"Die Musik die wir machen ist ein natürlicher Prozess. Sie kommt aus unserem Inneren und nimmt Gedanken und Emotionen mit..."

Im Rahmen unseres aktuellen Specials über Black Metal aus der depressiven und suizidalen Richtung lassen wir auch unbekanntere, aber nicht uninteressante Bands zu Wort kommen - somit stelle ich Wrack aus Bochum vor. Diese haben im Jahre 2007 ein sehr feines Debüt abgeliefert, welches mittlerweile schon ausverkauft ist. Man sollte sich die Burschen aber auf jeden Fall für spätere Veröffentlichungen vormerken!



Viele unserer Leser dürften über euch noch nicht allzu viel wissen – gebt doch erst mal einen Überblick über eure Bandgeschichte!


Wir haben Wrack im Herbst 2005 unmittelbar nach den Aufnahmen der Stücke mit ehemaligen Mitmusikern gegründet. Bei den Aufnahmen handelte es sich um Lieder der alten Band und den jüngsten 3 Liedern, die von Grabestau und Wishbone geschrieben wurden. Es wurde klar, dass die ex-Band der weiteren Entwicklung der im Aufbau bestehenden Lieder – wegen auseinander-klaffenden Auffassungen von Black Metal, Kunst und der Musik entgegengebrachter (psychopathologischer) Obsession - im Weg stehen würde. Deshalb haben wir unmittelbar nach den Aufnahmen und massenhaften Philosophierens über genau jene Anschauungsweisen, Wrack gegründet. Die Lieder der "Trinität" stellen den Anfang einer Reihe von Liedern dar und bilden sowohl kausal als auch formal den Grundstein von Wrack. Wir bezogen eine Symbiose aus Proberaum und Wohnung, in der am Material weiter gearbeitet wurde und wird. 2007, nachdem wir einen adäquaten Mischer gefunden hatten, wurde die aktuelle Mini-CD Trinität optisch und sonor fertiggestellt und auf 100 Exemplare limitiert gepresst. Am ersten Oktoberwochenende 2005 wurden die Lieder alle live im Studio aufgenommen, um den Geist der Stücke und die aktuellen Emotionen einfangen zu können. "Monument in Pain" wurde jedoch nur mit einer Gitarre live gespielt und die zusätzlichen Gitarrenstimmen wurden gesondert aufgenommen, da man bei der Aufnahme auf den zweiten Gitarristen verzichten musste. In der Zwischenzeit sind seit der Gründung zwei Jahre vergangen und die Lieder des kommenden Albums "Gram und gleissende Wut" fertig gestellt worden. Parallel dazu hat der Schaffensprozess sämtlicher Stücke des darauf folgenden Albums begonnen. Im Februar 2008 hatten wir das nötige Aufnahme-Equipment zusammen und begannen mit den Aufnahmen für "Gram und gleissende Wut".


Nun stellt sich natürlich gleich die nächste Frage: Warum gerade Suicide / Depressive Black Metal?


Wrack: Warum nicht? Dahinter steckt kein Zwang sich zu definieren oder zu kategorisieren. Es ist ein intuitiver, charakterlicher Zug seiner selbst. Die Musik die wir machen ist ein natürlicher Prozess. Sie kommt aus unserem Inneren und nimmt Gedanken und Emotionen mit. Wir nehmen uns nicht vor "jetzt wollen wir über dieses und jenes Thema schreiben", sondern es kommen vielmehr die Texte zu uns. Es ist wie beim generellen Entstehen der Lieder, die einen im Schnitt zweijährigen Reifungsprozess durchleben, bei dem die Ereignisse und Emotionen des Schaffenszeitraumes eingefangen werden. Was hat das jetzt mit dem "suicide" oder "depressive" Kontext zu tun? Das besagt, dass es kein Entschluss war, diese Musik zu machen, sondern es das ist, was intuitiv aus uns hervorkommt. Genau das sollte ernsthafte Kunst auch ausmachen.


Depressiver/Suizidaler Black Metal ist zwar sicher eine der extremsten musikalischen Subkulturen, jedoch noch relativ jung, zumindest in dieser Grösse. Kann man da jetzt schon, eurer Meinung nach, von einer Szene sprechen? Würdet ihr eine solche befürworten oder ablehnen?

Wrack: Szenen sind wie unser Keller: alles voller Schimmel, hin- und wieder streunen Ratten herum und früher oder später stinkts. Nee, im Ernst, was für eine Szene?


Worin besteht für euch die Verbindung von Selbstmord und Black Metal?


Wrack: Beides beinhaltet ähnliche Grenzwertigkeit. Zudem ist das Thema nicht neu. Misanthropie und Suizid schliessen sich in keiner Weise aus. Im Gegenteil.


Ihr sagtet, dass die Titel über Jahre hinweg entstehen – warum dauert das solange und geht nicht ein wenig Emotion verloren, die in diesem Zeitraum eingefangen werden sollte?

Wrack: Wir sehen unsere Lieder als beseelt an. Die Stücke wachsen und entwickeln sich während dieser Zeit. Die jeweils aktuellen Emotionen, die das Entstehen der Stücke ausgelöst haben, sind unabdingbar in uns verankert. Da die Psyche langsamer ist als Geist und Realität, fliessen die Emotionen fortschreitend in die Entwicklung der Lieder ein.



Eine "Szene" solcher Art is oft in Widersprüche verstrickt, einer der wichtigsten ist sicher der Folgende: Steht die ursprünglich propagierte, individuelle Stärke des Charakters nicht im Widerspruch zur Lebensverneinung?


Wrack: Nein. Widerspricht Charakterstärke, vor allem in individueller Hinsicht, Selbstmord? Wohl kaum. Aber extrem propagierte Stärke ist unweigerlich (sich selbst) vorgegaukelt, um die eigenen Schwächen zu verschleiern. Das ist die Sorte von Misanthropen, die nicht erkennt, dass auch sie – trotz eventueller höherer Erkenntnis – auch zu dieser erbärmlichen Spezies Mensch gehören. Stärke erwächst aus Selbsterkenntnis. Wer sich ernsthaft mit Selbstmord auseinander setzt, verliert die Angst vor dem Tod. Es ist interessant zu beobachten wie der eigene Körper reagiert, wenn man in einer Situation ist, in der man glaubt man überlebe sie nicht. Zudem ist es eine Art Katharsis depressive oder suizidale Musik zu schaffen oder zu hören, da man sämtliche Negativität aus sich heraus in das intensive musikalische Erlebnis übertragen kann.


Welche Situationen meinst du denn konkret?

Wrack: Zum Beispiel wenn man beim Auto(bei)fahren dem Tod knapp entrinnt. Das eigentlich interessante daran ist nicht die Art der Situation, sondern die unbewusste Reaktion auf diese.

Einige mehr oder minder labile Personen werden diese negative Energie sicherlich auch in sich selbst aufnehmen - wie stündet ihr also dazu, wenn eure Hörer Suizid begehen (würden)?


Dies muss jeder für sich selbst entscheiden. Es geht nicht um Beeinflussung der Hörerschar. Die Verantwortung liegt bei einem selbst. Wenn jemand meint, es beenden zu müssen, warum sollte man ihn/sie davon abbringen?


Interessant wäre es natürlich zu wissen, inwiweit die Idee des Depressive/Suicide Black Metals in euer Privatleben einfliesst?


Wrack: Über die Frage haben wir uns tatsächlich öfters Gedanken gemacht. Inwiefern sie einen negativen oder reinigenden Effekt hat, ist schwer zu sagen. Einfacher zu beantworten wäre die Frage inwieweit das Privatleben in die Musik einfliesst? Wer emotionale Musik macht und diese auch als Kunst ernst nimmt, lässt sein Leben unweigerlich darin einfliessen. Ansonsten sitzen wir den ganzen Tag in Hawaiihemden in lichtdurchströmten Räumen und werden unserer Freude über Sinnlosigkeit des Lebens kaum Herr.


Könnte es überhaupt soweit kommen, dass ihr euch selbst tötet? Und wenn ja, welche Umstände müssten eintreten, damit ihr dies tun würdet?


Wrack: GT3. (Anmerkung: Dies ist das Auto, in dem man sich mit 300 gegen die Wand setzt.)


Betrachten wir die Sache mal etwas allgemeiner: Findet ihr Selbstmord nicht ein feiges aus dem Leben scheiden, wenn nicht eine Krankheit, oder sonstige Umstände vorherrschen, an denen man in absehbarer Zeit aus dem Leben treten müsste?


Wrack: Es ist ein Selbstentscheid und ein Selbstrichten. Was soll daran feige sein?



"Was soll daran feige sein?" – Ist also für dich ein Suizid immer gerechtfertigt oder gibt es Gründe, die unsinnig sind?


Wrack: Was soll am Beenden des Lebens weniger sinnig sein als das Leben an sich?


In letzter Zeit kommen ja immer mehr Bands auf diesen Trichter. Da liegt ein gewisser Kommerzgedanke nicht allzu weit entfernt, es stellt sich die Frage nach Authenzität! Wann ist eine Band aus dem Suizid/Depressiv-BM für euch authentisch? Würdet ihr euch selbst als "authentisch" beschreiben?


Wrack: Erstmal zum Kommerzgedanken: Wir verstehen nicht, wie man aus extrinsischer Motivation heraus Kunst schaffen wollen würde. Authentizität ist gegeben, wenn man - in Bezug auf die Fragestellung - der Musik die Abgründe der Dahinterstehenden anmerkt und man den Schmerz quasi spüren kann. Dafür ist explizit suizidale oder depressive Thematik nicht zwingend notwendig. Wir sehen in unserer Musik auch mehr als nur den Ausdruck des Lebens müde zu sein, sondern als Widerspiegeln der gesamten Persönlichkeit und Gedankenwelt. Von daher würden wir unsere Musik als ehrlich bezeichnen.



Wie schätzt ihr die Lukrativität des Geschäfts von depressivem/suizidalen BM für euch persönlich ein?


Wrack: Trotz der grossen Irritation über das Wort "Geschäft" müssen wir zugeben, mit dem Verkauf unserer auf 100 Stück limitierten CD ausgesorgt zu haben. Wir haben unsere Jobs an den Nagel gehängt und leben jetzt von den GEMA-Gebühren.