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Renaissance: mit Bilsenkraut "herumdürmeln"

Verfasst: 17.03.2009, 23:20
von Hennoushyle
Plzn

Nach interessanter Recherche und Fakteninventur erlaube ich mir im Namen des guten Geschmackes (und der momentan andauernden Langeweile) wissenswertes über den heiligsten aller heiligen Säfte zu verfassen.
Als einer der ersten hatte sich Paracelus (Theophrast Bombast von Hohenheym, 1493 – 1541) gegen den Hexenwahn wie auch allerhand andere fundamentale Irrtümer seiner Zeit aufgelehnt. Der Leibarzt des Herzogs von Jülich-Cleve, Johannes Weyer, stand 1563 mutig gegen die Hexenverfolgung auf und behauptete, dass die Geständnisse der unglücklichen Frauen nur das Ergebnis einer von Folter, Krankheit oder Pflanzengiften verwirrten Phantasie seien. Ähnliche Auffassungen vertraten auch der Leibarzt Karls V., Andreas Laguna (1499 – 1560), und der Naturforscher Pierre Gassendi. In einer Veröffentlichung von 1658 berichtet er von einem Hirten, der ihm versicherte eine Salbe zu besitzen, durch die er „am Hexensabbat teilnehmen könne“. Gassendi gelang es festzustellen, dass der Hirte schwarzes Bilsenkraut (Hyoscyamos niger) sammelte, das er mit Fett und Oel zu einer halluzinogenen Salbe verrieb. Eine ähnliche Szene wird in einem Buch über die Geschichte der Pflanzen von dem französischen Naturforscher Garidel beschrieben, der eine Frau nach der Einsalbung in Tiefschlaf sinken sah nach dem sie behauptete, ihn doch auf einen Hexenritt mitgenommen zu haben. Ein anderer Umstand, der wenig bekannt ist und auch von Winkle (Geißeln der Menschheit – Kulturgeschichte der Seuchen) der Vergessenheit entrissen wurde, ist, dass in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters, in denen auch die grossen Veitstanzepidemien vorkamen, die Verwendung einiger Nachtschattengewächse im täglichen Leben gang und gäbe war. So wurde vielerorts, um die Rauschwirkung zu erhöhen, dem Bier Bilsenkrautsamen zugesetzt (Bilsen in Holland, Pilsen (Plzn) in Böhmen, daher das „Pilsner“!). Welche Bedeutung damals der Anbau des Bilsenkrauts als Bierzusatz in Europa hatte, geht aus weiteren deutschen Ortsnamen hervor (Bilsengarten, Bilsensee, Bilsdorf, Pilsach, Pilsdorf, Bilshausen, Bilsen usw.) sowie aus zahlreichen alten Verordnungen, die den Zusatz von Bilsensamen zwecks „Bierverstärkung“ strengstens verboten. So etwa bestimmte eine Polizeiverordnung von 1507 aus Eichstätt in Mittelfranken, dass die Brauer bei Strafe von 5 Gulden keine Bilsensamen und andere „den Kopf tollmachenden Stücke und Kräuter“ ins Bier mischen durften. Wie bekannt noch zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges das Bilsenkraut war, geht aus einer Stelle des Simplicissimus von Grimmelhausen (1622-1676) hervor. Von einem Trinkgelage wird berichtet: „ Welcher aber andauren und am besten sauffen konnte, wusste sich dessen gross zu machen und dünkte kein geringer Karl zu seyn; zuletzt dürmelten sie alle herum, als wenn sie Bilsensamen genossen hätten“. – Darum ging es offenbar auch damals schon: sich gross machen, sich nicht gering dünken und ordentlich herumdürmeln. Schwermetall Weekend Nr.6 wird dies demonstrieren.

Gute Nacht

Verfasst: 17.03.2009, 23:51
von Graf von Hirilorn
Vielen Dank, Hennoushyle!

(schliesst den Faden mit Fanfare)

Verfasst: 18.03.2009, 19:47
von Hennoushyle
Was halten Sie nun von einer Einladung für gemütliches Beisam(me)nsein, gegenseitiger Einsalbung und anschliessendem Hexenritt in die IV Dimension?

Verfasst: 18.03.2009, 19:53
von Graf von Hirilorn
Das wäre mir dann doch zu A. Bartig...

Verfasst: 20.03.2009, 12:47
von Neiding
Danke für diesen interessanten und informativen Faden!