Faschismus mal anders?
Verfasst: 16.05.2008, 20:20
Um der allgemeinen Verwirrung um dieses Thema etwas entgegen zu wirken habe ich mir die Mühe gemacht aus Armin Mohlers Traktat "Der Faschistische Stil" ein kurzes Kapitel ab zu tippen.
Wir kennen das ja. Fascho, Faschist, faschistoid, faschistisch. Für was alles dieser Begriff bereits herhalten musste. Da ja nicht unbekannt ist, dass meine "Steckenpferdchen" in diesen Gewässern an zu siedeln sind, möchte ich endlich einmal darauf eingehen. Positionen die vielleicht für den einen oder anderen unverständlich daher kommen gerade in einer Zeit in der das Bürgertum bedrohliches Mass angenommen hat. Ich hoffe Sie, werte Mit-Userschaft, würdigen mein "Zeitopfer" welches ich hier hineingesteckt habe und zerreissen dieses Thema nicht gleich wieder mit stumpfsinnigen Trotzaktionen.
Edit:
Alleine schon die Wahl der Richtigen rubrik für diesen Thread fällt schwer. Religion/Mythologie? Literatur und Kunst? Allenfalls sogar unter Sonstiges? Ich hab mich jetzt trotzdem mal hierfür entschieden.
Hier also ein Auszug aus dem "Faschistischen Stil"
Es gibt einen Einstieg in unser Thema, der sich aufdrängt. In der Mitte der 30er Jahre begrüsst in Berlin ein prominenter Deutscher einen hohen Gast aus dem Ausland, der als Verkörperung des Faschismus gilt. Der Deutsche, ein Meister der Sprache, hält mehr als eine konventionelle Begrüssungsrede. Er spricht aus, wie er den Gast aus Rom sieht und versteht und man spürt seinen Worten an, dass er sich dem Gast wesensverwandt fühlt. Ein Faschist heisst einen Faschisten willkommen. Heute wissen wir, dass der Deutsche kurz darauf in Ungnade fiel als Faschist. Dadurch erhält die Begegnung aus der Distanz einen Stereoeffekt. Gäbe es eine bessere Perspektive, um zu erkennen was ein Faschist ist?
Im Frühjahr 1934 besucht der zum hohen staatlichen Würdenträger aufgestiegene Theoretiker des Futurismus, Tommaso Marinetti, das Deutschland Hitlers. Er ist in Personalunion Sprecher dieser beunruhigenden modernen Kunstströmung wie auch des italienischen Faschismus. So wird er denn in Berlin mit grossen Ehren empfangen, aber ein Gefühl der Fremdheit und Unsicherheit gegenüber dem Gast aus dem Süden ist nicht zu übersehen das Deutsche Reich ist noch nicht ganz über die Rolle des Juniorpartners von Mussolini hinausgewachsen. Offensichtlich empfängt nur einer den italienischen Künstler-Rhetoriker als seinesgleichen: Gottfried Benn, der an einem für Marinetti veranstalteten Bankett der Union Nationaler Schriftsteller als deren Vizepräsident den Gast begrüsst. Benn spricht in Vertretung des sich im Ausland befindenden Präsidenten Hanns Johst, welcher zwar auch aus dem Expressionismus kommt wie Benn, aber mit seiner jovialeren, von Folklore untermalten Art doch besser als dieser in die nationalsozialistische Kulturpolitik passt.
Man spürt Benns Rede an, dass er sich bei dieser Gelegenheit nicht zwingen muss. Es ist sogar etwas wie ein Aufatmen in ihm zu spüren. Aufschlussreich ist, dass Benn den Italiener nicht auf eine gemeinsame Gesinnung oder eine Gemeinschaft der Ideen anspricht. Nach ihm ist es vielmehr Deutschlands wie Italiens Aufgabe, an dem untheatralischen, an dem grossartig kalten Stil mitzuarbeiten, in den Europa hineinwächst. Benn lobt am Futurismus, dass er die stupide Psychologie des Naturalismus hinter sich warf, das faul und zäh gewordene Massiv des bürgerlichen Romans durchstiess und mit der funkelnden und rapiden Strophik Ihrer Hymnen Benn spricht Marinetti direkt an auf das Grundgesetz der Kunst zurückging: Schöpfung und Stil. Schon die Angriffe sind interessant. Es geht gegen die Psychologie, das Theatralische im Sinne der Guckkasten-Bühne, gegen das Kleinteilig-Gründliche bürgerlicher Kultur. Und mit den positiven Wertungen ist bereits ein erheblicher Teil des faschistischen Sentiments vorausgenommen: kalter Stil, rapid, funkelnd, grossartig. Das, worauf Benn den Gast im weiteren Verlauf der Rede anspricht, sind denn auch nicht Inhalte im gewohnten Sinne es ist eine bestimmte Dynamik, ein Rhythmus: Mitten in einem Zeitalter stumpf gewordener, feiger und überladener Instinkte verlangten und gründeten Sie eine Kunst, die dem Feuer der Schlachten und dem Angriff der Helden nicht widersprach... Sie forderten die Liebe zur Gefahr, die Gewöhnung an Energie und Verwegenheit, den Mut, die Unerschrockenheit, die Rebellion, den Angriffspunkt, den Laufschritt, den Todessprung und dies nannten Sie die schönen Ideen, für die man stirbt. Mit diesen, dem Werk Marinettis entnommenen Schlüsselworten tönt Benn weiteres an, was gemeinsam ist vor allem die Herkunft aus dem Krieg. Der Krieg wird jedoch nicht im nationalsozialistischen Sinn als Befreiungskrieg eines eingekreisten Volkes begriffen. Gemeint ist vielmehr der Kampf an sich, bei dem es wenig darauf ankommt, dass der Angesprochene damals auf der anderen Seite stand. Im Gegenteil: diese Art von Krieg schafft eine besondere Brüderlichkeit der gegeneinander Kämpfenden; sie stehen sich näher als dem Bürger, dem Spiesser im eigenen Lager.
Benn spricht auch von den drei grundlegenden Werten des Faschismus. Folgerichtig sind das für ihn keine allgemeinen Ideen, nicht einmal ethische Imperative, sondern erstaunlich, aber konsequent drei Formen: Das Schwarzhemd in der Farbe des Schreckens und des Todes, der Kampfruf a noi und das Schlachtenlied, die Giovinezza. Dass Benn das nicht als italienische Besonderheit allein zitiert, wird sogleich deutlich, wenn er im nächsten Satz in das wir verfällt: Wir hier...., die wir diese europäischen Stimmungen und diese europäischen Formzwänge in uns trugen... Und er setzt deutlich den Akzent auf das Futuristische, in die Zukunft Gerichtete, wenn er gegen die gefälligen Floskeln der Epigonen auf die Härte des schöpferischen Lebens hinweist: Auf das Strenge, Resolute, auf das Gerüsthafte des Geistes, der an seinen Welten arbeitet und für den Kunst immer die definitive moralische Entscheidung gegen reinen Stoff, Natur, Chaos, Rücksinken, Ungeformtes ist.
Benns Satz über das Gerüsthafte des Geistes, der an seinen Welten arbeitet, ist wohl die entscheidende Stelle in der Rede auf Marinetti: die Identifikation der Kunst (und in weiterem Sinne von Stil) mit moralischer Entscheidung ordnet im Grunde die Moral dem Stile unter; der Stil tritt vor die Gesinnung, die Form rangiert vor der Idee. Das ist etwas, was von jedem, der von einer der Aufklärungen herkommt, als Provokation empfunden werden muss.
Es geht dabei ja um etwas weit Zugespitzteres als um den Konflikt zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik, in den sich der Linke, der Liberale in der Auseinandersetzung mit der Rechten für gewöhnlich verstrickt findet. Jenen Konflikt vermag er zum mindesten in seiner Anlage zu begreifen. Hier, dem Faschismus gegenüber, sieht er sich mit etwas ihm völlig Unbegreiflichen konfrontiert. Er glaubt, nur auf ästhetische Kategorien zu stossen, sonst auf nichts. Wir kennen diese Ausflucht. Sie soll die Blindheit der Liberalen wie der Linken für eine ihnen fremde menschliche Grundhaltung maskieren. Und beide, Linke und Liberale, suchen einen Menschentypus, der so ganz anders auf die Wirklichkeit reagiert als sie, von vornherein mit dem tief moralisch gemeinten Etikett bloss ästhetisch zu stigmatisieren.
Wir kennen das ja. Fascho, Faschist, faschistoid, faschistisch. Für was alles dieser Begriff bereits herhalten musste. Da ja nicht unbekannt ist, dass meine "Steckenpferdchen" in diesen Gewässern an zu siedeln sind, möchte ich endlich einmal darauf eingehen. Positionen die vielleicht für den einen oder anderen unverständlich daher kommen gerade in einer Zeit in der das Bürgertum bedrohliches Mass angenommen hat. Ich hoffe Sie, werte Mit-Userschaft, würdigen mein "Zeitopfer" welches ich hier hineingesteckt habe und zerreissen dieses Thema nicht gleich wieder mit stumpfsinnigen Trotzaktionen.
Edit:
Alleine schon die Wahl der Richtigen rubrik für diesen Thread fällt schwer. Religion/Mythologie? Literatur und Kunst? Allenfalls sogar unter Sonstiges? Ich hab mich jetzt trotzdem mal hierfür entschieden.
Hier also ein Auszug aus dem "Faschistischen Stil"
Es gibt einen Einstieg in unser Thema, der sich aufdrängt. In der Mitte der 30er Jahre begrüsst in Berlin ein prominenter Deutscher einen hohen Gast aus dem Ausland, der als Verkörperung des Faschismus gilt. Der Deutsche, ein Meister der Sprache, hält mehr als eine konventionelle Begrüssungsrede. Er spricht aus, wie er den Gast aus Rom sieht und versteht und man spürt seinen Worten an, dass er sich dem Gast wesensverwandt fühlt. Ein Faschist heisst einen Faschisten willkommen. Heute wissen wir, dass der Deutsche kurz darauf in Ungnade fiel als Faschist. Dadurch erhält die Begegnung aus der Distanz einen Stereoeffekt. Gäbe es eine bessere Perspektive, um zu erkennen was ein Faschist ist?
Im Frühjahr 1934 besucht der zum hohen staatlichen Würdenträger aufgestiegene Theoretiker des Futurismus, Tommaso Marinetti, das Deutschland Hitlers. Er ist in Personalunion Sprecher dieser beunruhigenden modernen Kunstströmung wie auch des italienischen Faschismus. So wird er denn in Berlin mit grossen Ehren empfangen, aber ein Gefühl der Fremdheit und Unsicherheit gegenüber dem Gast aus dem Süden ist nicht zu übersehen das Deutsche Reich ist noch nicht ganz über die Rolle des Juniorpartners von Mussolini hinausgewachsen. Offensichtlich empfängt nur einer den italienischen Künstler-Rhetoriker als seinesgleichen: Gottfried Benn, der an einem für Marinetti veranstalteten Bankett der Union Nationaler Schriftsteller als deren Vizepräsident den Gast begrüsst. Benn spricht in Vertretung des sich im Ausland befindenden Präsidenten Hanns Johst, welcher zwar auch aus dem Expressionismus kommt wie Benn, aber mit seiner jovialeren, von Folklore untermalten Art doch besser als dieser in die nationalsozialistische Kulturpolitik passt.
Man spürt Benns Rede an, dass er sich bei dieser Gelegenheit nicht zwingen muss. Es ist sogar etwas wie ein Aufatmen in ihm zu spüren. Aufschlussreich ist, dass Benn den Italiener nicht auf eine gemeinsame Gesinnung oder eine Gemeinschaft der Ideen anspricht. Nach ihm ist es vielmehr Deutschlands wie Italiens Aufgabe, an dem untheatralischen, an dem grossartig kalten Stil mitzuarbeiten, in den Europa hineinwächst. Benn lobt am Futurismus, dass er die stupide Psychologie des Naturalismus hinter sich warf, das faul und zäh gewordene Massiv des bürgerlichen Romans durchstiess und mit der funkelnden und rapiden Strophik Ihrer Hymnen Benn spricht Marinetti direkt an auf das Grundgesetz der Kunst zurückging: Schöpfung und Stil. Schon die Angriffe sind interessant. Es geht gegen die Psychologie, das Theatralische im Sinne der Guckkasten-Bühne, gegen das Kleinteilig-Gründliche bürgerlicher Kultur. Und mit den positiven Wertungen ist bereits ein erheblicher Teil des faschistischen Sentiments vorausgenommen: kalter Stil, rapid, funkelnd, grossartig. Das, worauf Benn den Gast im weiteren Verlauf der Rede anspricht, sind denn auch nicht Inhalte im gewohnten Sinne es ist eine bestimmte Dynamik, ein Rhythmus: Mitten in einem Zeitalter stumpf gewordener, feiger und überladener Instinkte verlangten und gründeten Sie eine Kunst, die dem Feuer der Schlachten und dem Angriff der Helden nicht widersprach... Sie forderten die Liebe zur Gefahr, die Gewöhnung an Energie und Verwegenheit, den Mut, die Unerschrockenheit, die Rebellion, den Angriffspunkt, den Laufschritt, den Todessprung und dies nannten Sie die schönen Ideen, für die man stirbt. Mit diesen, dem Werk Marinettis entnommenen Schlüsselworten tönt Benn weiteres an, was gemeinsam ist vor allem die Herkunft aus dem Krieg. Der Krieg wird jedoch nicht im nationalsozialistischen Sinn als Befreiungskrieg eines eingekreisten Volkes begriffen. Gemeint ist vielmehr der Kampf an sich, bei dem es wenig darauf ankommt, dass der Angesprochene damals auf der anderen Seite stand. Im Gegenteil: diese Art von Krieg schafft eine besondere Brüderlichkeit der gegeneinander Kämpfenden; sie stehen sich näher als dem Bürger, dem Spiesser im eigenen Lager.
Benn spricht auch von den drei grundlegenden Werten des Faschismus. Folgerichtig sind das für ihn keine allgemeinen Ideen, nicht einmal ethische Imperative, sondern erstaunlich, aber konsequent drei Formen: Das Schwarzhemd in der Farbe des Schreckens und des Todes, der Kampfruf a noi und das Schlachtenlied, die Giovinezza. Dass Benn das nicht als italienische Besonderheit allein zitiert, wird sogleich deutlich, wenn er im nächsten Satz in das wir verfällt: Wir hier...., die wir diese europäischen Stimmungen und diese europäischen Formzwänge in uns trugen... Und er setzt deutlich den Akzent auf das Futuristische, in die Zukunft Gerichtete, wenn er gegen die gefälligen Floskeln der Epigonen auf die Härte des schöpferischen Lebens hinweist: Auf das Strenge, Resolute, auf das Gerüsthafte des Geistes, der an seinen Welten arbeitet und für den Kunst immer die definitive moralische Entscheidung gegen reinen Stoff, Natur, Chaos, Rücksinken, Ungeformtes ist.
Benns Satz über das Gerüsthafte des Geistes, der an seinen Welten arbeitet, ist wohl die entscheidende Stelle in der Rede auf Marinetti: die Identifikation der Kunst (und in weiterem Sinne von Stil) mit moralischer Entscheidung ordnet im Grunde die Moral dem Stile unter; der Stil tritt vor die Gesinnung, die Form rangiert vor der Idee. Das ist etwas, was von jedem, der von einer der Aufklärungen herkommt, als Provokation empfunden werden muss.
Es geht dabei ja um etwas weit Zugespitzteres als um den Konflikt zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik, in den sich der Linke, der Liberale in der Auseinandersetzung mit der Rechten für gewöhnlich verstrickt findet. Jenen Konflikt vermag er zum mindesten in seiner Anlage zu begreifen. Hier, dem Faschismus gegenüber, sieht er sich mit etwas ihm völlig Unbegreiflichen konfrontiert. Er glaubt, nur auf ästhetische Kategorien zu stossen, sonst auf nichts. Wir kennen diese Ausflucht. Sie soll die Blindheit der Liberalen wie der Linken für eine ihnen fremde menschliche Grundhaltung maskieren. Und beide, Linke und Liberale, suchen einen Menschentypus, der so ganz anders auf die Wirklichkeit reagiert als sie, von vornherein mit dem tief moralisch gemeinten Etikett bloss ästhetisch zu stigmatisieren.