Unplanmässig, aber erforderlich ist diese Tonträger-Besprechung. Denn das westfälische Soloprojekt Horn meldet sich zurück. Nachdem mich das 2010er Album "Distanz" sehr enttäuschte und auch "Konflikt" aus dem Jahr 2013 mich nicht begeistern konnte, liess ich es freiwillig still werden um Horn. Zu beeindruckt war und bin ich nach wie vor von den Scheiben, die vor erstgenannter Vollrille erschienen. Ich gestehe allerdings – als Altersgenosse des Alleinherrschers hinter Horn, der das Pseudonym Nerrath führt, habe ich grosses Verständnis für den Wandel, der sich mit Horn vollzog. Und ich begrüsse gewissermassen die Ehrlichkeit und Authentizität, mit der sich die Änderungen in Nerraths persönlichen Lebensumständen auch auf sein künstlerisches Schaffen auswirkten. Horn reift mit. Seit fast 15 Jahren.

Zufällig stiess ich also auf das aktuelle, im Januar erschienene Album "Turm am Hang", legte es mir achselzuckend zu und gebe zu – mir geht die Hutschnur hoch. Nach wenigen Sekunden wird klar – diese Scheibe kehrt dem Grossteil des scheppernden LoFi-Schwarzstahls, den Nerrath auf seinen ersten drei Alben markant und meisterhaft zelebrierte nach wie vor den Rücken. Und das nicht nur in Form der nun vorherrschenden grossartigen Produktion. Ich bin dennoch sicher, dass sich mir "Turm am Hang", anonymisiert vorgespielt, trotzdem als Nerraths Feder und vor allem instrumentalem Handwerk entsprungen offenbart hätte.

Die Vortragsweise der Liedtexte war in der bisherigen Veröffentlichungsgeschichte Horns eine relative Konstante. Nerrath überwand in den letzten Jahren das einst noch vorherrschende Krächzen und bietet auf "Turm am Hang" inbrünstige Growls feil, denen heroische Rufe und Schreie die Hände reichen. Die additionale beständige Anwesenheit von Zeichen und Symbolen aus dem Bereich der Nautik drängt mich auf einen ungewöhnlichen Vergleich: Das vorliegende Album klingt bei Zeiten ein wenig so, als hätte Roger Baptist, der Bodybuilder und Musiker, der unter dem Namen Rummelsnuff bekannt ist, all seine instrumentalen Affinitäten abgelegt, sich den naturverliebten, monumental-episch heidnischen Spielarten des Metal zugewandt und zusätzlich eine intensive Weiterbildung im Bereich elaborierter Liedtexterei absolviert. Dieser Vergleich ist übrigens durchaus positiv zu werten. Übergreifend geht es bei Horn nun aber um das archaische, gewaltsame Aufeinandertreffen von Klingen.

Tatsächlich bietet "Turm am Hang" möglicherweise nicht einmal intentional genau das, was regelmässige, dudelige Axt-und-Hornhelm-Schrottveröffentlichungen auf einschlägig spezialisierten Labels, die sich dem Wikinger- und Heidenstahl verschrieben haben, nicht ansatzweise vollbringen. Kurz: Was ist "Die mit dem Bogen auf dem Kreuz" bitte für ein brachial-balladeskes Monsterstück? Nerrath, du schlägst hier einen vielversprechenden Weg ein! Nein, Pagan Metal ist nun wirklich nicht das, was Horn vollbringt (es ist ein wenig als würde man Equilibrium mit Mithotyn vergleichen). Vielmehr finden sich kaum passende Schubladen im fauligen Keller des internationalen Schwermetallarchivs. "Turm am Hang" ist musikalisch und im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung des verantwortlichen Alleinprotagonisten ‚Sturm und Drang’.

Aber zurück zum Wiedererkennungswert der Marke Horn im Bezug auf den vorliegenden Langspieler. Nerraths Gitarrenspiel ist äusserst charakteristisch und seine Liebe zu Akzenten einer unverzerrter E-Gitarre als Einleitungsgut vor ansonsten sphärischen Begleitklängen oder inmitten rasenden Schlagzeugpassagen findet hier zahlreiche Manifestationsgelegenheiten. Und bevor mir angesichts der etwas weiter oben stehenden Worte vorgeworfen wird, ein verbitterter und verblendeter Nostalgiker zu sein – nein, nein. "Turm am Hang" ist Höhepunkt dessen, was Horn bisher hervorgebracht hat.

Mich fragte mal jemand, warum mein Musikgeschmack eine angeblich grosse Affinität zu Soloprojekten aufweisen würde. Die Historie von Horn dient mir fortan als weiteres Paradebeispiel für diese Rechtfertigung. Solokünstler produzieren ihre Ergebnisse ausschliesslich nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen. Nicht, dass mehrköpfige Kapellen im gemeinsamen Diskurs nicht mindestens gleichwertig produktiv sein könnten – aber Einzelpersonen, die sich austoben können, liefern hochgradig persönliche Kunst ab. Nerraths Entwicklungen zu verfolgen wird mit "Turm am Hang" final belohnt.

Anzumerken sei, dass Nerrath hier im ersten Drittel, vielleicht auch der ersten Hälfte, eine unheimlich hohe Messlatte für den übrigen Teil des Albums anlegt. Leider kann letztere diese nicht mehr ganz bewältigen.

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

Northern Silence Productions

Veröffentlichung

3/2017

Format

CD

Land

Genre

Black Metal

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