Die Kieler Schwarzwurzelhorde Endstille lädt nach Hamburg in den Headbangers Ballroom, damit sich die nationale Fachpresse erste akustische Eindrücke vom neuen Album mit dem geschmackssicheren Titel...

Die Kieler Schwarzwurzelhorde Endstille lädt nach Hamburg in den Headbangers Ballroom, damit sich die nationale Fachpresse erste akustische Eindrücke vom neuen Album mit dem geschmackssicheren Titel “Endstilles Reich” machen kann. Doch gerade der Albumtitel dürfte in naher Zukunft für jede Menge Kontroverse sorgen. Soviel scheint jedenfalls sicher.

Endstille

Pünktlich treffe an einem lauwarmen Sommerabend im Ballroom ein. Kurze Begrüssung durch den zuständigen Promoter Wolf Mühlmann. Dann das erste Bier auf Kosten des neuen Endstille Labels Regain Records bestellt. Bier stimmt Journalisten ja angeblich friedlich ein, damit die musikalischen Ergüsse der betreffenden Band/Künstler nicht zu streng beäugt werden.

Doch im Falle von “Endstilles Reich” hätte die schwedische Plattenfirma der Band auch Hagebuttentee servieren können und die kleine, aber feine Journalistenmeute wäre todsicher brutalst an die Wand gedrückt worden. Achtung! Zerquetschungsgefahr!

So langsam trudeln auch die Mitglieder von Endstille im Ballroom ein. Sofort fällt auf: Black Metaller gehen nicht zum Lachen in den Keller. Zumindest nicht alle. Und Endstille schon gar nicht. Die Band ist guter Laune. Es werden ständig flache Witze gerissen. Wohlwissend, dass man den anwesenden Schreiberlingen in wenigen Minuten das wohl ausgereifteste und brutalste Endstille Werk bis dato um die Lauscher ballern wird. Bevor nun die ersten Töne der neuen Platte erschallen, hält Promoter Mühlmann noch eine kurze Ansprache und kündigt das “Endstilles Reich” mit dem Alternativtitel “Nur der HSV” an. Nachdem sich anschliessend sämtliche Lachanfälligen wieder eingekriegt haben, donnert auch schon der Opener “Among Our Glorious Existence” durch die altehrwürdigen Boxen des Ballrooms. Hammerheftiges Geballer, ohne, und darauf legt die gesamte Endstille-Besatzung allergrössten Wert, getriggerte Drums. Geschickt wird immer das hohe Tempo gedrosselt und das Geschreie von Frontmann Iblis ist einfach nur noch fies. Gediegener Einstand, meine Herren! Der Titelsong “Endstilles Reich” ist von ähnlicher Machart. Überwiegend schnell mit obergeilen Midtempoparts zum Rübeabschrauben. Es folgt der typische Endstille Kracher “Der Ketzter”, bevor uns nun das erste grosse Highlight der neuen Silberscheibe um die Ohren fegt. “Vorwärts! (Sturmangriff II) erinnert enorm an Immortal zu seligen “Pure Holocaust” Zeiten. Logisch, dass Immortal bei diesem Lied als reine Inspiration auszumachen sind. Denn stumpfes Abkupfern haben Endstille nach all den Jahren in der Szene nun wirklich nicht mehr nötig. “I Am God” ist eigentlich durchgehend in den höchsten Geschwindigkeitsregionen anzusiedeln. Diese Nummer peitscht. Selbiges gilt für “No Heaven Over Germany”. Mit “The One I Hate” hat man auch noch eine extrem kurze Abrissbirne parat. Endlos geil, Freunde! “Scars” besticht hingegen durch diverse hypnotische Parts und erfrischend ideenreiches Drumming von Mayhemic Destructor. Als weiterer Höhepunkt erreicht schliesslich “Erase” unsere Ohren. Dieser Song lebt von meist eher episch vorgetragener Brutalität, welche sich nur hin und wieder in heftigste Raserei verwandelt. Und mit “Endstille (Realität)” ist dieses Massaker dann auch schon wieder vorbei. Die vier Musiker können erste Glückwünsche der beteiligten Ohrenzeugen entgegennehmen. Doch bei aller Freude stellt sich bei den anwesenden Journalisten die Frage, wie weit darf Provokation gehen. Fragen, die uns in trauter Runde von Mayhemic Destructor, Iblis sowie Bassist Cruor beantwortet werden.

Mayhemic Destructor weist sämtliche Vorwürfe seitens der Antifa von sich, Endstille würden mit der braunen Seite des Black Metal kokettieren. Ob es in solch einer Situation, in der Endstille seit Jahren stecken, dann nicht klüger gewesen wäre, einen weniger politisch vorbelasteten Albumtitel für das neue Epos zu wählen? Der Schlagzeuger verneint. “Der Begriff ist völlig unpolitisch. Wenn du jemandem deine Wohnung zum ersten Mal zeigst, sagst du doch auch, dies wäre dein Reich, ohne dass du politisch rechte Hintergedanken hast!” Doch lassen linksgerichtete Hardliner derlei Aussagen selten bis gar nicht zu. Zumal neben dem Albumtitel auch Nummern wie “Vorwärts! (Sturmangriff II)” und “No Heaven Over Germany” die politisch korrekte Szenepolizei auf den Plan rufen dürfte. Der Band ist das egal. “Wir sind definitiv keine politische Band! Unsere Texte sollte man sich ansehen wie eine Dokumentation über den zweiten Weltkrieg im Fernsehen. Es ist schon komisch, dass Guido Knopp noch nie vorgeworfen wurde, ein Nazi zu sein. Wir uns hingegen seit Jahren dessen erwehren müssen.”

Kommen doch wieder zur Musik selbst zurück. Endstille machen bereits seit Jahren Front gegen getriggerte Drums im Black Metal. Mayhemic Destructor, ganz klar das Sprachrohr der Band, meint dazu, dass “alles was man auf unserer neuen Platten an Schlagzeug hören kann, auch definitiv von mir eingespielt worden ist”. Bis dato waren Endstille ja bei Twilight Vertrieb unter Vertrag gewesen. Nun erscheint “Endstilles Reich” aber auf dem schwedischen Label Regain Records. Wie kommt das? Fronter Iblis: “Wir sind alle keine zwanzig Jahre mehr jung. Wir mussten immer wieder feststellen, dass unsere Platten im Ausland meist nicht erhältlich waren.” Mayhemic Destructor ergänzt hierzu: “Es war einfach an der Zeit, den nächsten Schritt zu machen, um die Band voranzubringen.” Aber hatte man nicht gerade vor nicht allzu langer Zeit den Kontrakt mit Twilight Vertrieb verlängert gehabt? “Stimmt. Aber nachdem wir halt feststellen mussten, dass unsere Platten eigentlich nur in Deutschland erhältlich sind, entschieden wir uns, zu Regain Records zu gehen. Twilight wollten uns natürlich nicht so einfach aus dem Vertrag entlassen. So entstand ein langwährender Rechtsstreit zwischen unseren Anwälten und denen von Twilight. Wir entschieden uns zum damaligen Zeitpunkt, einfach ins Studio zu gehen und die Wartezeit durch diesen Rechtsstreit mit den Aufnahmen zur neuen Platte zu überbrücken. Die Kohle dafür mussten wir natürlich erst einmal selber vorstrecken. Der verbesserte Sound auf “Endstilles Reich” hat also absolut nix mit dem Wechsel zu Regain Records zu tun.”

Nachdem nun also der erste Labelwechsel vollzogen wurde. Wie steht es denn mit der Wahrscheinlichkeit, dass Endstille in absehbarer Zukunft auch mal das Studio und/oder den Produzenten austauschen würden? Die stöckeschwingende Quasselstrippe erwidert: “Wir werden wohl bis in alle Ewigkeit im JAKs Hell aufnehmen. Der Typ dort weiss einfach wie wir klingen müssen. Jede Veränderung, die ihm vorschwebt, muss er uns gegenüber begründen. Überzeugt er uns nicht, wird auch nix verändert. Diese Arbeitsweise hat sich in all den Jahren bewehrt, würde aber in einem anderen Studio und mit einem Produzenten wahrscheinlich nicht funktionieren.”

Ihr dürft also auf “Endstilles Reich” gespannt sein. Mit dieser Platte untermauern Endstille völlig zu Recht ihren Vormachtanspruch in der deutschen Black Metal Szene. Es werden noch einige Biere gemeinsam geleert. Danach ist es definitiv Zeit für den Schwermetall Schreiberling, nach Hause zu fahren. Gute Nacht!