine Antwort warten. Ein weiterer Beweis dafür, wie unsicher die Meuterer sind. Schliesslich scheint sich der Trottel am anderen Ende der
Leitung zu fassen.

„Sie werden sich ergeben! Die Verfolgung wird aufhören!“

Nicht ohne einen erheblichen Genuss zu verspüren, und diesen auch genau so in seine Antwort einfliessen zu lassen, gibt er zurück: „Nein.“

Und wieder muss er länger auf eine Antwort warten.

„Gut. Dann werden wir alle und ihre ganze Fracht in die Luft gehen!“

Das klang zwar ein wenig hysterisch, aber durchaus entschlossen. Serking ist das aber völlig egal. Er setzt seinen Marsch fort. Er wird hier Ordnung machen. Berserker und Koloss zugleich schreitet er voran. Seine idiotischen Wachen mit sich ziehend, der Brücke entgegen.

Auf den Gängen vereinzelt Flüchtende. Flüchtende Menschen, konfus und
verängstigt, die gar nicht wissen, wohin sie eigentlich rennen. Er erschiesst
manchmal ein paar von ihnen, nur so zum Spass. Zu seiner eigenen
Unterhaltung. Hier wandelt das Licht des Imperiums. Also warum soll es nicht auch ein wenig für sich selber leuchten? Nach eigenem Ermessen seine Kunde
verbreiten?

Seine Kunde ist der Tod. Wie eine Armee zieht er den Gestank von Blut und Tod hinter sich her. Sherlock an seiner Seite. Ja, sie sind schon ein paar für die
Götter. Oder wären es, wenn sie nicht selber Götter wären.
Eine Etage höher noch, jetzt, dann kommt der Korridor zur Brücke. Serking
nähert sich mit donnerndem Schritt in seinem furchtbaren Anzug. Sherlock bleibt hinter ihm zurück. ER wird eine Vorstellung geben. ER wird demonstrieren, wer hier das Sagen hat…

Vor der Tür zur Brücke eine Ansammlung seiner idiotischen Wachen. Grösser als normale Menschen, aber gegen den gepanzerten Inquisitor nichts. Einer tritt vor und will wohl unterwürfig berichten… Serking wimmelt ihn barsch ab, er braucht keine Berichte, jetzt. Die Wachen verziehen sich und er steht alleine vor der Tür. Sie wurde blockiert. Möglicherweise noch im Inneren gesichert oder mit Fallen versehen. Alles lachhaft für ihn im Moment. Alles bedeutungslos. Er tritt gegen die Tür, die gegen seinen Stiefel auch aus Balsaholz gemacht sein
könnte.

Die Tür fliegt auf. Sie trifft sogar irgendeinen Volltrottel, der sich zu dicht dahinter aufgehalten hat. Heulend bricht dieser unter der Tür zusammen und wird
zerquetscht. Serking tritt ein. Er tritt auf irgendwas. Eine Falle. Der Strom wird
wirkungslos umgeleitet. Er tritt über die Falle in den Raum, sich weidend an den verblödet-ängstlichen Gesichtern, die er hier vorfindet.

Das wäre alles gar nicht nötig. Er müsste das alles auf keinen Fall tun. Er tut es trotzdem. Er hätte es von irgendwo aus tun können, aber er tut es hier. Das alles dient ihm als Entschädigung für vorhin und zur Wiederherstellung der alten
Verhältnisse. Kontrolle muss wieder her. Und das Gefühl, die Kontrolle zu haben.

Er baut sich in seiner ganzen, durch den Anzug verliehenen Grösse vor den
Anwesenden Gestalten auf. Er lässt nicht zu, dass auch nur die kleinste
Gefühlsregung sein Gesicht zeichnet. Obwohl in seinem Innern die Gefühle wie in einem Sturm des Hasses, der Rachsucht bei gleichzeitiger orgasmischer Glücksseligkeit toben.

Er lässt das Ganze einen Augenblick lang auf sich wirken. Gerne würde er jetzt die Zeit verlangsamen, aber letztlich wird er sich doch mit der Erinnerung
begnügen müssen. Denn es ist Zeit.

Er äussert einen Satz in so altem Gotisch, dass selbst er ihn nicht voll versteht. Das braucht er auch gar nicht. Der Satz wurde ihm anerzogen, eingehämmert in seiner langen Ausbildung und gehört zu seinem Repertoire fast gottgleicher
Allmacht vor dem niederen Fussvolk.

Der Alarm und die Durchsagen hören auf. Und nicht nur die. Auch alles andere schaltet sich wie von Zauberhand einfach aus. Der Koloss ist stillgelegt in der Verwerfung.


Damit ist auch die Vorstellung beendet. Leider. Der Rest ist abwickeln von
überflüssigen, stressigen Angelegenheiten. Und er geht diese Sache so ruhig an, wie es ihm gerade möglich ist. Er repräsentiert ja auch. In erster Linie sich
selber. Aber das braucht niemand zu wissen.

Nun, da er mit seiner Demonstration nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch die absolute Ehrfurcht dieser Idioten hier geniesst, kann er das wenigstens
ordentlich machen.


„Also… Ihr seid… Nein, Ihr wart… Meuterer…“ Er schreitet vor den Idioten auf und ab. Gewichtig. Er erwartet keine Antworten. Er hat schon alle. Trotzdem stellt er eine Frage: „Warum? Wer hat euch angestiftet. Hansen?“

Er erntet nur betretenes Schweigen und Blicke, die sich von ihm weg auf den Boden richten.

„Es spielt keine Rolle, wer euch angestiftet hat. Eure Meuterei ist gescheitert. Und ich bin das Reich, hier! Ich bin die direkte Vertretung eures Kaisers. Ich werde euch richten, sobald wir zurück bei Thanatos sind. Die Strafen für solches Verhalten sind hart. Sehr hart… nach euren kläglichen kleinen Massstäben… „

Er lässt das eine halbe Minute lang in die Köpfe sickern.

„…Falls also… noch irgendjemand mir irgendetwas zu sagen hat, kann er es
jederzeit tun… Er soll nur nach mir verlangen… Nehmt sie fest! Bringt sie in die Arrestzellen!“

Er lässt die dämlichen Meuterer von seinen Wachen abschleppen. Niemand
leistet Widerstand. Er wird hier eine eigene Mannschaft einsetzen. Sie sollten so schnell wie möglich aus der Verwerfung und zurück nach Thanatos. Die Mission muss zu ende geführt werden! Um jeden Preis.

Sherlock betritt langsam den nun leeren Raum. Stellt sich neben Serking. Sie spüren einander. Nach so vielen Jahren ist jedes Wort im Prinzip überflüssig.

„Kontakt zur „Rechtschaffenheit“?“ denkt er.

„Kontakt ist da.“ denkt sie.

Und dann denken sie beide gemeinsam ihre Gedanken, während sich der Rest des Ablaufes um sie herum wie ein Ritual vollzieht.



III

Als der Koloss, der neben der Weltraumkirche, die ihn nun begleitet, winzig
aussieht, wieder in den Realraum tritt, muss an Bord erst einmal gemessen
werden, wie viel Zeit im Realraum inzwischen vergangen ist. Die neue Führung an Bord hat Glück. Nur wenige Tage. Alles ist noch so, wie es sein sollte.
Zumindest teilweise. Die neue Führung ist unzufrieden.


„Wie ist das möglich? Sie können doch einfach seine biologischen Signale orten! Warum tun Sie das nicht? Sie sabotieren hier nur einmal…“

„Käpt’n…“

Serking hebt die Augenbrauen in einer ganz erstaunlich doof anmutenden
Bewegung. Aber da er über eine so enorme Machtfülle verfügt, ist diese Doofheit für den kleinen Normalmensch vor ihm nicht von Belang.

„Äääh… Sire… Inquisitor…“

Die Augenbrauen kehren zurück in ihre Ausgangslage. Besser.

„es… könnte einfach sein, dass er tot ist…“

„Dann will ich seine Leiche! Seine ganze!!“ brüllt Serking zurück, und hofft dabei, dass das nicht der Fall ist. Er will seine Rache an diesem Hurensohn! Und er wird sie sich nicht wegnehmen lassen! Auch nicht vom Tod… Wahrscheinlich lügt ihn der Drecksack an, und weiss ganz genau, wo Hansen ist. Er sollte ihn foltern lassen… Aber momentan braucht er ihn noch.

Ungeduldig wartend lässt ihn der niedere Diener des Reiches zurück. Er muss leider auf die Reste der Mannschaft zurückgreifen. Seine Mannschaft ist unfähig, die Tschernobog zu steuern. Immer das Gleiche mit Machtübernahmen… Man übernimmt einen fertigen Apparat, und der läuft einfach weiter… so wie es ihm grad passt…

Und er will Hansen haben. Um jeden Preis. In der Zwischenzeit wird für ihn
wenig anderes zu tun bleiben, als sich auszumalen, wie er seine Rache an den Meuterern vollziehen und dabei auch noch seine Mission hier zu ende führen wird.

Es nagt an ihm, zu viel Zeit zu haben. Er braucht etwas zu tun, um bei sich zu bleiben. Auch die Beruhigungsmittel, die er sich beständig in den Kreislauf
pumpen lässt, helfen ihm nicht wirklich. Es muss etwas geschehen.

Und während er sich so durch die Sekunden und Minuten seines untätigen
Daseins wühlt, tritt die Lösung seiner Probleme bereits in Aktion. Als würden die Götter ihm zulächeln.

„Sire!“

Was für eine lächerliche Anrede. Aber dem Gewürm hier fällt in seiner dumpfen Angst wohl nichts Besseres ein. Hoffentlich haben diese Trottel Hansen
gefunden.

„Was ist?“ Er schafft es, seine Erleichterung hinter einem ungeduldigen Ton zu verbergen.

„Da sind… Signale… Biodaten. Aber es sind viele. Es sind… sehr viele. Und den Daten nach sind sie auch nicht menschlich.“

Serking kann sich auf der Brücke umblicken, und in den Visagen sehen, dass diese Menschen wohl ahnen, was jetzt los ist.

„Da sehen Sie, wohin Ihre idiotische Meuterei geführt hat! Hätten wir diese
Mission wie geplant ausführt, hätten wir dieses Problem nicht. Und das hier IST ein Problem!“

Die Gesichter starren ihn nur an. Fast flehend in ihrem Ausdruck. Jetzt soll er es richten. Jetzt ist das Reich plötzlich wieder gut genug…

Serking ist davon unbeeindruckt. Er ruft zunächst mal seine Soldaten
zusammen. Fragt dann den Bachel an de Analyse: „Wo sind sie laut Anzeige jetzt?“

„In den mittleren Transportdecks… Und es sind 45-50 davon…“

„Gut, ich werrde sehen, was ich tun kann. Sie bleiben auf ihren Posten.“

Er erhebt sich, nimmt noch zwei seiner vier Wachen mit, und schon ist er
unterwegs. Glücklich darüber, noch etwas Unterhaltung zu bekommen, bevor das hier vorüber ist.



IV

Das ganze Landungsdeck leer… Und der Lander steht ganz verlassen da. Die Rampe sogar noch ausgefahren. Aber er weiss nicht, ob noch jemand im Lander drin ist… Soll er es riskieren? Im Prinzip ist es ja schon ein Wunder, dass er so weit gekommen ist… Also könnte er sein Glück auch ein wenig
überstrapazieren…

Aber dann? Wie weiter? Er hat absolut keinen Plan… Er kann so ein Ding auch gar nicht starten. Geschweige denn steuern… Es ist eine verdammt verfahrene Situation… Vielleicht gibt es Waffen dort drin. Er braucht eine Waffe… Und sei es nur, 7um sich im Notfall noch selbst zu erschiessen. Trotzdem zögert er… Und dann taucht auch noch das Bild einer Dusche vor ihm auf… Noch immer zögert er. Tritt aber einen Schritt aus seiner spärlichen „Deckung“ heraus.
Wartend, erschöpft, paranoid (zu Recht) und unentschlossen.

Die Entscheidung wird ihm abgenommen.

Er braucht sich nicht umzudrehen. Zum Einen, weil das Geräusch noch
einigermassen weit entfernt ist, und zum Anderen, weil er es sehr genau kennt. Wie hätte er es vergessen können? Jemals? Und jetzt ist nicht einmal jemals. Es ist knapp ein paar Stunden her, seit er es zum letzten Mal gehört hat.

Und es scheinen mehr von diesen Typen zu sein. Sind wohl ausgebrochen, als das Schiff gekippt ist…

Hansen geht im Laufschritt auf den Lander zu. Darauf wartend, dass irgend
jemand ihn erschiesst. Aber nichts passiert. Er erreicht die Rampe ganz
unbeschadet. Geht diese hoch. Und hinein.

Er blickt sich gar nicht gross um. Er sucht nur nach einem Schalter, um die
verdammte Rampe einzuziehen. Und findet keinen. Er flucht. Er läuft ins innere des Landers. Wo ist die Brücke? Da? Nein. Da ist nur ein weiterer Gang…

Hier vielleicht? Das sind beschissen enge Gänge hier… Und sie sind auch nicht beleuchtet.

Irgendwie stolpert er in die Brücke… Es muss die Berücke sein. Ein Pilot – ein normaler Mensch – dreht sich mit tumbem Ausdruck zu ihm um. Hansen hat
keine Zeit, sich etwas Besseres zu überlegen: „Fahren Sie die Rampe ein, Mann, wenn sie leben wollen!!“

Der Idiot reagiert natürlich nicht.

„Los, Mann!! Ich habe keine Zeit, das zu erklären!!“

Der Pilot wendet sich von Hansen ab und dem Funkgerät zu. Ganz klar, was er vorhat.

Hansen verhindert die „Wir haben ihn“-Durchsage durch den geschickten Einsatz seines Stiefels. Der Pilot sackt bewusstlos aus seinem Sessel. Und lässt Hansen zurück mit der Frage, wie man von hier aus diese elendige Rampe einfährt.

Hansen setzt sich einfach hin. Tausend Tasten und Schalter und anzeigen.
Keine in einem verständlichen Gotisch. Ist völlig egal. Er drückt einfach wild auf den Knöpfen rum. Irgendwann vibriert der Lander. Ist das die Rampe?

Er hat hier tausend anzeigen auf den Bildschirmen, aber keine Aufnahme von der Rampe. Er muss noch mal hin, zum Nachsehen. Er tritt dem Piloten noch mal rasch an den Schädel, damit der auch liegen bleibt, bevor er sich zur Rampe durchhangelt.

Sie ist drin. Die Tür ist zu. DAS wäre erstmal geschafft. Zurück zur Brücke.

Der Pilot liegt da. Hansen hat jetzt die Zeit, ihn zu durchsuchen. Er trägt eine Waffe. Eine Art Laserpistole. Das ist doch schon mal was…

Dann durch den Rest von diesem Gefährt. In die Quartiere… Hansen findet mehr Waffen. Einige grosskalibrige Projektilwaffen. Manche davon viel zu gross für ihn, aber ein paar davon brauchbar. Er nimmt sich alles, was er tragen kann. Und Granaten sind auch noch da. Zumindest sehen die Dinger so aus. Auch umgehängt.

Und jetzt? Zurück in die Brücke. Vielleicht kann er eine Anzeige vom Deck auf den Bildschirm kriegen… Oder ein Fenster aufkriegen? Hat das Ding Fenster? Vielleicht… Er hangelt und drängelt sich zurück durch die Korridore…

Wieder in der Brücke. Der Pilot stellt erstmal kein Problem mehr dar. Also eine weitere Runde heiteres Zufalls-Knopfdrücken. Hoffentlich startet er das Ding nicht auch noch zufällig. Er drückt weiter herum. Er versucht schon,
herauszufinden, was die Inschriften über den Knöpfen bedeuten könnten, aber er muss regelmässig kapitulieren… Es gibt einige Schalter, die er gar nicht
anrührt… Dann findet er etwas, das die Bildschirmanzeige ändert… Und kurz
darauf ist er in der Lage, auf das Deck hinauszublicken.

Das Deck ist leer. Und stumm. Wahrscheinlich könnte er auch Ton reinkriegen, aber das will er gar nicht. Er braucht bloss das Bild…

Das Bild bleibt sich gleich. Es geschieht nichts. Zusammen mit der Stille ein sehr einlullender Zustand. Gefährlich für einen müden, gar nicht dafür gemachten Einzelkämpfer inmitten des Chaos. Hansens Lider werden schwer. Schwerer, so scheint es ihm, als je zuvor in seinem Leben. Er muss sich wach halten. Er muss es irgendwie schaffen… Aber anstatt etwas dazu zu unternehmen, rückt er sich noch bequemer in dem Sessel zurecht, der ihm bequemer vorkommt, als alle Sessel seines ganzen Lebens… Er beginnt schon, wegzudämmern. Er kann nichts dagegen tun… Und er will es jetzt auch gar nicht mehr. Er fühlt die Panik von sich abfallen, alles sich auflösen, wunderbare Erlösung. Ihm ist fast so, als dürfe er nun wieder sterben. Ihm kann alles egal sein. Er kann gehen… Er ist schon fast weg… Und kriegt nur noch am Rand mit, wie sich das Bild auf der Anzeige verändert… Es geschieht etwas. Aber das ist sicher schon ein Traum… Ein gutes Dutzend dieser scheusslichen Züchtungen strömen auf das Deck… Aber er ist hier ganz in Sicherheit… Und alles ist nur ein Traum… Morgen wird er in seinem halbwegs weichen Bett aufwachen und ganz gewohnt in den Morgen gehen… Alles wird vergessen sein…

Hansen pennt weg.
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Tigga
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Beitrag von Tigga »

Christlicher Freund, tztz.. :roll:

Danke, sehr gut!


Ich sollte wirklich mal Perry Rhodan weiterlesen. Bis zum MEISTER DER INSEL Zyklus war alles genial, weiter bin ich noch nicht gekommen.
Wie gut, dass mein Vater seit Ausgabe 1 bis JETZT sammelt.. :twisted:
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Hennoushyle
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Beitrag von Hennoushyle »

Als Schriftsteller finden Sie es sicher besonders bedauerlich, dass man nicht auch sein Leben überarbeiten kann.
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

Ja, da haben Sie recht...
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Von Horffburg
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Beitrag von Von Horffburg »

Übrigens starb neulich J.G. Ballard...
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

So lange Tony Ballard noch "lebt"...
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Von Horffburg
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Beitrag von Von Horffburg »

Lohnt es sich überhaupt, Ihren Erguss hier zu lesen? Ist das wieder so eine Warhammer-Story?
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