Im deutschen Black Metal manifestieren sich in den letzten Jahren einige hippe Trends. Oberflächlich betrachtet scheinen diese zwar alternativ und frisch. Da diese Trends an sich nun aber sowas wie eine Szene bilden, reiht sich das Ganze dann wider anfänglich möglicherweise tatsächlich gegebener Autonomie in das Gros von Industrie und Genrebestempelung ein. Der ästhetische Wert der musikalischen hippen Erzeugnisse muss aber nicht zwangsläufig von diesem Dilemma betroffen sein. Lange Rede, kurzer Sinn - hier kommt "I - Apophaenie" der Stuttgarter Combo Schattenbrandung.

Hip ist hier unter anderem die prinzipiell interessante und lobenswerte Vermarktungsstrategie der Band. Man bietet das Album zum kostenlosen Download an und als limitiertes Digipak, dessen Limitierung allein dazu dient die Produktionskosten wieder einzuholen. Eine spannende Idee!

Aber zur Musik: Bereits im ersten Track ist unverkennbar, dass die Stuttgarter sich musikalisch beispielsweise an Fäulnis anlehnen. Verlässt man sich auf das geflügelte Wort es gäbe so etwas wie Urban Black Metal, der unter anderem durch Todtgelichter, bereits genannte Fäulnis, Agrypnie und vielleicht Kratein betrieben wird, darf man Schattenbrandung fortan zweifellos auch dazu zählen. Instrumentell bedienen sich diese nämlich auch in allen weiteren Tracks an besagten Bands. Das geschieht glücklicherweise nicht als 08/15-Abklatsch. Vielmehr wird deutlich, dass Schattenbrandung sich wesentlich stärker an der Langsamkeit des Doom Metal orientieren. Die Wechselspiele zwischen kraftvollen Midtempo-Passagen und schleichenden, romantisch melancholischen Ruhepausen mit viel Gitarrenarbeit und zuletzt von Walz-Schlagzeug untermauerten Kreischorgien tun ihr Bestes, "I - Apophaenie" zu einem ausgewogenen Schätzchen zu machen. Der Schwerpunkt liegt stets darauf, stimmungsvolle Klangwelten zu schaffen. Das beweisen überlange Post-Metal Säuseleien ("IV"), deren immer wieder vorkommende kleinere Brüder und die sich ihnen anschliessenden plötzlichen instrumentellen Wutausbrüche.

Auf lyrischer Ebene versucht das Quintett sich an der Methode "Sozialkritik mit dem Vorschlaghammer". Verarbeitet werden beispielsweise die Finanzkrise ("II"), EU-Kritik ("III") oder Volksverdummung durchs Fernsehen ("V") - stets recht mässig, poetische Meisterwerke darf man hier nicht erwarten.

All die Wechselspiele und Kombinationen sind gut umgesetzt und zeugen davon, dass Schattenbrandung kompositorisch und spieltechnisch viel Arbeit in dieses Album gesetzt haben (das übrigens trotz Eigenproduktion einen astreinen Sound hat!). Aussagen der Band, dass auf dieses Album noch zwei weitere Veröffentlichungen folgen sollen um eine Trilogie zu bilden, lassen mich aber gleichzeitig eine Warnung aussprechen. "I - Apophänie" mag als Experiment noch ganz spannend klingen, wenn der selbe Stil aber noch über zwei weitere Alben durchgehalten wird, dürfte es den Stuttgarter sehr schnell Schwierigkeiten bereiten, musikalisch spannend zu bleiben. Ich bin trotzdem gespannt!

Schattenbrandung machen generell nichts weltbewegend Neues. Sozialkritische Thematiken finden sich in jener besagten deutschen Szene recht häufig. Man springt hier auf und benutzt Musik als Medium für das Aufzeigen von Missständen. Das Ergebnis ist hochkomplex und kein Easy-Listening, gleichsam jedoch auch kein Meilenstein der Avantgarde oder etwas noch nie Dagewesenes. Mich konnte der Erstling der Trilogie nicht mitreissen. Freunde der obig erwähnten Bands sollten ein Ohr riskieren, beziehungsweise sollte jeder das tun. Immerhin kostet es nichts!

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

Eigenproduktion

Veröffentlichung

6/2013

Format

CD

Land

Genre

Black Metal

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