Re: Fabelwesen!
Verfasst: 10.11.2022, 22:33
Ja, ich hätte auch gedacht, dass ihn das vllt interessiert (
).

vampyr supersusi hat geschrieben: ↑12.02.2021, 02:39 Die Frostriesen
Die Hrimthursen oder Reifriesen, wie man auch zu ihnen sagt, kommen aus Jötunheim, dem Reich des Winters. Es gibt viele von ihnen, und wie alle Riesen stammen sie ursprünglich ab von Ymir, der das erste Lebewesen war, ein zweigeschlechtlicher Urzeitriese, der aus der Vermischung des Gletschereises von Niflheim mit dem Feuer von Muspellsheim entstanden ist. Und alle weiteren Riesen sind aus seinen Körperteilen herausgewachsen, nachdem er Milch von der Urkuh Audhumbla getrunken hatte (am Anfang der Zeit zumindestens war das so).
Die Frostriesen werden als Gestalten von "robuster Kraft und dämonischer Natur" beschrieben, aber abgesehen davon, und von ihrer riesigen Grösse, sollen sie menschliche Gestalt haben, die weiblichen von übernatürlicher Schönheit, und die männlichen von sehr grosser Hässlichkeit. Da sie Geschöpfe des Chaos sind, die vor der Existenz der Götter da waren, besitzen sie eine unergründliche, tiefe Urweisheit. Aber sie sollen auch ein kleinkindliches Wesen haben, beides zur gleichen Zeit, ohne zusammenhängendes Verständnis: gutmütig einerseits und gnadenlos auf der anderen Seite.
Einer der grossen Mythen über Jötunheim ist seine geografische Lage. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass 'Jötunheim' mit 'Land der Riesen' zu übersetzen ist ('jotunn' oder 'iotunn' und auch der Begriff 'thurs' bedeuten jeweils 'Riese' im Altnordischen). Gemeint ist jedoch das Land der Hrimthursen, der winterlichen Reif- bzw. Frostriesen ( 'hrim' steht im Altnordischen für 'Reif'). Das ist wichtig zu verstehen, weil es auch (andere) Riesen in Midgard gibt, der Welt der Menschen (bei denen sich die Frage der Lokalisation daher natürlich nicht stellt).
Sicher ist, dass das Land der (Frost-) Riesen in Utgard liegt, derjenigen Zone, die sich ausserhalb der Menschenwelt von Midgard und auch ausserhalb der Götterwelt von Asgard befindet. Aber die genaue Himmelsrichtung ist unklar, weil es in den eddischen Schriften unterschiedliche Angaben hierüber gibt. Die Gylfaginning beschreibt es an mehreren Stellen als im Norden liegend, die ältere Völuspa aber als eine Gegend im Osten, die durch den Eisenwald ('Jarnvidr') von Midgard getrennt ist.
Dies hat zu Spekulationen darüber geführt, dass die germanischen Völker angeblich nichts gewusst haben sollen über den Osten, und aus diesem Grund das Reich des Winters dort vermutet hätten. Und später, so meint man, soll sich das durch irgendwelchen (nicht näher bezeichneten) kulturellen Austausch geändert haben, und man habe aus diesem Grund nachträglich die Lokalisation Jötunheims nach Norden verschoben.
Na ja. In Germanien hat man sich zu jeder Zeit streng an der Natur, sowie an Wetter, Sonnen- und Mondlauf orientiert, und nicht an der Unerforschtheit von Gegenden oder Kontakten mit anderen Völkern. Wenn man so denkt, wäre es ausserdem logischer gewesen, nach meiner Meinung, die Lage des Winterreiches gleich im Norden zu vermuten. Dort, wo die Sonne nicht ist, und wo die Gegend bis einschliesslich heute immer noch nicht vollständig erforscht ist.
Nach anderen Vorschlägen wiederum soll es womöglich auch gar keine geografische Lokalisation von Jötunheim gegeben haben, und dass das Land der Riesen als „mit anderen Sphären verknüpft“ angesehen werden müsse, die „mit normalen Mitteln nicht zu erreichen“ seien und sich „zu einem naturalistischem Standpunkt widersprüchlich“ verhalten würden. Dem folge ich jedoch ebenfalls nicht.
Bei den Externsteinen im Teutoburger Wald ist oben auf einem der Turmfelsen eine Höhenkammer ausgeschlagen. Die sogenannte obere Kapelle, und an ihrer nordöstlichen Seite befindet sich über einer Nische (die man als eine Art heidnischen Altar deutet) ein rundes Fenster. Es ist genau auf denjenigen Punkt am Horizont ausgerichtet, an welchem die Sonne aufgeht am Tag der Sommersonnenwende. Und hierbei handelt es sich um den nordöstlichsten Punkt (danach verschiebt sich der Sonnenaufgang, bis zur Wintersonnenwende, wieder zurück nach Südost).
Germanische Kultstätten sind häufig auch Sternwarten gewesen, das ist bekannt, und bei der Höhenkammer ist das offensichtlich. Ich glaube, dass man am Tag der Sonnenwende im Sommer durch dieses Fenster genau in die Richtung blickt, aus der die Frostriesen kommen werden. Weil dort Jötunheim liegt, das Reich des Winters im nördlichsten Osten.
vampyr supersusi hat geschrieben: ↑11.05.2021, 11:49 Yggdrasills Tiere
Helheim ist auf dem Bild mit 'Infierno' bezeichnet, was auf jeden Fall eine christliche Irreführung ist, aber sonst ist das eine sehr schöne Abbildung von der Yggdrasil, der uralten Esche, die als der Weltenbaum die neun Welten um sich vereint. Weil die Welten mythologisch korrekt positioniert sind, und es sind auch die Tiere zu sehen, die nach der Überlieferung zu Yggdrasill, die auch Lärad oder Mimameid heisst, gehören.
Die Grimnismal nennt insgesamt fünf Hirsche, die an ihren Blättern fressen:
Ganz oben auf dem Blätterdach ist Eikthyrnir, der 'Eichdornige', der Name bezeichnet die Form seines Horngeweihs, von welchem der Tau nach unten in die Hwergelmir tropft (die Quelle im Zentrum von Niflheim, die daraus alle Flüsse mit Wasser speist). Und es gibt noch vier andere Hirsche, die an der Esche „krummhalsig nagen“ (also mehr an den Seiten des Baums). Da ist Dain, der 'Abgestorbene', Dwalin, der 'Zurückgegangene', Duneyr, der 'Ausgehöhlte' und Durathror, der 'Schlafende', die nach der Gylfaginning wiederum "an der Esche Ausschüssen weiden".
Bei den Wurzeln des Baums sind der Drache Nidhöggr und eine Gruppe von Schlangen beschrieben, die diese gemeinsam abnagen.
Zu beachten ist auch, dass sowohl im Altnordischen als auch im Altgermanischen die Begriffe Schlange, Drache und Wurm häufig synonym verwendet werden.
Da über den Sinn dieses Abfraßes am Baum spekuliert wird (man vermutet sogar, dass die Tiere dem Baum bis hin zum Ragnarök angeblich schaden würden), habe ich mir den folgenden Vers aus der Grimnismal einmal genauer angesehen. In der vorhandenen, deutschen Übersetzung heisst es:
Die Esche Yggdrasil duldet Unbill
Mehr als Menschen wissen.
Der Hirsch weidet oben, hohl wird die Seite,
Unten nagt Nidhögg
In dem altnordischen Text jedoch heisst es:
Ascr Yggdrasils drȳgir erfiði
meira, enn menn (um) viti
hjǫrtr bítr ofan, en á hliðo fúnnar
scerðir Niðhöggr neðan
'drȳgir' wird sich von 'drygja' ableiten, was für 'ausführen', 'ausrichten' oder 'aushalten' stehen kann, aber auch für 'fest halten', 'erhalten' oder 'stützen'.
'erfiði' bedeutet 'Arbeit' oder 'Mühe'.
'hliðo' hängt zusammen mit 'hlið', hier muss man aufpassen, weil dieser Wortstamm mehrere Bedeutungen haben kann. Hier bedeutet es 'Hang', 'Abhang', 'Neigung' oder 'Seite', und interessanterweise auch 'Öffnung', 'Tür' oder 'Tor'.
'fúnnar' setzt sich zusammen aus 'fún-a' für 'verwesen', 'verfaulen', und 'nar-' für 'Leiche' oder 'Toter' (in dem Fall 'Totes').
'vita' heisst 'beschauen', 'beobachten'.
Und 'meira' bedeutet 'grösser' oder 'mehr' (ich deute es in meiner gleich folgenden Übersetzung dieses Verses kontextbedingt auch im Sinn von 'grössere Zeitspanne' bzw. 'mehr Zeit').
Vorher ist noch zu sagen, dass abgestorbene Teile von Bäumen (zum Beispiel Seitenäste, bei denen dies öfter passieren kann), immer auch als mögliche Eintrittspforten für Krankheitserreger dienen. Bei Bäumen sind das vor allem Pilze, die sich in den Öffnungen von morsch werdendem Holz festsetzen, und vermehren, und einen Baum unter ungünstigen Umständen sogar zum Absterben bringen können. Deswegen wird in der Gartenkultur (die es auch schon im Altertum gab) Totholz an Bäumen grundsätzlich zurück geschnitten. Und auch das Wurzelwerk braucht diese Pflege, damit die Wurzel nicht fault (das machen natürlicherweise Regenwürmer im Boden, die totes Pflanzenmaterial fressen, und wieder umwandeln in nahrhafte Erde).
Den altnordischen Text übersetze ich nun wie folgt:
Die Esche Yggdrasil wird durch Arbeit erhalten
mehr (=länger), als der Mensch beobachten kann
Hirsche beissen oben, wenn Seiten (-äste) absterben
Nidhöggr beschneidet von unten her
Den Namen des Drachen würde ich von 'nīð', 'nīðr' oder 'nīðar' ableiten, was im Altnordischen für 'abwärts', 'unter', 'nieder' stehen kann, aber auch für 'Neumond', 'abnehmender Mond' oder 'absteigender Mond'. Und von 'hœgr', was (unter anderem) für 'vermögen' oder 'helfen' steht.
Der Mond hat ja verschiedene Zyklen: so gibt es neben dem synodischen Zyklus von Vollmond zu Vollmond auch seine Bahnhöhe am Himmel (im Vergleich zur scheinbaren Sonnenbahn), nach dem der Mond entweder auf- oder absteigend ist. In einem Gartenjournal habe ich hierzu folgende Informationen gefunden:
„...eine Beeinflussung auch der Pflanzen (sowie Menschen und Tiere) erfolgt, ist heute kaum mehr bestritten, aber oft schwer nachweisbar, da viele andere Faktoren, wie Gestirne, Tierkreis, Witterung etc. die Mondwirkung verstärken, mindern oder aufheben können. In der Antike schon wusste man um die Mondkräfte. Zunehmender Mond setzt Energie frei und fördert somit das Wachstum, also entwickelt er seine grössten Kräfte bei Vollmond. Bei abnehmendem Mond schwinden die Kräfte bis zum Minimum im Neumond.“
„Während des aufsteigenden Mondes, was wie gesagt nichts mit den Mondphasen zu tun hat, soll nach alter Überlieferung alles gepflanzt werden, was nach oben strebt (z.B. Stangenbohnen), während des absteigenden Mondes alles, was in die Tiefe gehen soll (kräftiges Wurzelwachstum).“
„...Nutzholz schlagen und Hecken schneiden erfolgt mit Vorteil während des absteigenden Mondes, da der Saftdruck jetzt geringer ist.“
Nach meiner Meinung bedeutet Nidhöggrs Name 'Helfer des absteigenden Mondes'. Da er, ebenso wie die Schlangen /Würmer die Wurzeln der Yggdrasil abnagt, von Auswuchs und Totholz befreit und so immer wieder für neues und kräftiges Wachstum von diesen sorgt. Das passt auch sehr gut zu den alten Schlangenkulten, die aus dem Neolithikum bekannt sind und bei denen die Schlange als Symbol für Wiederkehr und Erneuerung steht.
Nach der Grimnismal stammen alle Schlangen von Grafwitnir ab, und sie heissen Goinn, Moinn, Grabak, Grafwöllud, Ofnir und Swafnir. Ihre Namen sind nur noch schwer zu deuten, aber sinngemäss kommt es schon hin, weil man bei allen Begriffe findet, die in genau dieselbe Richtung verweisen. Grafwitnir jedoch lässt sich ableiten von 'grafa-' für 'graben' und von 'vitni', 'vitna' oder altgermanisch 'witnja' für 'Zeugnis', 'Zeuge', 'sehen', erblicken' oder 'wahrnehmen'. Ich würde das übersetzen mit 'die (oder der) das Graben gesehen hat', und da Drachen und Schlangen in der früheren Zeit wie gesagt nah beieinander gewesen sind, könnte das natürlich auch eine Kenning für Nidhöggr selbst sein.
Oben in der Krone des Baums sitzt der Adler ohne Namen. Zwischen seinen Augen sitzt der Habicht Vedrfölnir, und das Eichhörnchen Ratatoskr läuft die Yggdrasil herunter, um dem Nidhöggr bestimmte Botschaften des Adlers zu überbringen. Der Inhalt von diesen ist aber verloren gegangen, genauso wie der Name des Adlers.
Hierzu habe ich nun folgende Idee: ein Adler kann ja sehr weit sehen, und mit einem Habicht zwischen den Augen kann er noch weiter sehen, sogar bis zu den Sternen. Und weil beide Vögel symbolisch auch für Weisheit stehen, können sie zusammen aus den Sternbildern die Jahreszeit ablesen, bzw. den genauen Verlauf und die Witterung, die sich daraus ergibt. Der Adler sagt es dann dem Ratatoskr. Und dieser springt hinunter nach Niflheim, um es dem Nidhöggr weiterzusagen, der dadurch dann weiss, ob er mehr oder weniger nagen sollte. Deswegen sitzt der Adler ganz oben, da Niflheim ja ganz unten ist. Unten im Norden unter Yggdrasils Wurzeln, deswegen kann Nidhöggr den Himmel selbst nicht so genau sehen.
Vedrfölnirs Namen würde ich ableiten von altnordisch 'veðr' bzw. altgermanisch 'wedra' oder 'wedar', was jeweils 'Witterung' oder 'Wetter' bedeutet, und 'foljan', was für 'fühlen', 'empfinden' oder 'wahrnehmen' steht. 'Der die Witterung wahrnimmt' bedeutet er, meine o.g. Theorie über die Funktion der beiden Vögel ist also offenbar richtig.
Ratatoskrs Name ist schwierig zu übersetzen. Es gibt aber im Altgermanischen die Begriffe 'ratta-' für 'Ratte' und 'rat-' für 'nagen', sowie den Begriff 'tasko' für 'Eingeweide', 'Leib', 'Tasche', 'Reisetasche', 'setzen', 'stellen' oder 'legen'. Daher könnte man 'Ratatoskr' vielleicht frei übersetzen mit 'Nagetier, das etwas überbringt' (in dem Fall die Botschaften Vedrfölnirs bzw. des Adlers).
Und dann gibt es noch die Ziege Heidrun, die ebenso wie die Hirsche an den Auswüchsen der Yggdrasil weidet, ganz oben auf dem Blätterdach von Walhall. Aus ihrem Euter fliesst der Met für die Einherjer. Es gibt zwei Deutungen für ihren Namen, die vielleicht beide zutreffen: er wird sich herleiten von 'heiðr', was 'heiter', 'hell', oder 'klar' bedeutet, aber man vermutet auch, dass es ein ritueller Begriff für den Opfermet gewesen sei. Oder er kommt von 'Chaidruna', was im Fränkischen soviel wie 'die ein herrliches Geheimnis besitzt' bedeuten soll.
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