Eine Band zu gründen ist ja mittlerweile nichts Außergewöhnliches mehr. Aber meistens sind die Mitglieder der Bands, vor allem bei kommerzieller Musik, Geldmarionetten... Eine Band zu gründen ist ja mittlerweile nichts Außergewöhnliches mehr. Aber meistens sind die Mitglieder der Bands, vor allem bei kommerzieller Musik, Geldmarionetten. Warum habt ihr euch zusammengetan und macht jetzt Musik, mit der wohl nie Geld verdient werden kann?

Daniel: Du magst wohl recht haben, dass es schwierig ist, mit Metal unserer Art Geld zu verdienen. Doch dies war bei keinem von uns das Ziel, nachdem er oder sie die Band gründete oder Mitglied wurde. Vielmehr sind es – so egoistisch sich das auch anhören mag – persönliche Interessen. Für uns bietet die Musik neben dem Faktor Spaß eine Möglichkeit, uns auszudrücken und uns selbst zu verwirklichen. Wir sehen es nicht als schlichtes Zusammenspiel, sondern fühlen uns beim Spielen eher wie bei einer Unterhaltung, Diskussion oder Gedankenaustausch – wenn auch auf unkonventionelle Art. Gleichzeitig möchten wir, dass unsere Texte dazu anregen, sich Gedanken über gewisse Dinge zu machen. Bei den Texten spielen wir mit Gegensätzen. So handeln sie teilweise von germanischen Sagen, ohne das auch nur eine geringe Spur von Rechtsradikalismus bei uns zu finden ist. Wir erzählen von der Inquisition und projizieren sie auf die Gegenwart. Wir geben Zerstörung als Lösungsversuch an – bewerten dies jedoch nicht. Der Kampf zwischen Über-Ich und Es findet statt, jedoch wird kein Sieger ermittelt. Was uns wichtig ist, ist, dass eine Individualität erhalten bleibt, dass eine Reflektion stattfindet und Zwiesprache mit sich selbst beim Zuhörer hervorgerufen wird. Man soll sich fragen, warum die Kirche ein Druckmittel in Form der Hölle brauchte oder warum wir als Kinder fieberhaft in die Kirche assimiliert werden und die Kirche ständig Angst vor fehlendem Kirchenmitgliedern hat, obwohl sie doch so göttlich ist. Unser Ziel ist es, eine Hinterfragung mit dem als Kind Internalisiertem anzuregen, ohne dabei aber einen einzig möglichen Weg vorzugeben.

Nach diesen sehr interessanten Ausführungen möchte ich etwas über den bisherigen Werdegang von Lost in Time erfahren, die wohl nicht nur aus blutigen Anfängern bestehen können?

D: Natürlich gibt es bei uns Unterschiede, wie lange wir schon unsere Instrumente spielen bzw. wie lange wir schon singen. Immerhin bietet eine Band gerade für weniger Fortgeschrittene die optimale Möglichkeit, sich musikalisch weiter zu entwickeln. Jedoch müssen wir sagen, dass es bei uns keine blutigen Anfänger gibt. Vor Lost in Time haben die meisten von uns in Bands oder Bandprojekten Erfahrungen sammeln können und vor ihrem jetzigen Instrument auch andere Instrumente lernen können. Unsere Bandgründung war anfangs doch stark von Schwierigkeiten geprägt. Nachdem die Band von dem Sänger Dani und mir, dem Drummer, Daniel im Februar 2001 gegründet wurde, stellten wir fest, dass „wir Lost in Time und mit unserer Musik scheinbar in der falschen Zeit angesiedelt sind.“ Doch mit Hilfe einer Anzeige im Internet konnten wir zumindest schnell den Gitarristen Patrick finden und von nun zumindest halbwegs proben. Durch weitere Anzeigen in Zeitschriften und im Internet meldeten sich eine ganze Reihe von anderen Musikern, wobei sich jedoch nur die Sängerin Kathy und die Keyboarderin Sarah als zuverlässig erwiesen. Im Juli 2001 konnten wir dann den Bassisten Matt gewinnen.

Bisher habt ihr ja weder ein Demo noch eine vollständige CD herausgebracht. Es ist lediglich ein mp3 Stück auf eurer Website downzuloaden. Bedeutet das, dass ihr viel life zu sehen seid oder lasst ihr euch besonders viel Zeit beim Komponieren, damit wirklich alles stimmt?

D: Es stimmt schon, dass wir bisher recht wenig herausgebracht haben, auch wenn wir das Rohmaterial zu 10 Songs haben. Oftmals gefielen uns dann bestimmte Parts doch nicht mehr und es kam schon viel zu oft vor, dass wir halbfertig alles wieder über den Haufen warfen. Mit Sicherheit kann man uns Inkonsequenz und Faulheit vorwerfen, jedoch ist es uns wichtig geworfen, dass uns alles gefällt, was wir machen. Live kann man uns derzeit nicht sehen, jedoch sind einige Konzerte geplant. Die genauen Termine werden dann auf der Website veröffentlicht.

Lost in Time sind Dani (Vocals), Matt (Bass), Patrick (Gitarre), Daniel (Drums), Sarah (Keyboard), Kathy  (Vocals). Das heisst sechs Musiker, die ihre Ideen in eine Band einfließen lassen. Zudem sucht die Band noch einen zweiten festen Gitarristen oder eine Dame an den Saiten. Wie bringt ihr die verschiedenen Ideen eurer Mitglieder unter einen Hut und wie schafft ihr es, dass alle zu den Proben anwesend sein können?

D: Die Zuverlässigkeit und fehlende Anwesenheit ist genau das Problem, dass uns seit unserer Gründung fester Begleiter ist. In der heutigen Zeit gibt es so viele Möglichkeiten, wie etwa das Internet oder spezifische Zeitschriften, um Musiker zu werben. Wir haben anfangs so viele Angebote von fähigen Musikern bekommen, konnten jedoch diese schnell aufgrund ihres mangelnden Engagements abschreiben. Viele haben sich aus teilweise relativ weit entfernten Städten gemeldet und unterschätzten die Entfernung. Doch auch unsere jetzige Besetzung untersteht diesem Faktor Weg und der damit verbundenen Zeit. Allein für die Hinfahrt müssen viele Bandmitglieder mehr als eine Stunde Zeit aufbringen. Es stimmt aber schon - häufig kommt es vor, dass jemand mal keine Zeit, zur Probe zu kommen. Doch genau mit der Bewältigung dieses Problem sehen wir unsere Stärke – dem Druck zur Improvisation und Kreativität. So viele Male musste jemand von uns, sein Instrument bzw. seine Stimme schweigen lassen und stattdessen jemanden ersetzen. Dies schafft Zusammenhalt und ein instrumentales Verständnis für die Parts eines anderen. Ebenso hilft es, einen gemeinsamen Nenner innerhalb unserer doch leicht unterschiedlichen Vorstellungen, für unsere Musik zu finden.

In diesem Zusammenhang würde mich auch noch interessieren, wie ihr beim Komponieren vorgeht. Habt ihr jemanden, der als Hauptkomponist agiert und die Stücke schon im Kopf hat, bevor sie real existieren oder geht ihr stets gemeinsam ans Werk und entsteht die Musik erst durch die gemeinsamen Fähigkeiten?

D: An der Komposition unserer Songs ist mit Sicherheit unser Gitarrist Patrick maßgeblich beteiligt. Solch ein Zugang zu Musik, wie ich es bei ihm erlebe, so eine Leichtigkeit beim Gitarren und Klavierspiel sah ich bisher selten und dies beeindruckt mich stets. Doch wie bei der letzten Frage schon geschrieben, findet bei uns oft ein Instrumententausch und auch gemeinsames Komponieren statt. Oftmals stehen wir zusammen ums das Keyboard und probieren neue Melodien und Zusammenspiele aus. Doch ein beliebtes und auch für alle sehr entspannendes Komponieren, ist das einfache „Drauflosspielen“. Ein Instrument beginnt mit dem, was ihm gerade einfällt und der Rest steigt nach und nach ein und versucht dies mit eigenen Ideen zu bereichern. Für alle ist es ein gutes Training, um sein Instrument oder die Stimme besser zu beherrschen und das ein oder andere Mal ergaben sich viel versprechende Parts.

Die Grenzen zwischen Black Metal und Gothic werden immer fliessender, es haben sich mittlerweile sehr viele Subbezeichnungen entwickelt, doch keine ist wirklich eindeutig. Wie würdet ihr eure Musik beschreiben und an welchen Bands orientiert ihr euch?

D: Man kann uns als Black Metal Band bezeichnen, jedoch ist dies unpräzise und trifft auf bestimmte Eigenschaften nicht zu. Ein treffendere Bezeichnung wäre die Subbezeichnung Metsät Metal. Metsät Metal ist eigentlich wieder eine Musikrichtung der Gegensätze. Eine düstere, dunkle Stimme wechselt sich mit einer hellen, weiblichen Stimme ab. Traditionelle Arten der Musik treffen auf moderne Stile. Die Dominanz der harten Parts wurde nun eingeschränkt und häufiger werden diese durch melodische Einschübe unterbrochen. Ebenso sind die Songs recht schnell und seitens des Schlagzeug breaklastig. Die Texte handeln, wie oben schon beschrieben, teilweise von germanischen Sagen, von den Verbrechen der katholischen Kirche und anderen Dingen.

Eure Website ist recht originell gestaltet, hat aber noch nicht allzu viel Inhalt. Die Registrierung in zwei Ländern (.ch und .de Endung der URL) zeigt aber, dass ihr euch nicht engstirnig orientiert habt, sondern weit hinaus wollt. Welche Bedeutung schreibt ihr dem Internet zu zur Verbreitung von Undergroundmusik?

Es stimmt schon, dass derzeitig noch die „Übergangswebsite“ auf dem Server ist, jedoch während dieses Interview geführt wird, wird bereits fieberhaft an der nächsten Version der Website – diesmal in dreisprachiger Ausführung - gearbeitet. Gerade für die Musik ist das Internet eine gute Erfindung und bietet gerade unbekannten Bands die Möglichkeit, ihre Musik zu verbreiten. Die Tatsache, dass wir die Endungen .ch und .de registriert haben, hat nicht unbedingt den Grund, es einmal besonders weit zu bringen. Vielmehr ist dies eine Ehrung der Bands Children of Bodom (.ch) und den Demons & Wizards (.de), die wir zwar nicht direkt als Vorbilder sehen, uns jedoch inspirieren
ließen.

Das erstaunt mich! So und jetzt noch ganz was anderes: Ich erwähne ein Stichwort oder ein Zitat und ihr schreibt euren Kommentar dazu oder einfach was euch dazu einfällt.

1. "Sehet das Kreuz; was symbolisiert es? Bleiche Inkompetenz, die an einem Baum hängt." A.Z. LaVey in "Die satanische Bibel"

Ich muss gestehen, dass ich den Autor nicht besonders gut kenne, jedoch halte ich dieses Zitat für eine gut dargestellte Sicht auf das Christentum. Das Christentum hängt hier, bildlich gesprochen an einem Baum. Es kann also jederzeit abfallen während es gleichzeitig hoch hängt, so dass es quasi über allem ist.

2. "Odin"

Wichtige Person in der germanischen Göttermythologie, da er der Vater der Asengötter ist. Er ist der Gott des Krieges, der Dichtkunst, der Runen und der Toten. Ebenso bekannt sind seine Söhne Balder, Tyr und ganz besonders Thor – dem stärksten Asen, dem Donnergott und Verteidiger von Midgard und Asgard. Leider werden heutzutage diese Mythen oftmals als Symbole für Rechtsradikalismus dargestellt. Obwohl man Odin allgemein auch mit Stärke verbindet, symbolisiert er für mich eine Götterperson, die einer vergangenen Epoche gehört und die längst vom christlichen Gott verdrängt wurde.

3. "Ich hüte mich, die Menschheit für ihre Geisteskrankheiten verantwortlich zu machen." Friedrich Nietzsche in "Der Antichrist"

Bei Nietzsche denke ich vor allem an den Brief an seine Schwester, in dem er sie für die Zeit nach seinem Tod bittet, keinen Priester an seinen Sarg zu lassen, der Unwahrheiten sagt, vor denen er sich nach seinem Tod nicht mehr wehren kann. Mit seinem Zitat hat er Recht, dass nicht die gesamte Menschheit verantwortlich für „Geisteskrankheiten“ verantwortlich gemacht werden kann. Menschen können nicht für unbewusste Einstellungen verantwortlich gemacht werden, so etwa, dass Menschen nur das glauben, was ihnen nützt. So würden
manche immer noch an ein ewiges Leben glauben, auch wenn ein Gegenbeweis gefunden wurde.

Vielen dank für einen hochinteressanten Mailwechsel!