Nexus
Verfasst: 08.08.2025, 11:20
Hat jemand Nexus von Harari gelesen? Was denkt ihr?
Mit seinen drei Bestsellerwerken Eine kurze Geschichte der Menschheit, Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen sowie 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert – der Spiegel schreibt von „fast 1600 Seiten Weltwissen“ – machte sich Harari einen weithin bekannten Namen und wurde international als Ideengeber oder Berater von Spitzenpolitikern und Wirtschaftsführern herangezogen. Barack Obama schätzte ihn als Inspirationsquelle; Angela Merkel, Emmanuel Macron und Sebastian Kurz trafen ihn zum Gedankenaustausch,[29] Olaf Scholz zitierte ihn,[30] Mark Zuckerberg fragte ihn um Rat;[31] Bill Gates sei von seinen Büchern regelrecht berauscht, so Thomas Thiel, FAZ.[32] Harari war 2018 und 2020 Gast beim World Economic Forum.[33][34]
Neben zahlreichen positiven Reaktionen melden sich auch kritische Stimmen zu Wort. Die Neurowissenschaftlerin Darshana Narayanan warf dem Autor 2022 wissenschaftlichen Betrug vor. Seine Bücher seien nie einem wissenschaftlichen Faktencheck unterzogen worden, da die Fragestellungen in der Regel so umfassend seien, dass sich Wissenschaftler als Experten auf Spezialgebieten nicht zuständig gefühlt hätten. Harari sei es so gelungen, durch gekonntes Storytelling ein Bild von der menschlichen Spezies zu zeichnen, das in vielerlei Hinsicht Überzeugungen des Silicon Valley von einer datengetriebenen Gesellschaft entspreche, aber Argumente der Humanwissenschaften unterschlage, die ein weit vielfältigeres und komplexeres Bild des Menschen zeichneten.[35] Die Wiener Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann-Hoff warnte, ähnlich wie Elon Musk betreibe Harari eine Art Computeranthropologie. Der Mensch sei für ihn nichts anderes als ein datenverarbeitendes System. „Das Gefährliche bei Harari ist, dass er so bekannt ist, dass er seine Ideen unseren Wissenschaftlern, Politikern und Investoren als neuesten wissenschaftlichen Stand oder gar als Zukunftsmodell verkauft – und noch dazu im Stil eines Sachbuchs.“[36] Ein fünfköpfiges Team unter der Leitung von Esther Görnemann und Heval Cokyasar analysierte 268 Textpassagen aus Homo Deus. Ergebnis dieses Projekts war, dass Harari die Technik überschätze und ohne sachliche Rechtfertigung Algorithmen und Datenverarbeitung mit menschlichem Denken, menschlicher Identität und menschlichem Bewusstsein gleichsetze.[37]
Nils Güttler (ETH Zürich) sieht Hararis Werke als Beispiel eines populärwissenschaftlichen Literaturtypus nach Art der „Big History“, was im Falle von Hararis Menschheitsgeschichte ein Plädoyer für „marktgesteuerte, industrienahe und zukunftsorientierte Formen der Wissensproduktion“ ergebe. Er verkörpere damit neben anderen einen „neuen Modus von Geisteswissenschaft“, in der „der Historiker […] zum Unternehmer“ werde.[38]
Daniel Immerwahr kritisierte ebenfalls die makroskopische Perspektive Hararis und sein vermeintlich deterministisches Geschichtsbild. Die Prognose der Risiken künstlicher Intelligenz in Hararis Nexus biete weder Handlungsempfehlungen an noch würden die bewussten Entscheidungen bei Entwicklung und Einsatz der Technologie berücksichtigt.[39]