Die Weiterentwicklung von Bands hat immer zwei Seiten: Auf der einen tritt man nicht auf der Stelle, auf der anderen verliert man durch zu grosse stilistische Wechsel jedoch auch schnell die angestammte Fangemeinde.

Im Falle von den finnischen Disgrace war eben dies Mitte der 90er Jahre der Fall. Man begann in den späten 80ern zu musizieren und wuchs mit Bands wie Xysma, Funebre, Abhorrence, Demigod, Demilich oder Mordicus auf; und schon nach den ersten beiden Demos stand fest, dass Disgrace ganz weit oben mitspielen und einiges an Grundsteingemäuer in die Death Grind Szene einzubringen haben. Zur Kulmination kam es im Jahre 1992, in welchem ihr Debüt "Grey Misery" auf Seraphic Decay Records erschien – und leider nie wirklich populär wurde im weltweiten Underground.
Nach einem zweiten Versuch für ein Volllängenalbum, welches aber nie veröffentlicht wurde, änderte sich 1994 der Fokus der Band immer mehr in Richtung Rock ’n’ Roll (ihr neuestes Werk aus 2004 trägt den Titel "Born Tired"). Mit diesem Richtungswechsel gerieten, zum grossen Unglück, auch die genialen alten Aufnahmen zusehends in Vergessenheit.
Ein Umstand, welcher die Männern vom spanischen Label Xtreem Music dazu veranlasste, dass sie kurzerhand die Klassiker noch mal ans Mischpult nahmen und nun frischer denn je auf die Metalheads loslassen.

Was den Hörer erwartet, ist nichts Geringeres als unverschnörkelter, reiner Death Grind der alten Schule. Meist im Mid-Tempo Bereich zu Hause, werden aber auch Ausflüge in die extrem zähen, vor sich hin schleppenden langsamen Gefilde gemacht.
In jedem Lied kommen dem Zuhörer neue Ideen entgegen; man staunt wieder und wieder, welche Leistung hinter jedem einzelnen Lied steckt. Die Gitarren spielen zwar nicht immer die kreativsten Riffs, doch warten der Schlagzeuger und der Sänger mit reichhaltiger Variation auf und lassen nie Langeweile aufkommen.
Spitzentitel der CD ist "Waves Of Hypocrisy Seas". Hier wird so unendlich brutal und schleppend vor sich hingewalzt und gegrowlt, dass es einem so vorkommt, als würde man von diesen Wellen immer tiefer und fester nach unten gedrückt. Die geniale Schlagzeugarbeit ergänzt dabei vollkommen die bedrückende und bedrohende Atmosphäre, bevor man im hinteren Teil dann endlich wieder zur Sache kommt und in höhere Tempogefilde wechselt.

Als Bonus wurde noch die 7" EP "Debts Of Gods" von 1991 und das ausschlaggebende Demo "Inside The Labyrinth Of Depression" von 1990 auf das Ende der CD gepresst. Ein Überblick über die Entwicklung der "alten" Disgrace ist also mit diesem Album recht einfach gewährleistet.

Soundtechnisch reicht die CD auch nach dem Remastering nicht ganz an neue Veröffentlichungen heran, doch ist ihr Klang schon ordentlich druckvoll und genügend transparent, um an diesem Re-Release seine grausame Freude haben zu können.
Tausend Dank also an die Spanier von Xtreem Music, dass sie diese Perle aus dem Schlick der Vergessenheit gezogen, sauberpoliert und wieder der Allgemeinheit zugänglich gemacht haben. Danke!

Albuminfo

Punkte

 

0/5

Label

Xtreem Music

Veröffentlichung

3/2005

Format

CD

Land

Genre

Death Metal