Anti-Christentum und plakativer Satanismus stehen als optische und inhaltliche Paten an der Wiege des Black Metal. Durch die Taten der Musiker, die Anfang der 1990er Jahre in Skandinavien Kirchen niederbrannten und zu Mördern wurden, hat diese Musikrichtung seit jeher die Aura einer makabren, todernsten Authentizität. Auch 2025 bespielen Bands wie die Szenegrößen Behemoth oder Dark Funeral dieses Feld mit allen anti-christlichen Klischees, und sei es ein Albumtitel wie „the shit ov god“.
Doch nach einigen Jahrzehnten stellt sich die Frage: Ist das überhaupt noch provokant, mutig, hat das noch den gewünschten Schockeffekt?
Schaut man zurück in die 1990er, ist die Frage mit einem klaren „ja“ zu beantworten. Religionsbücher in den Schulen warnten aufgeregt vor Heavy Metal, und erschöpften sich in falsch zitierten oder fehlerhaft übersetzten Textzeilen von Black Sabbath oder Judas Priest Songs. Als dann Black Metal auf der Bühne erschien, war es, als seien die Albträume der Religionslehrer wahr geworden. Bands überboten sich mit immer neuen Albencover-Exzessen und Parolen („fuck me Jesus“, „Jesus is a cunt“ oder entsprechende sexuelle Darstellungen von mehr oder minder hoher künstlerischer Qualität). Die Schockwirkung war da, skandalheischende Berichterstattung in den Massenmedien auch.
Mittelweg zwischen Traditionalismus und neuen Ufern
Spätestens ab den 2000ern war jedoch eine Gewöhnung innerhalb der Metal Subkultur und nach und nach auch im popkulturellen Mainstream eingetreten. Was jetzt noch als Schock-Moment zog, war mehr als nur Weltkriegsbilder auf Plattencovern, es mussten auch entsprechende Texte sein, und der NSBM war geboren. Da sich mit anti-christlichen Inhalten nicht mehr schocken ließ, war NSBM die letzte Ausfahrt. Allerdings lässt selbst im tiefen BM-Untergrund die Mehrheit der Bands glücklicherweise die Finger davon, da sie dann wirklich im Neonazi-Eck ihr Dasein fristen müssten. So tummeln sich in dieser Nische nur die ideologischen Überzeugungstäter oder die komplett verlorenen Hardcore-Provokateure.
Doch zurück zum Thema Anti-Christentum: Ist das mittlerweile nicht ein bloßes Schattenboxen gegen einen Gegner, der de facto im Alltag von immer mehr Menschen keine Rolle spielt? Gibt es im deutschsprachigen Raum noch kirchliche Proteste oder ernsthafte Sanktionsmöglichkeiten gegen BM-Konzerte? Wenn selbst im fränkischen Würzburg im ach so katholischen Bayern Metal-Konzerte in kirchlich getragenen Kultureinrichtungen stattfinden, ist doch klar, dass der propagierte Krieg gegen das Christentum nur noch Bedienung von Klischees ist, die einfach „dazu gehören“. Einige Bands haben es womöglich irgendwann ähnlich empfunden und sich neue thematische Felder erschlossen.
Der Metal Untergrund und gerade seine extremen Spielarten zeichnen sich seit jeher durch einen wohltuenden Konservatismus aus, der seine Helden verehrt, seine Traditionen und Ursprünge bewahrt und achtet. So lassen sich anti-christliche Bildsprache und Texte gewissermaßen als musikalische Traditionspflege und Folklore einordnen und respektieren. Doch zu glauben, Verbalattacken gegen die mit massivem Mitgliederschwund und gesellschaftlichem Bedeutungsverlust geschlagenen Kirchen sei mutig, ist realitätsferner Selbstbetrug.
Es geht auch anders
Dem Verfasser geht es hier nicht gegen Ursprung, Tradition und Kern des BM und den rebellischen Habitus des Metal allgemein, aber die Inszenierung als große Tabu-Brecher, wenn eine im Abstieg befindliche Institution per Interview oder Bühnenansage in der eigenen Filterblase angepöbelt wird, ist nicht mutig. Wären die entsprechenden Musiker konsequent, würden sie sich mit einer Anti-Islam-Thematik positionieren. Mit Wolves of Perdition gibt es ein Beispiel dafür. Nur birgt das für eine Band die Gefahr, szene-intern schnell ins Abseits gestellt zu werden, wenn dann das Mainstream-Metal-Publikum und Magazine die Nase über die vermeintlichen Schmuddelkinder rümpfen.
Konsequenter handelte so gesehen die Thrash/Punk Band Torture Bitch Anfang Juni bei einem Auftritt als Vorband von Midnight mit der Ansage, folgender Song sei an alle Christen, Juden und Moslems gerichtet: „all gods are bastards“.