Black Metal ist nicht nur Musik; es ist eine Rückkehr zu archaischen Welten, eine Beschwörung von Legenden und Mythen...

Black Metal ist nicht nur Musik; es ist eine Rückkehr zu archaischen Welten, eine Beschwörung von Legenden und Mythen, die längst in den Nebeln der Geschichte verschwunden schienen. Für viele Bands ist die Mythologie weit mehr als bloße Symbolik – sie wird zu einem elementaren Teil der Identität und Ästhetik des Genres. Die Texte und Konzepte dieser Bands ziehen ihre Inspiration aus alten Sagen, heidnischen Traditionen und epischen Erzählungen. Das macht Black Metal zu einem Genre, das sich sowohl musikalisch als auch inhaltlich auf eine Reise durch Zeit und Raum begibt, jenseits der modernen, entzauberten Welt.

Heidnische Mythologie: Nordische Wurzeln und der Ruf der Ahnen

Die heidnische Mythologie – insbesondere die nordische – bildet eine der zentralen Säulen des Black Metal. Viele Bands greifen auf diese alten Geschichten und Götter zurück, um eine tiefe Verbindung zu ihrer kulturellen und spirituellen Herkunft zu betonen. Im Laufe der Jahre hat sich dieser heidnische Einfluss in den Texten, dem Artwork und der gesamten Ästhetik des Genres verfestigt.

Bathory, die Pioniere des Viking Metal, haben die nordische Mythologie wie kaum eine andere Band in den Black Metal eingebracht. Ihr Album "Hammerheart" (1990) gilt als Meilenstein, der die heidnische Spiritualität und die Kriegerkultur der Wikinger auf einzigartige Weise in den Vordergrund stellt. Im Song „One Rode to Asa Bay“ beschreibt Quorthon die Christianisierung des Nordens und den Verlust der alten Traditionen: „One man rode the way through the woods / Down to Asa Bay, where dragon ships had sailed." Diese Zeilen rufen die alten Götter und die mystischen Kräfte der Natur wach, die den Geist des heidnischen Nordens formen und auf ewig im Black Metal verankert sind.

Auch Enslaved, eine norwegische Band, hat sich vollständig der nordischen Mythologie verschrieben. Ihr Album "Frost" (1994) ist eine klangliche und textliche Hommage an die raue Natur und die alten Götter. In Songs wie „Loke“ wird der gleichnamige Gott aus der nordischen Mythologie thematisiert, der als Gestaltwandler und Trickster die kosmische Ordnung durcheinanderbringt. Der Text greift die Ambivalenz von Loke auf: „Loke, the son of Fårbaute / Father of Lies“ Hier wird Loke zum Symbol der ständigen Verwandlung, des Chaos und der Unvorhersehbarkeit – Eigenschaften, die auch die Musik von Enslaved durchziehen.

Der Einfluss der antiken Mythologie

Die Faszination für Mythologie im Black Metal endet jedoch nicht bei den nordischen Göttern. Viele Bands ziehen auch Inspiration aus der antiken Welt – insbesondere aus den Mythen und Geschichten des klassischen Griechenlands und Roms. Diese epischen Erzählungen von heroischen Kämpfen, göttlichen Intrigen und dem Schicksal der Menschheit bieten einen tiefen Fundus für philosophische und spirituelle Reflexionen.

Rotting Christ, die Vorreiter des griechischen Black Metal, haben die antike Mythologie in vielen ihrer Alben erforscht. Besonders deutlich wird dies auf dem Album "Theogonia" (2007), das sich mit den Schöpfungsmythen der antiken Welt beschäftigt. In „Nemecic“ besingen sie den Konflikt zwischen den Menschen und den Göttern, eine zentrale Thematik der griechischen Mythologie: „Nemecic, Nemecic, come born! Come born, darkness child!" Nemesis, die Göttin des göttlichen Zorns und der Vergeltung, wird hier als Symbol für den ewigen Kampf gegen den Übermut der Menschen heraufbeschworen – ein Thema, das die zerstörerische Natur der menschlichen Existenz im Black Metal stark beeinflusst.

Ein weiteres herausragendes Beispiel für die Verarbeitung antiker Mythologie ist Melechesh, eine Band, die auf mesopotamische Mythen zurückgreift, um ihre Erzählungen zu gestalten. Auf ihrem Album "Emissaries" (2006) thematisieren sie die sumerische Mythologie, insbesondere den Konflikt zwischen den Göttern und den sterblichen Menschen. Der Song „Rebirth of the Nemesis“ verwebt alte Legenden mit modernen Themen und beschwört den Zorn der alten Götter herauf, die sich gegen den menschlichen Übermut stellen: „Dynasty of the saltwater people/Time is ripe for Uruk's typhoon/The circle is completed, the feeble is stampeded/The storm of shredded glass has proceeded." Diese Zeilen sind mehr als nur eine Rückschau – sie verknüpfen die Mythen der Antike mit der modernen Welt, in der die gleichen existenziellen Kämpfe weitergeführt werden.

Tolkien und die epischen Welten: Black Metal als epische Erzählung

Neben den antiken und heidnischen Mythen hat auch die epische Fantasy-Literatur, insbesondere die Werke von J.R.R. Tolkien, im Black Metal einen festen Platz gefunden. Tolkien, der seine eigene Mythologie rund um Mittelerde erschaffen hat, beeinflusste zahlreiche Bands, die in seinen Geschichten eine neue Form der mythologischen Erzählung fanden.

Summoning, ein österreichisches Duo, hat sich Tolkien voll und ganz verschrieben. Ihre Musik, die oft langsam und atmosphärisch ist, ist tief in die Welt von Mittelerde eingebettet. Auf ihrem Album "Dol Guldur" (1996) erschaffen sie eine klangliche Landschaft, die die epischen Schlachten und Geschichten Tolkiens heraufbeschwört. Der Song „Nightshade Forests“ entführt die Hörer in die dunklen Wälder Mittelerdes. Diese Zeilen beschreiben die mystischen Wälder als Orte der Geheimnisse und verborgenen Kräfte – eine Metapher, die im Black Metal oft für das Unbekannte und das Verbotene steht.

Auch Emperor, eine der prägendsten norwegischen Black Metal-Bands, nutzte in ihren frühen Alben epische Themen, die von Tolkien und anderen Fantasy-Autoren inspiriert waren. Auf ihrem Debütalbum "In the Nightside Eclipse" (1994) beschwören sie in Songs wie „The Majesty of the Nightsky“ kosmische und epische Bilder herauf:

„My soul will leave this mortal coil of flesh and earthly life,to fly into the mist of night,into the nightside eclipse,and experience existence on the other side."

Hier vermischen sich mythologische und phantastische Elemente zu einer grandiosen Erzählung von Schöpfung und Untergang, in der sich der Black Metal als eine Art moderner Mythos präsentiert.

Die Mythologie als spirituelle Rebellion

Die Rückkehr zur Mythologie im Black Metal ist oft auch eine bewusste Rebellion gegen die modernen, monotheistischen Religionen und die Rationalisierung der Welt. Durch die mythologischen Themen schaffen sich viele Bands eine eigene spirituelle Landschaft, die abseits der christlichen Dogmen liegt. In der Rückbesinnung auf heidnische Götter, antike Helden und epische Geschichten finden sie eine alternative Form der Transzendenz und des spirituellen Ausdrucks.

Für viele Fans und Musiker ist der Mythos nicht nur eine Metapher, sondern ein Weg, um die Welt auf eine tiefere, archaischere Weise zu verstehen. Drudkh, eine ukrainische Band, die sich stark von slawischer Mythologie und Folklore inspirieren lässt, hat auf Alben wie "Autumn Aurora" (2004) und "Blood in Our Wells" (2006) gezeigt, wie mythologische Erzählungen eine spirituelle Verbindung zur Natur und zur Geschichte schaffen können. In „Furrows of Gods“ beschreiben sie die Rückkehr der alten Kräfte in die moderne Welt. Hier wird der Zyklus der Natur mit dem Zyklus der Götter und Mythen verwoben – ein Symbol für die Unsterblichkeit und die ewige Wiederkehr der alten Kräfte.

Mythologie als Rückgrat des Black Metal

Die Rolle der Mythologie im Black Metal ist vielschichtig und tief. Sie dient nicht nur als ästhetische Inspiration, sondern auch als spirituelle und philosophische Grundlage. Ob in den heidnischen Erzählungen des Nordens, den antiken Mythen Griechenlands oder den epischen Fantasy-Welten Tolkiens – die Mythologie ermöglicht es den Bands, über das Profane hinauszugehen und Welten zu schaffen, die voller uralter Weisheit und tiefer, kosmischer Dunkelheit sind.

Für das erfahrene Black Metal-Publikum ist diese mythologische Dimension ein wesentlicher Bestandteil der Faszination des Genres. Sie bietet eine alternative Realität, eine Rückbesinnung auf das, was vor der Moderne und dem Rationalismus lag – und eine ewige Suche nach dem, was jenseits unserer Welt liegt. Die Mythen leben im Black Metal weiter, in einer Form, die sowohl die Vergangenheit ehrt als auch die Zukunft herausfordert.