Zürich Freitag, 01. April 2005
Tages-Anzeiger vom 01.04.2005
Sauber plant eine Autofabrik in Dübendorf

Der Flugplatz Dübendorf aus der Luft.
Überraschende Wende im Seilziehen um den Militärflugplatz Dübendorf: Peter Sauber will ab 2010 mit BMW, der Empa und Petronas einen Schweizer Serien-PW bauen. Sein Name: Sauber.
Von Ruedi Baumann
In Bahrain, wo heute das erste Training zum Formel-1-GP vom Sonntag stattfindet, wurde gestern Abend das heisseste Gerücht zur Gewissheit: Sauber will in die Produktion von Strassenautos einsteigen. Geplant ist ein Werk auf dem Gelände des heutigen Flughafens Dübendorf. Im Jahr 2010 sollen die ersten 10 000 Fahrzeuge für den europäischen Markt hergestellt werden. Sauber plant ein einziges Modell mit einer so genannt flexiblen Karosserie und einem sauberen Biogasantrieb, der von der Empa in Dübendorf entwickelt wurde. Heissen soll das Auto schlicht und einfach Sauber. Das Chassis stammt aus Malaysia, viele Komponenten kommen aus der Schweiz. Offiziell will Sauber das Projekt erst in einigen Wochen vorstellen, doch gestern sickerten in Bahrain erste Informationen durch.
BMW-Chef traf Peter Sauber
Vier Stunden lang steckten BMW-Chef Helmut Panke, Petronas-CEO Mohd Hassan Marican und Peter Sauber in Bahrain die Köpfe zusammen. Und die Indizien bestätigen das, worüber die drei höchste Geheimhaltung vereinbart haben:
- Mit Malaysias Öl- und Gaskonzern Petronas hat Sauber einen äusserst ehrgeizigen Partner, der wiederum mit dem ebenfalls staatlichen malaysischen Autokonzern Proton enge Verbindungen hat.
- Seit dieser Saison beliefert Michelin überraschend das Sauber-Team mit Pneus. Die Franzosen arbeiten prinzipiell nur mit Automobilkonzernen zusammen, um Absatz zu generieren.
- Saubers Partnerschaft mit Ferrari ist am Ende. Ab 2006 soll BMW die Motoren liefern. Sogar eine teilweise Übernahme von Sauber durch BMW wird diskutiert.
Viele Indizien lassen sich auch im Kanton Zürich zusammentragen:
- Der neue Sauber-Windkanal in Hinwil ist nicht nur auf Formel-1-Rennwagen ausgelegt, wie sonst in der Branche üblich, sondern auch auf Personenwagen und gar Vans.
- Der Zürcher Regierungspräsident und ehemalige Militärpilot Ruedi Jeker hält sich mit seinem Engagement für den Erhalt des Militärflughafens Dübendorf seit zwei Monaten auffallend zurück. Das magere Ergebnis seiner Verhandlungen mit Armeechef Christophe Keckeis feierte er letzte Woche gar als Erfolg (TA vom 23. März): Der Jetbetrieb wird Ende 2005 eingestellt, der Helikopterbetrieb ab 2010, die Rega-Basis bleibt.
- Der sonst so engagierte Dübendorfer Stadtpräsident Heinz Jauch ist seit zwei Wochen auf Tauchstation und weicht dem Thema Militärflughafen konsequent aus.
- Bildungsdirektorin Regine Aeppli hat sich gestern kurzfristig an einer Medienkonferenz «mit Entschiedenheit» für einen Verbleib der Empa in Dübendorf ausgesprochen - im Wissen um Saubers solide Pläne.
- Baudirektorin Dorothée Fierz wird heute Nachmittag zur Freude der Autolobby an einer ebenso eilends anberaumten Medienkonferenz den Zürcher Stadttunnel («Y») vorstellen und dann direkt nach Bahrain abfliegen. Eine Wochenend-Skitour mit ihren Naturfreunden hat sie kurzfristig abgesagt.
- Auffallend gesprächig war Empa-Direktor Louis Schlapbach. Er stellte den Medien letzte Woche den nach einem ETH/Empa-Konzept entwickelten Erd-/Biogasmotor vor (
www.empa.ch). Für die Empa Dübendorf, der eine Verlegung nach Lausanne droht, würden Saubers Pläne natürlich die Rettung bedeuten.
Fierz fürchtet zweiten Fall Galmiz
Der Flughafen Dübendorf ist das attraktivste und grösste Entwicklungsgebiet der Schweiz, liegt aber in der Landwirtschaftszone. Baudirektorin Fierz muss dem Kantonsrat nun rasch eine Richtplanänderung zur industriellen Nutzung vorlegen, die wiederum vom Bund abgesegnet werden muss. BMW und Petronas wollen verbindliche und schnelle Zusagen. Doch Fierz und Bundesrat Joseph Deiss wollen unbedingt verhindern, dass Dübendorf ein zweiter Fall Galmiz wird. Im freiburgischen Grossen Moos wurde hurtig ein Gemüseacker in Bauland verwandelt, um den US-Biotech-Konzern Amgen anzulocken - mit Steuergeschenken.
Verzicht auf Lohnsenkungen
Steuergeschenke müsste der Kanton Zürich keine machen. Im Gegenteil: Eine Sauber-Autofabrik würde der Region nur Vorteile bringen. Die Regierung wäre deshalb bereit, auf Lohnsenkungen für Staatsangestellte und die Steuererhöhungen zu verzichten, wenn der Kantonsrat bei der Umzonung mitmacht. Fachleute rechnen mit mindestens 1000 neuen Arbeitsplätzen. Zudem lässt sich der Geräuschpegel einer modernen Autostrasse nicht mit dem Krach eines startenden Militärjets vergleichen. Die Teststrecke auf der ehemaligen Piste dient nur Funktionskontrollen. Dank Just-in-time-Produktion wird der Autopark sehr klein.
Rosige Aussichten haben auch einige Zulieferer: Rieter (Schallschutz), Georg Fischer (Felgen und Achsen), Huber + Suhner (Kabel) und vor allem die Ems-Chemie (siehe Kasten). Dübendorf ist zudem sehr gut erschlossen. Ab Bahnhof Dübendorf gibts noch immer ein altes Industriegleis zum Flughafen.