Um es gleich mal klarzustellen: "Morning Star" ist mit Abstand das beste Entombed-Album seit "Wolverine Blues". Die schwache Phase ist bei Entombed eindeutig vorbei. Seit dem Ausstieg von Nicke Andersson sah es ja eine Zeit lang so aus, als wäre von dem Death Metal-Urgestein aus Stockholm nicht mehr viel zu erwarten; das lahme und unoriginelle "Same Difference2-Album war eindeutig ein Schuss in den Ofen, und das darauffolgende "Uprising" war zwar wesentlich besser, wurde aber dennoch nicht so richtig mit Begeisterung aufgenommen, da viele die Scheibe für unglaubwürdig hielten. Aber die Frage nach der Glaubwürdigkeit dürfte sich bei "Morning Star" kaum stellen, denn einen derartigen Kreativitätsausbruch kann man wohl kaum vortäuschen.

Entombed decken auf ihrem siebten Longplayer das gesamte stilistische Spektrum ihrer bewegten Geschichte ab und gehen dabei sowohl am harten Ende wie auch am melodisch- rockigen Ende dieses Spektrums noch einen Schritt weiter als je zuvor. Da wäre einerseits mal zum Beispiel "Ensemble of the Restless". Eigentlich klingt der Song eher nach Slayer. Und zwar so in etwa zu "Reign in Blood"-Zeiten. "Ensemble Of The Restless" ist einer der schnellsten Songs, die Entombed jemals aufgenommen haben und gänzlich frei von den üblichen Blues- und Rotzrock- Einflüssen. Da wird einfach nur das Gaspedal durchgedrückt. Der nächste Song, "Out of Heaven", bietet gleich das andere Extrem: Die Band versucht sich an zweistimmigen Vocals und klingt dabei melodischer und Sabbath-artiger daher als jemals zuvor. Solch melodische Songs gab's nicht mal auf "Same Difference".

Die restlichen Songs sind irgendwo zwischen diesen beiden Extremen angesiedelt, wobei sich die heftigen und die rockigen Tracks ungefähr die Waage halten. Bei den ruhigeren Stücken machen Entombed allerdings nie den Fehler, so wie auf "Same Difference" bei anderen Bands zu klauen, sondern klingen immer eindeutig nach sich selber. Alte Fans der Band werden sich wohl besonders darüber freuen, dass an allen Ecken und Enden Old School-Riffs auftauchen, wie man sie von Entombed seit "Clandestine" nicht mehr gehört hat - insbesondere der Mittelteil von "Young Man Nihilist" und das Carnage-mässige Grundriff von "Year One Now" lassen Erinnerungen an die Zeit wach werden, als der schwedische Death Metal noch Zähne und Eier hatte (will heissen, die neue, schwedische Death Metal Szene kann Mike nicht mehr "In Flames" setzen - Red.). Allerdings würde ich behaupten, dass diese Songs gerade dadurch aufgewertet werden, dass sich auf dem Album auch etliche langsamere Stücke tummeln - trotz der Stilvielfalt wirkt "Morning Star" nämlich wie aus einem Guss, und Entombed führen damit anschaulich vor, wie eben jeder Entombed-Song nach Entombed klingt, ob es nun ein schneller Doublebass-Prügler wie "I For an Eye" oder ein athmosphärischer Rocksong wie "Mental Twin" ist.

So ist "Morning Star" ein von vorne bis hinten abwechslungsreiches und spannendes Album geworden. Man hört Entombed ihre Reife und Selbstsicherheit förmlich an - sie machen einfach das, wozu sie gerade Bock haben. Wollen sie Gas geben, geben sie Gas, wenn nicht, lassen sie's eben bleiben. Knallen tut's sowieso immer, dafür sorgt neben dem stilsicheren Songwriting auch die fette Produktion. Mit dieser Scheibe beweisen die schon x-mal totgesagten Entombed, dass sie den Abgang von Hauptsongwriter Nicke Andersson endgültig verkraftet haben, und dürften sich in Windeseile ihren angestammten Platz in der Königsklasse der harten Musik zurückerobern. Wer's nicht kauft, ist selber schuld.

Albuminfo

Punkte

 

0/5

Label

Threeman Recordings

Veröffentlichung

11/2001

Format

CD

Land

Genre

Death Metal