Die Bergriesen
Die Bergriesen stammen direkt von den Hrimthusen ab, den Frost- oder Reifriesen, und daher kommt auch die Kälte, und die langen Winter in ihrem Reich, in den hohen Lagen von den Gebirgen. Skadi, manchmal auch Skade, ist eine Bergriesin. Sie ist die Tochter von Thiazi, dem Frostriesen, und sie bewohnt Donnerheim, das mythische Gebirge in Asgard, das im Norden auch Thrymheim genannt wird.
Ihr Name hat eine doppelte Bedeutung: sie ist der dunkle Schatten und der Schutz, vor der Sonne und vor den Naturgewalten. Aber gleichzeitig ist Skadi auch die, die Verlust und Unheil bringt. Sie kann die Kräfte des Chaos entfesseln, indem sie plötzliche Unwetter und Schneestürme losbrechen lässt, wenn sie will, weil das genau die Natur ihrer Herkunft ist.
Skadis Sohn ist Fro, oder Freyr, der den Regen und die milderen Temperaturen vom Meer seines Vaters Njördr herbringt.
Und ihre Tochter ist Freya, die auch die Tochter von Njördr ist. Und die mit ihrem Falkengewand den Himmelsrand erreichen, und dann den Hraesvelgr (manchmal) beruhigen kann, weil sie, von ihrer Abstammung her, die beiden Linien der Riesen und der Wanen in sich vereint.
Ein anderer Bergriese zum Beispiel ist Rübezahl, der das Riesengebirge bewohnt.
Ebenso wie Skadi wird er als launisch beschrieben, freundlich und hilfsbereit in dem einen Moment, doch zerstörerisch und vernichtend in dem anderen. Man kann ihm im Riesengebirge begegnen, zum Beispiel in Tiergestalt, als Baumstumpf oder auch in menschlicher Gestalt, und dann ist es wichtig, respektvoll zu sein. Dann ist er freundlich und zeigt sich auch hilfreich. Er, der den Namen „Herr der Berge“ bevorzugt, kann sich nämlich auch durch schwere Unwetter rächen, genau wie Skadi. Und er führt diejenigen in die Irre, irgendwohin in die Tiefen der Berge, wenn sie sich nicht an seine Regeln gehalten haben.
Rübezahl soll einen wundersamen Garten besitzen, in dem es „vielerlei Heilkräuter“ gibt. Den darf man auch nicht einfach so betreten, falls man diesen zufällig beim Bergwandern findet, man muss erst fragen, dann hilft er vielleicht.
Im Tschechischen heisst er ja Krakonoš, oder Krkonoš, was „der die Bergkiefern trägt“ bedeuten könnte. So wie das Riesengebirge auch Krkonoše heisst, im Tschechischen und Karkonosze im Polnischen. Man geht davon aus, dass sich die Namen von den Krkontoi ableiten, die ein germanischer Stamm waren, der in der dortigen Gegend lebte.
Das muss zwischen den Jahren 100 bis 200 gewesen sein, die Krkontoi, Korkontoi, Krkonti oder Corconti wurden von Claudius Ptolemäus beschrieben, der zu dieser Zeit ein Kartograph und Naturwissenschaftler im alten Ägypten war. Wahrscheinlich in Alexandria, und seine Informationen bezog er u.a. von den Seefahrern, zum Beispiel Hanno, einem Admiral aus Karthago, der Berichte schrieb über die Länder, die er gesehen hatte. Und ähnliche Berichte von anderen, die fremdes Gebiet zum Zweck der Erforschung bereisten, um neue Handelswege zu suchen und zu erschliessen.
An Rübezahls tschechischem Namen erkennt man, dass seine Überlieferung uralt ist (mE ist es gut möglich, dass sie vielleicht sogar bis ins Neolithikum zurückreicht). Sein deutscher Name geht auf viel neuere Erzählungen zurück, aus der christlichen Zeit, die keinen Zusammenhang mit dem Ursprung mehr haben (und deswegen lasse ich diese hier auch weg) (den Namen Rübezahl mag ich, einfach nur so, aber trotzdem).
Andere (spätere) Erzählungen, die aber aus christlicher Sichtweise geschrieben sind, stellen ihm oft als Bergdämon dar, der für Unglücke verantwortlich sei, und ähnliche Dinge. Für mich ist es leicht vorstellbar, dass Rübezahl sich über zuviel Bergbau bestimmt ärgert, aber das ist ja nicht alles, was sein Wesen im Ursprünglichen ist.
„Denn Freund Rübezahl sollt ihr wissen, ist geartet wie ein Kraftgenie, launisch, ungestüm, sonderbar; bengelhaft, roh, unbescheiden; stolz, eitel, wankelmüthig, heute der wärmste Freund, morgen fremd und kalt; zu zeiten guthmüthig, edel, und empfindsam; aber mit sich selbst in stetem Widerspruch; albern und weise, oft weich und hart in zween Augenblicken, wie ein Ey, das in siedend Wasser fällt; schalkhaft und bieder, störrisch und beugsam; nach der Stimmung, wie ihn Humor und innrer Drang beym ersten Anblick jedes Ding ergreifen läßt.“
Musäus,Volksmährchen der Deutschen. Zweiter Theil enthaltend Legenden von Rübezahl, 1783
Das klingt doch ganz genau wie die Natur von Rübezahls Vorfahren, den Reifriesen, die deshalb natürlich auch seine eigene ist. Das ist ja genau der Hintergrund unserer Märchen und Sagen, das Wissen über den Ursprung und die Zusammenhänge zu überliefern. Und dadurch zu erhalten, und wie man jetzt sieht hat es, auch gegen die Wünsche des Christentums, aber trotzdem funktioniert.
