Auch wenn Karlos Kariano und seine Mitmusiker aus dem sonnigen Portugal stammen und immer wieder mal ein bisschen Gothic Stimmung in die Songs einfliessen lassen, heisst das noch lange nicht, dass sie wie ihre Landsmänner Moonspell klingen...

Auch wenn Karlos Kariano und seine Mitmusiker aus dem sonnigen Portugal stammen und immer wieder mal ein bisschen Gothic Stimmung in die Songs einfliessen lassen, heisst das noch lange nicht, dass sie wie ihre Landsmänner Moonspell klingen. Das hauptsächlich melodic Death lastige Album Martyrialized überzeugt neben dem wuchtigen Sangesorgan Kariano's auch durch seine kraftvollen Songs, die ebenso kompakt produziert wie abwechslungsreich ausgefallen sind. Erstaunlich, stand doch Herr Kariano vor ein paar Jahren noch vor einem Scherbenhaufen, da alle früheren Bandmitglieder das Weite gesucht hatten. Wieso Kariano trotzdem weitergemacht hat, was eine Handvoll Portugiesen in schwedischen Studios zu suchen hat und wie es um die Zukunft von Malevolence bestellt ist, könnt Ihr im folgenden Interview nachlesen.

Gegründet wurde Malevolence 1994. Aber es gab einen kritischen Zeitpunkt in der Bandgeschichte. Alle Mitglieder bis auf Dich verliessen die Band.

Karlos: Ja, im Jahre 1998. Es war wohl die schwierigste Entscheidung meines Lebens gewesen, mit der Band weiterzumachen oder einfach alles zu beenden, was wir in den vergangenen 4 Jahren aufgebaut hatten. Wir hatten aufgrund des 1. Albums schon viele Fans im In- und Ausland gewonnen, und es gab auch einige Leute, die zu mir gekommen sind und gesagt haben, dass ich weitermachen soll. Nun arbeite ich mit sehr viel professionelleren Leuten zusammen. Die Zukunft liegt vor uns, also nichts wie los!

Aber Du hast damals noch alle Songs selbst schreiben müssen.

Karlos: Ja. Ich habe den grössten Teil des Materials selbst geschrieben und die Lyrics verfasst. Aber die schlussendlichen Arrangements wurde schon mit den neuen Mitgliedern zusammen ausgearbeitet. Wir arbeiten bereits an neuem Material. Ungefähr die Hälfte ist schon fertig. Die neuen Bandmitglieder strukturieren die Songs mit mir zusammen und geben mir viele, neue Ideen. Das ist eine ganz andere Situation, und wir sind sehr glücklich damit.

Hat sich die Musik von Malevolence zwischen 1998 und den vorherigen Jahren stark verändert?

Karlos: Ja, sie hat sich sehr stark verändert. Die neuen Musiker sind versierter. Wir haben starke Fortschritte gemacht und uns in jeglicher Hinsicht weiterentwickelt. Ich kann Dir das nicht so genau erklären, aber die Veränderungen hinsichtlich des neuen Materials sind sicherlich stärker als diejenigen zwischen unserem Debut Dominium und Martyrialized. Ich denke, dass wir heavier und aggressiver geworden sind .... vielleicht mittlerweile auch ein wenig unmelodischer als zu den Martyrialized Zeiten. Du musst Dich weiterentwickeln, um den Fan und auch Dich selbst zufriedenzustellen.

Ihr habt Martyrialized 1999 in den Fredman Studios in Schweden aufgenommen, und zwar zu Jahresbeginn. War das nicht eine ziemlich harte Tortur für Euch? Portugiesen im skandinavischen Winter? Mussten sie Euch als portugiesische Eiswürfel zurückschicken oder war es nicht ganz so schlimm?

Karlos: Haha. Nein, nein. Die Skandinavier haben einen kälteren Winter als wir, stimmt, aber in Portugal regnet es dafür viel mehr. Die Skandinavier haben viel Schnee, halten Räume und Häuser jedoch immer sehr warm. Mit der Kälte draussen kann man daher gut umgehen. Das Wetter in Portugal ist sehr viel unangenehmer und aggressiver als in Schweden. In Portugal bekommst Du viel schneller die Grippe als dort. Ich habe das an meiner Stimme gemerkt. In Portugal hatte ich im Studio oder bei den Shows oft Probleme damit. In Schweden nicht.

Gewisse Leute könnten nun denken, dass Ihr im Fredman Studio gewesen seid, um eine Art von kommerziellem In Flames oder Dark Tranquillity Sound zu bekommen. Aber was waren denn die wirklichen Gründe für Euch, das Fredman auszuwählen?

Karlos: Nun, wir hören uns diese Bands gar nicht an, folglich können sie uns auch nicht beeinflusst haben. Wir mögen gerne Arch Enemy, und das seit deren Anfängen, aber ansonsten kennen wir kaum Produktionen aus dem Fredman. Ich habe unter anderem mit Dan Swanö von Edge Of Sanity geredet, und er meinte, dass das Fredman sicherlich eine der besten Optionen sei, die wir hätten. Wir mögen das At The Gates Album Slaughter Of The Soul sehr gerne, und wir wollten versuchen, etwas ähnliches oder sogar noch besseres zu machen, denn unsere Musik hat die gleichen musikalischen Ursprünge wie die von At The Gates. Wir realisierten auch, dass das Fredman in der Lage war, uns ein hochprofessionelles Album machen zu lassen. Ich denke ferner, dass wir einen eigenen Sound haben. Wir haben auch nicht das Equipment des Fredman Studios benutzt. Wir verwendeten unsere eigenen Amplifier, Gitarren und das sonstige Equipment, das wir aus Portugal mitgebracht hatten.

Martyrialized ist unter anderem ja auch ein konzeptionelles Album geworden. Kannst Du etwas dazu sagen?

Karlos: Allgemein könnte man das so beschreiben. Wir laufen in Gefahr, zu vielen Ideen und Ansichten von Märtyrern zu folgen, die sich für jemanden oder etwas aufopfern, für Gott oder für irgendein Idol. Die Menschen leben zwischen den Extremen, egal ob das jetzt das Christentum, der Satanismus oder die Politik ist. Es gibt immer einen Zwischenweg, und wir von Malevolence ziehen es vor, genau dort zu stehen und in alle Richtungen zu beobachten, um eigene Ideen und Vorstellungen zu entwickeln. Auf dem Album wollen wir zum Ausdruck bringen, dass es unbedingt nötig ist, an sich selbst und seine Werte zu glauben, anstatt nach Normen anderer Leute zu leben. Du bist Dein eigener Gott. Du kannst Dir alles erträumen, was Du willst, und Du kannst es auch erreichen, wenn Du danach strebst.

Es gibt 2 besonders interessante Titel auf dem Album. Hunters Of The Red Moon und Les salles obscures de rose noir XVIII. Wie sieht's aus, vous parlez français?

Karlos: Ehm, nicht besonders gut, haha.

Um was geht es in diesen beiden Stücken?

Karlos: Hunters Of The Red Moon eigentlich eine Attacke gegenüber Religionen und Priester. Der Song handelt von einer Organisation, die alles vor Dir verdeckt, alles unter sich ausmacht. Diese Organisation gehört zu den mächtigsten Vereinigungen auf dieser Welt. Sie begeht Verbrechen und übt Kontrolle über die Menschen aus. Sie töten sich untereinander selbst und sie töten ihre Freunde, und dabei geht es schon lange nicht mehr um Religion. Das ist zugegebenermassen sein eher sadistischer Text, den wir versuchen, musikalisch mit verschiedenen Atmosphären und Stimmungen zu unterstreichen. Es geht eigentlich um eine Art von bizarrer Kirche. Hinter Les salles obscures steht eine völlig andere Idee, nämlich Sadomasochismus. Der Text behandelt die verschiedensten Themen aus diesem Bereich. Aber der hauptsächliche Einfluss dafür stammt von einem meiner Lieblingsschriftsteller, Marquis de Sade. Es geht um Besitz und die Unfähigkeit, sich seinen eigenen Bereich zu schaffen. Die Idee hinter diesem Stück ist, den Leuten zu sagen, dass sie das tun sollen, was sie tun wollen, anstatt sich nach Anderen oder Anderem zu richten.

Das ist mir an Euren Texten besonders aufgefallen. Sie handeln von realen Themen, nicht von Dämonen, Vampiren oder Monstern. Ist es Euch wichtig, mit Euren Songs Messages unter die Leute zu bringen?

Karlos: Wenn ich mir überlege, dass die Leute die Texte auch lesen, die ich verfasse, halte ich es einfach für besser, über Dinge zu schreiben, die um uns herum auch wirklich geschehen. Ich beziehe auch historische Ereignisse mit ein und stelle Vergleiche dazu an oder versuche, diese auf die Gegenwart abzubilden. Wir leben in einer hochentwickelten und technischen Welt, aber gewisse Dinge haben sich seit Anbeginn der Zeit, als wir noch in Höhlen wohnten, nicht verändert, haha.

Würde es Dich stören, wenn jetzt einer käme und sagt: "Hey, Deine Musik find ich toll, aber Deine Texte interessieren mich absolut nicht." Wie wichtig sind Dir denn die Messages in Deinen Lyrics?

Karlos: Natürlich sind die Texte wichtig, aber wenn jemand zu mir kommt und sagt: "Tolle Musik, aber Deine Lyrics interessieren mich einen Scheiss", ist das auch ok. Wir wollen hauptsächlich Musik spielen, nicht jemanden bekehren. Das nächste Album wird auch nicht mehr so konzeptionell ausfallen. Die Lyrics werden völlig andere Themen behandeln, und ich beziehe auch die Ideen meiner Bandmitglieder ein. Ich muss jetzt etwas Neues haben und aus dieser Martyrialized Welt rauskommen. Ich werde so realistisch wie möglich bleiben, aber versuchen, die Lyrics in eine andere Dimension zu transportieren.

Hast Du niemals darüber nachgedacht, einen Titel in Portugiesisch zu schreiben?

Karlos: Darüber nachgedacht schon, und wir haben auch einige portugiesische Elemente auf unseren früheren Releases. Aber einen vollen Song auf Portugiesisch zu schreiben würde keinen Sinn machen, denn niemand würde ihn verstehen, und die Leute müssten deswegen das Wörterbuch herausholen, haha. Ich kann jetzt nicht sagen, dass wir sowas nie machen werden. Wenn wir in der Stimmung dazu sind ... vielleicht. Aber momentan ist das kein Thema.

Wie sieht es denn mit der Metalszene in Portugal aus. Gibt es dort eine gute Fanbase für Metalmusik?

Karlos: Ich denke, es ist wie in den meisten anderen Ländern auch. Auch wenn der Metal sich ständig weiterentwickelt, wird er doch immer im Untergrund Bereich bleiben. Es ist natürlich schwierig für einen Musiker, in Portugal von seiner Arbeit zu leben. Selbst wenn wir weltweit 10000 Platten verkaufen würden, was natürlich toll wäre, könnte ich nicht davon leben. Wer weiss, vielleicht ändert sich das irgendwann in der Zukunft. Aber das ist auch nicht unser Hauptgedanke. Wenn Du anfängst, auf diese Weise denken, wird Deine Musik bedeutungs- und emotionsloser.

Auf Martyrialized hätten ja eigentlich 11 Titel kommen sollen. Schlussendlich sind es aber nur 9 geworden. Ein Stück soll, wie ich gelesen habe, Funeral Rapture geheissen haben. Ich dachte nur, mein Gott, was soll den das sein, ein Track im Six Feet Under Style?

Karlos: Haha. Das war ein eher doomiger Track, ein bisschen verschieden zu den restlichen Songs von Martyrialized. Wir haben entschieden, ihn nicht auf das Album draufzutun. Wir hatten 3 Jahre lang keine Platte mehr rausgebracht, und unser Hauptziel war es, ein schnelles, aggressives Album mit vielen verschiedenen Elementen und Atmosphären zu machen, eines, das nicht viel länger als 40 Minuten dauert, so dass die Leute sagen: "Oh, die CD ist schon fertig, die muss ich nochmal hören", haha.

Du hast ja bereits erwähnt, dass Ihr schon an neuem Material schreibt, und da Martyrialized schon fast ein Jahr alt ist, dürfte schon bald eine neues Album herauskommen ... früher oder später jedenfalls.

Karlos: Stimmt. Musikalisch wird das neue Material konzeptionell ausfallen, thematisch dagegen nicht. Es wird mehr einem Soundtrack gleichen, und wir werden auch viele verschiedene Keyboardelemente integrieren. Das neue Material wird härter aber auch bizarrer werden. Du wirst Dir anhand von Martyrialized nicht vorstellen können, wie das neue Album klingen wird, das ist sicher. Es wird auch länger werden, und wir haben bereits jemanden in Amerika gefunden, der das Cover entwirft. Nach Schweden werden wir übrigens auch wieder gehen, aber nicht ins Fredman.