Faschismus mal anders?

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marinetti
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Faschismus mal anders?

Beitrag von marinetti »

Um der allgemeinen Verwirrung um dieses Thema etwas entgegen zu wirken habe ich mir die Mühe gemacht aus Armin Mohlers Traktat "Der Faschistische Stil" ein kurzes Kapitel ab zu tippen.
Wir kennen das ja. Fascho, Faschist, faschistoid, faschistisch. Für was alles dieser Begriff bereits herhalten musste. Da ja nicht unbekannt ist, dass meine "Steckenpferdchen" in diesen Gewässern an zu siedeln sind, möchte ich endlich einmal darauf eingehen. Positionen die vielleicht für den einen oder anderen unverständlich daher kommen gerade in einer Zeit in der das Bürgertum bedrohliches Mass angenommen hat. Ich hoffe Sie, werte Mit-Userschaft, würdigen mein "Zeitopfer" welches ich hier hineingesteckt habe und zerreissen dieses Thema nicht gleich wieder mit stumpfsinnigen Trotzaktionen.

Edit:
Alleine schon die Wahl der Richtigen rubrik für diesen Thread fällt schwer. Religion/Mythologie? Literatur und Kunst? Allenfalls sogar unter Sonstiges? Ich hab mich jetzt trotzdem mal hierfür entschieden.


Hier also ein Auszug aus dem "Faschistischen Stil"

Es gibt einen Einstieg in unser Thema, der sich aufdrängt. In der Mitte der 30er Jahre begrüsst in Berlin ein prominenter Deutscher einen hohen Gast aus dem Ausland, der als Verkörperung des Faschismus gilt. Der Deutsche, ein Meister der Sprache, hält mehr als eine konventionelle Begrüssungsrede. Er spricht aus, wie er den Gast aus Rom sieht und versteht – und man spürt seinen Worten an, dass er sich dem Gast wesensverwandt fühlt. Ein Faschist heisst einen Faschisten willkommen. Heute wissen wir, dass der Deutsche kurz darauf in Ungnade fiel – als Faschist. Dadurch erhält die Begegnung aus der Distanz einen Stereoeffekt. Gäbe es eine bessere Perspektive, um zu erkennen was ein Faschist ist?

Im Frühjahr 1934 besucht der zum hohen staatlichen Würdenträger aufgestiegene Theoretiker des Futurismus, Tommaso Marinetti, das Deutschland Hitlers. Er ist in Personalunion Sprecher dieser beunruhigenden modernen Kunstströmung wie auch des italienischen Faschismus. So wird er denn in Berlin mit grossen Ehren empfangen, aber ein Gefühl der Fremdheit und Unsicherheit gegenüber dem Gast aus dem Süden ist nicht zu übersehen – das Deutsche Reich ist noch nicht ganz über die Rolle des Juniorpartners von Mussolini hinausgewachsen. Offensichtlich empfängt nur einer den italienischen Künstler-Rhetoriker als seinesgleichen: Gottfried Benn, der an einem für Marinetti veranstalteten Bankett der „Union Nationaler Schriftsteller“ als deren Vizepräsident den Gast begrüsst. Benn spricht in Vertretung des sich im Ausland befindenden Präsidenten Hanns Johst, welcher zwar auch aus dem Expressionismus kommt wie Benn, aber mit seiner jovialeren, von Folklore untermalten Art doch besser als dieser in die nationalsozialistische Kulturpolitik passt.
Man spürt Benns Rede an, dass er sich bei dieser Gelegenheit nicht zwingen muss. Es ist sogar etwas wie ein Aufatmen in ihm zu spüren. Aufschlussreich ist, dass Benn den Italiener nicht auf eine gemeinsame Gesinnung oder eine Gemeinschaft der Ideen anspricht. Nach ihm ist es vielmehr Deutschlands wie Italiens Aufgabe, „an dem untheatralischen, an dem grossartig kalten Stil mitzuarbeiten, in den Europa hineinwächst“. Benn lobt am Futurismus, dass er „die stupide Psychologie des Naturalismus hinter sich warf, das faul und zäh gewordene Massiv des bürgerlichen Romans durchstiess und mit der funkelnden und rapiden Strophik Ihrer Hymnen“ – Benn spricht Marinetti direkt an – „auf das Grundgesetz der Kunst zurückging: Schöpfung und Stil.“ Schon die Angriffe sind interessant. Es geht gegen die Psychologie, das Theatralische im Sinne der Guckkasten-Bühne, gegen das Kleinteilig-Gründliche bürgerlicher Kultur. Und mit den positiven Wertungen ist bereits ein erheblicher Teil des faschistischen Sentiments vorausgenommen: kalter Stil, rapid, funkelnd, grossartig. Das, worauf Benn den Gast im weiteren Verlauf der Rede anspricht, sind denn auch nicht Inhalte im gewohnten Sinne – es ist eine bestimmte Dynamik, ein Rhythmus: „Mitten in einem Zeitalter stumpf gewordener, feiger und überladener Instinkte verlangten und gründeten Sie eine Kunst, die dem Feuer der Schlachten und dem Angriff der Helden nicht widersprach... Sie forderten die Liebe zur Gefahr, die Gewöhnung an Energie und Verwegenheit, den Mut, die Unerschrockenheit, die Rebellion, den Angriffspunkt, den Laufschritt, den Todessprung und dies nannten Sie die schönen Ideen, für die man stirbt.“ Mit diesen, dem Werk Marinettis entnommenen Schlüsselworten tönt Benn weiteres an, was gemeinsam ist – vor allem die Herkunft aus dem Krieg. Der Krieg wird jedoch nicht im nationalsozialistischen Sinn als Befreiungskrieg eines eingekreisten Volkes begriffen. Gemeint ist vielmehr der Kampf an sich, bei dem es wenig darauf ankommt, dass der Angesprochene damals auf der anderen Seite stand. Im Gegenteil: diese Art von Krieg schafft eine besondere Brüderlichkeit der gegeneinander Kämpfenden; sie stehen sich näher als dem „Bürger“, dem „Spiesser“ im eigenen Lager.
Benn spricht auch von den „drei grundlegenden Werten des Faschismus“. Folgerichtig sind das für ihn keine allgemeinen Ideen, nicht einmal ethische Imperative, sondern – erstaunlich, aber konsequent – drei Formen: „Das Schwarzhemd in der Farbe des Schreckens und des Todes, der Kampfruf a noi und das Schlachtenlied, die Giovinezza.“ Dass Benn das nicht als italienische Besonderheit allein zitiert, wird sogleich deutlich, wenn er im nächsten Satz in das „wir“ verfällt: „Wir hier...., die wir diese europäischen Stimmungen und diese europäischen Formzwänge in uns trugen...“ Und er setzt deutlich den Akzent auf das Futuristische, in die Zukunft Gerichtete, wenn er gegen die „gefälligen Floskeln der Epigonen“ auf „die Härte des schöpferischen Lebens“ hinweist: „Auf das Strenge, Resolute, auf das Gerüsthafte des Geistes, der an seinen Welten arbeitet und für den Kunst immer die definitive moralische Entscheidung gegen reinen Stoff, Natur, Chaos, Rücksinken, Ungeformtes ist.“
Benns Satz über „das Gerüsthafte des Geistes, der an seinen Welten arbeitet“, ist wohl die entscheidende Stelle in der Rede auf Marinetti: die Identifikation der Kunst (und in weiterem Sinne von Stil) mit „moralischer Entscheidung“ ordnet im Grunde die Moral dem Stile unter; der Stil tritt vor die Gesinnung, die Form rangiert vor der Idee. Das ist etwas, was von jedem, der von einer der Aufklärungen herkommt, als Provokation empfunden werden muss.
Es geht dabei ja um etwas weit Zugespitzteres als um den Konflikt zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik, in den sich der Linke, der Liberale in der Auseinandersetzung mit der Rechten für gewöhnlich verstrickt findet. Jenen Konflikt vermag er zum mindesten in seiner Anlage zu begreifen. Hier, dem „Faschismus“ gegenüber, sieht er sich mit etwas ihm völlig Unbegreiflichen konfrontiert. Er glaubt, „nur auf ästhetische Kategorien zu stossen, sonst auf nichts“. Wir kennen diese Ausflucht. Sie soll die Blindheit der Liberalen wie der Linken für eine ihnen fremde menschliche Grundhaltung maskieren. Und beide, Linke und Liberale, suchen einen Menschentypus, der so ganz anders auf die Wirklichkeit reagiert als sie, von vornherein mit dem tief moralisch gemeinten Etikett „bloss ästhetisch“ zu stigmatisieren.
Zuletzt geändert von marinetti am 16.05.2008, 21:13, insgesamt 2-mal geändert.
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

(hat gar nicht zugehört, prangert weiterhin den "faschistoiden Kapitalismus" an)
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marinetti
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Beitrag von marinetti »

Ja Clement, wahrlich völlig am Thema vorbei geschossen. Von Ihnen wäre diesbezüglich etwas mehr zu erwarten.
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

(pöbelt herum)
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marinetti
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Beitrag von marinetti »

Schnauze tief #schickt Clement nen Harass Primitivo zur Beschäftigung#
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

(hat sich fertig beschäftigt, pöbelt weiter)

Das ist ja alles sicher hochinteressant und so, aber zu einer veränderten Wahrnehmung des Faschismus wird auch dies nichts beitragen. Na ja... das war ja wohl auch nicht Ihre Absicht, Sie Fascho...

Erstellen Sie lieber einmal eine Liste mit allen eindeutig vom faschistischen Stil beeinflussten Kunstwerken, etc. der Gegenwart!
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Hagel
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Beitrag von Hagel »

Dazu Faschiertes vom Huhn!
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

Ja, warum nicht...
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Tuhka
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Beitrag von Tuhka »

Und als Beilage?
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marinetti
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Beitrag von marinetti »

Ja Clement, ich wollte tatsächlich etwas zum allgemeinen Verständnis beitragen. Vor noch ein paar Monaten hätte das auch geklappt.
Ich nehme somit alles wieder zurück was ich einst als Lob über diese Forenuserschaft ausgesprochen habe.

Wenn Leute wie Veritas, Zimmer oder Ei-Salat hier nichts sinnvolles Beizutragen haben wäre ihnen das zu verzeihen gewesen. Sie können wohl nicht anders. Jedoch hatten diese erstaunlicherweise bis jetzt den Anstand sich ganz von diesem Thread fern zu halten was ich ihnen positiv anrechne. Aber von gewissen anderen hät ich doch ein bisschen mehr erwartet. Nur ein kleines bisschen...
Und kommen Sie mir jetzt nicht mit diesen beschränkten Ausflüchten wie: "Sowas gehört nicht in ein solches Forum"!
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chimerathor
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Beitrag von chimerathor »

hmmm...der Auszug sagt mir zwar ein wenig, ist mir aber ein bisschen "zu umschrieben". ich fände es gut, wenn sie noch ein wenig mehr direkter auf den Faschismus eingehen würden.

Kalte Art, rapide, grossartig etc. aber das kann's ja nicht gewesen sein. zeigen sie positive sowie negative aspekte mit beispielen.

wie gesagt, zu ihrem auszug kann ich ehrlich gesagt, gar nichts sagen.
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marinetti
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Beitrag von marinetti »

der Auszug sagt mir zwar ein wenig, ist mir aber ein bisschen "zu umschrieben"
Das ist es ja gerade. Sowas ist eben nicht einfach kategorisierbar wie man sich das gerne wünscht. Frei nach Davilas Worten: "Unnütz, jemandem einen Gedanken erklären zu wollen, dem eine Anspielung nicht genügt."
Es ist eben nicht einfach alles so wie es uns die "Sieger" des letzten grossen Krieges erklären. Und gerade Sie meine Herren, die ja eigentlich prädestiniert dazu sind, nicht einfach alles aus dem gleichen Winkel zu sehen wie die breite Masse das tut, müssten das doch verstehen. Ist es nicht schlussendlich auch ein wichtiger Faktor im Musikschaffen, gerade im Black Metal ein gewissen Verständnis für echte Avantgarde zu besitzen? Ich muss hier nicht die Pro und Contra eines politischen Regimes aufzählen wenn es dabei in Wahrheit weniger um ein Regime sondern vielmehr um eine avantgardistische Bewegung geht, die übrigens - ganz anders als so oft vermutet und geglaubt - nicht aus der schönen, klassischen und romantischen Strömung entsprang sondern eher aus der damals so verworfenen "entarteten Kunst". Ein abstreifen des alten, modernden und verstaubten und eine Erneuerung, Erfrischung der eigentlich traditionalen Werte, des Heldenhaften ohne langatmige emotionsreiche Romantik, des reinen Kampfes, ohne menschliche Beweggründe. Wie Mohler ja schreibt, die Gegner stehen sich fast schon brüderlich gegenüber, der wahre Feind ist der Langweiler, der Spiesser, der Bürger eben. Im Faschismus gilt eben dieses "Viva la muerte" Das sind die vielleicht schwerer fassbareren aber wirklichen Eigenschaften des Faschismus und nicht diese pseudo Erklärungen die genau so gut auf den heutigen Kapitalismus oder die heutige Demokratie zu treffen könnte.
Es mag sein, dass diese Art von Grundhaltung wie oben im Text auch ersichtlich so gänzlich eine andere ist als die, die man erwarten würde, dass totale Verwirrung, Entrüstung über die angebliche Provokation und Unverständnis die Folge ist, aber wenn das auf Sie, meine lieben Herren, zutrifft müssen Sie sich ernsthaft mal fragen ob sie tatsächlich ein, von ihnen so hoch gepriesenes, individuelles Wesen sind das über der breiten Masse steht. Das ist es auch was mich schlussendlich so gewaltig an dieser Szene stört. Was mich an der Entwicklung stört egal wie alt oder wie gross oder wie toll jemand sein Musik instrument spielen kann. Schlussendlich fehlt das Verständnis bereits für einen so einfachen Text der so aussagekräftig ist.
Zuletzt geändert von marinetti am 19.05.2008, 17:31, insgesamt 1-mal geändert.
f.b.
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Beitrag von f.b. »

Es ist ein Kampf, ein Streben. Was soll man schon grossartig kommentieren?
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Stryke
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Beitrag von Stryke »

wenn wir hier Pro und Contra aufschreiben würde, täten wir zudem nur die Denkfaulheit unterstützen. Ausserdem genügt marinettis Schreiben.
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Hagel
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Beitrag von Hagel »

Das alles steht schon in anderen Beiträgen drin, immer und immer wieder. Davila etwa 30 mal...
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Stryke
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Beitrag von Stryke »

aber die Beiträge wurden immer mit unsinnigen Kommentaren, die total Threadfremd sind zerschlissen!
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Zum streitbaren Hugo
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Beitrag von Zum streitbaren Hugo »

Marinetti, sie sollten sich vielleicht mal mit der Tatsache anfreunden, dass Ihr Namensvetter bei der Faschismusdefinition weder alleinige noch vorherrschende Instanz war.
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Graf von Hirilorn
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Beitrag von Graf von Hirilorn »

@marinetti Das Problem ist doch, dass alle diese intellektuellen, bzw. möchtegern-derartigen Diskussionmen hier recht ermüdend waren. Finden Sie nicht? Die wahre Kunst scheint mir mittlerweile viel eher zu sein, etwas sinnvolles auch kurz und bündig, ohne Vortrag mit Gähn-Faktor 100 zu formulieren!
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marinetti
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Beitrag von marinetti »

Marinetti, sie sollten sich vielleicht mal mit der Tatsache anfreunden, dass Ihr Namensvetter bei der Faschismusdefinition weder alleinige noch vorherrschende Instanz war.
Als Kulturminister war er wohl eine vorherrschende Instanz!

Clement: Ermüdend sind eher die immer wiederkehrenden Pöbeleien.

Hagel: Ja das stimmt aber Davila kann gar nicht oft genug immer und immer wieder zitiert werden.
Zuletzt geändert von marinetti am 19.05.2008, 19:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Von Horffburg
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Beitrag von Von Horffburg »

Auffallend an Benns Rede ist ja, dass es ihm eben um den Stil und die Form selbst geht, und nicht um etwaige Gemeinsamkeiten der Gesinnung oder der Ideen. Dies ist allgemein kennzeichnend für die avantgardistischen Strömungen jener Zeit, als es galt, die „Wirklichkeit“ des Bürgertums am Nacken greifend entgültig zu zertrümmern und gerade mit dem Anspruch auf eine neue Art des künstlerischen Ausdrucks zurück zu den Wurzeln einer wahrhaftigen inneren Daseinshaltung zu gelangen. Für Benn waren Begriffe wie Expressionismus, Futurismus, Surrealismus, Kubismus usw. letztlich verschiedene Bezeichnungen ein und derselben Grundhaltung, die auf die Zerstörung bürgerlicher „Werte“ und auf die Wiederentdeckung „innere(r) Erregungen, magische(r) Verbindungszwänge rein transzendenter Art“ (Zitat Benns aus einer Einführung zum Expressionismus) abzielte. Gerade die Ausdrucksform des Futurismus Marinettis zielt hierbei ja nicht lediglich auf eine glorifizierende Maschinenästhetik ab, sondern auch auf ein Wiedererwachen einer heroischen Tradition, wie sie eben auch für den Faschismus per se wesentlich ist, für den italienischen etwa unter Bezugnahme auf das Römische Imperium. Man darf den Futurismus nicht als plumpen Materialismus missverstehen, sondern muss ihn in seinem ästhetischen Anspruch, den Gewalten entfesselter (Maschinen- und Geschwindigkeits-)Energie künstlerisch nachzuspüren, als eine Kunstform der Erneuerung begreifen; hier wird Kunst zurückgeführt auf ihre ursprünglich geistige Funktion einer das Niedere auf das Oben hin ordnenden und formenden Gestaltungskraft - eben einer Dynamis im traditionalen Sinne. Und hier, in diesem Programm, das eigentlich Alte neu zu erwecken, aus dem Wust bürgerlicher Normierung die alten Energien für die Gestaltung einer neuen Wirklichkeit herauszubrechen, deckt sich die künstlerische Avantagarde mit dem Faschismus, für den diese neue Wirklichkeit das Neue Europa darstellt. Ein Programm für die Zukunft, und die Avantgarde, die „Vorhut“ der gestaltenden Kunst, marschiert quasi voran. Man spürt deutlich einen Fatalismus des Sich-Aufbäumen-Müssens gegen die Konventionen der bürgerlichen Welt, der hier mitschwingt, ein Wettrüsten gegen die Zeit, die in ihrem Zyklenlauf den Untergang der bürgerlichen Welt in sich trägt. Bezeichnenderweise erstehen alle Reiche des Faschismus in einem „brutalen“ Akt der Übernahme. Es scheint fast so, als wolle man dem drohenden Untergang vorgreifen, um der dem Zerfall preisgegebenen Welt eine neue Form aufzuprägen. Die letzte mir bekannte Aktion, die diesem Anspruch gerecht wurde, war der versuchte Regierungssturz des japanischen Traditionalisten Yukio Mishima, dessen Scheitern für ihn nur einen Ausweg zuliess: den traditionalen Selbstmord nach Samurai-Art, Seppuku (von vielen fälschlicherweise als „Harakiri“ bezeichnet). Da er versagte, der japanischen Gesellschaft die Jahrtausende währende Gottkaiserherrschaft, die nach dem zweiten Weltkrieg abrupt durch eine Demokratie nach den Vorgaben der Siegermächte ersetzt wurde, zurückzugeben, gab es für diesen Vertreter der „Kriegerkaste“ nur diesen einen Weg, seine Ehre wiederherzustellen. Und die Inszinierung dieser Tat wird meiner Meinung nach dem Anspruch gerecht, den „Stil“ jeglicher moralischen Entscheidung überzuordnen. So war sein ganzes Leben in dieser Weise „stilisiert“, geformt nach Massgabe der japanischen „Kshatria“, der Samurai eben. Jetzt stellt sich die Frage, ob heutzutage diese ja eigentlich traditionale Substanz noch in irgendeiner Form in den „Faschismen“ lebendig ist, ob also heute (salopp gesagt) die Linken in ihrem Konflikt mit den Rechten wirklich auf einen „Menschentypus“ treffen, „der so ganz anders auf die Wirklichkeit reagiert als sie“ (wie Mohler da am Ende Ihres Zitats schreibt, Herr Marinetti), oder ob sich die Rechte in ihrer Gegenposition nur auf eine rein äusserliche, rein weltlich-politische Artung eines „Rechts-Seins“ reduziert, ohne von der traditionalen Wurzel zu wissen, die diese Haltung ursprünglich nährte. Ich denke eben, Letzteres trifft zu.
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