Die Kult-Thrasher von Destruction feiern mit "Live Discharge" ein knüppelhartes 20-jähriges Bestehen - zur Freude der Fangemeinde. Welche Erwartungen stellt ein Fan an eine Live-DVD seiner Idole? Video- und Audioqualität in ausreichendem Mass? Unterhaltung? Sicherlich unterschiedlicher Natur. Gemeinsamkeiten finden sich aber natürlich auch hier: Das Preis- / Leistungsverhältnis muss befriedigend und die dargebotenen Aufnahmen vor allem authentisch wirken. Ob Destructions "Live Discharge" vor allem letztere Kriterien zu erfüllen vermag, soll im Folgenden einmal genauer untersucht werden.

20 Jahre nach der ersten Veröffentlichung der Thrash-Formation erschien 2004 endlich die erste, von vielen heiss ersehnte Live-DVD. Die Erwartungen der ansehnlich grossen Fangemeinde waren dementsprechend hoch gesteckt; "Live Discharge" durfte schlicht und einfach kein Flopp werden.
Wie uns das bunte und massig mit Fotos gespickte Booklet verrät, sammelten Destruction dazu Bild- und Tonmaterial bei ihren Auftritten auf dem Wacken Open Air 2002, dem With Full Force 2003 und einem Konzert im schweizerischen Pratteln. Nach dem Einlegen der Scheibe wird der Zuschauer ohne grosse Verzögerung mit der zu erwartenden Klangqualität bombardiert; ein recht aufwendiges Menü samt Animationen und mühevoller Gestaltung lässt danach gieren endlich zum Hauptteil und dem eigentlichen Grund des Kaufs zu kommen: Den Konzertmitschnitten. Gesagt, getan, nur ein einziger Klick und die geschredderten Riffs von "Curse the gods", live im Z7, schmettern aus den heimischen Lautsprechern. Knapp 90 Minuten umfasst der Hauptteil, hervorragend verarbeitete Live-Aufnahmen, deutlich voneinander abgetrennte Tonspuren, die Stimme von Frontmann Schmier ist extrem klar, sodass praktisch kein Wort im Instrumentenbrei verloren geht.

Überhaupt schwimmen sämtliche Lieder in einer ausgezeichnet aufgefangenen Konzert-Atmosphäre, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Geräusche aus dem Publikum in den richtigen Momenten laut hörbar sind und die Stimmung dementsprechend festgehalten wurde. Die Tonqualität lässt alles in allem nichts zu Wünschen übrig, drückt man bei den Aufnahmen aus dem Z7 mal ein Auge zu. Eben jene scheinen teilweise etwas eigensinnig abgemischt worden zu sein, die Snare des Schlagzeugers Marc klingt zu metallisch und auch die dargebotene E-Gitarre leidet ein wenig unter selbigem Symptom. Nichtsdestotrotz schadet das dem Gesamteindruck nicht im Geringsten, der erfahrene Geniesser ist schliesslich von zahllosen Bootlegs diverser Bands wesentlich schlechteres gewohnt.
Was eine DVD aber letztlich auszeichnet, ist selbstverständlich das Material fürs Auge. Und das ist bei der "Live Discharge" ebenso bombastisch wie das Material fürs Ohr. Die Bildqualität ist ausnahmslos mehr als nur befriedigend, die Schnitte passend gesetzt und die jeweiligen Konzerte aus zahlreichen Winkeln mitgefilmt. Der grosszügige Gebrauch von mobilen Kameras sorgt auch hier wieder für ein Gefühl des Dabeiseins und verdrängt jeden winzigen Anflug von statischen, langweiligen Aufnahmen. Für den besonders aufmerksamen Detailliebhaber dürften vor allem die ab und zu verwendeten Nahaufnahmen der Griffbretter, inklusive präzise darauf spielender Finger, von E-Bass und E-Gitarre sein. Auch das Schlagzeug versinkt durch fleissige Kameramänner nicht im Hintergrund, die dem verschwitzten Schlagzeuger Marc des Öfteren über die Schulter blicken und vor allem bei seinem kurzen aber intensiven Solo im Z7 gute Arbeit leisteten.
Auch das Publikum kommt nicht zu kurz. Vereinzelte kurze Einblicke ins Getümmel vor den Bühnen untermalen das Konzert-Feeling und möglicherweise erkennt sich der eine oder andere ja wieder.

Soviel zum wesentlichen Inhalt des Hauptteils. Bisher scheint sich die "Live Discharge" zum Anlass des 20. Geburtstags der Thrasher unter Tausende weitere Veröffentlichungen des Genres zu gesellen ohne grossartig hervorzustechen. Bisher habe ich aber auch noch kein Wort zu den kleinen Feinheiten verloren, die "20 Years Of Total Destruction" zu der ganz eigenen - und durchaus besonderen - Scheibe im Schrank machen. Zum einen ist es die Tatsache, dass der Hauptteil der DVD nicht eine einfache Aneinanderreihung der einzelnen Lieder ist, sondern dass die Lücken zwischen den Auftritten mit zusätzlichem Videomaterial aus dem Backstage-Bereich oder dem Tourbus (-Auto?) gefüllt und gleichzeitig aufgemotzt wurden. Dem einen mag das gleichgültig sein oder sogar stören, mir allerdings hat diese sprichwörtliche Auflockerung gefallen.

Das dargebotene Zusatzmaterial überzeugt in erster Linie durch absolute Authentizität; was der Zuschauer zu sehen bekommt ist nicht Destruction vor der Kamera, sondern die Kamera unterwegs mit Destruction. Selbst Mikes zerschossener Amplifier auf dem Wacken Open Air und das dazugehörige unterbrochene "Bestial Invasion" wird unge-schnitten gezeigt. Es ist einfach die Art und Weise, wie sich die Formation dem Publikum und damit dem Käufer der DVD präsentieren. Verbundenheit mit den Fans und Spass an der eigenen Musik, trotz ellenlangen Touren und jahrelanger Zusammenarbeit, das macht Destruction aus und begeistert ihre Anhänger.

Neben den Konzertaufnahmen im Hauptteil bietet die DVD noch weiteres, umfangreiches Bonusmaterial. Darunter verstehen die Verantwortlichen von Nuclear Blast unter anderem Interviews, Fotos, Videoclips und weitere Konzertaufnahmen, die es nicht in den Hauptteil geschafft haben, eine detaillierte Diskografie mit massenweise Samples zum Reinhören. Ein besonderes Schmankerl für eingefleischte Fans dürfte dabei das "Bestial Invasion" TV-Bootleg aus dem Jahre 1985 sein, rotziger Sound und schmierige Bildqualität vom allerfeinsten inbegriffen.
Zu guter letzt wäre da noch die mitgelieferte Bonus-CD "Alive Devastation". Noch eine Zugabe zur ohnehin überwältigenden DVD, die dem ganzen die Krone aufsetzt. Hier gibt es noch mal alle Kultlieder der Thrasher auf einer Live-CD gepackt, optimal wenn man grad zu faul ist die DVD einzuschmeissen und sich die Videos anzusehen. Die Tonqualität und die Abmischung ist auch hier wieder anstandslos zu belobigen und die Aufnahmen allesamt mit-reissend – auch ohne Nahrung für die Augen.

Abschliessend lässt sich nur bestätigen, dass "Live Discharge" gnadenlos authentische Aufnahmen liefert, die es unheimlich intensiv zu verstehen wissen, den Zuschauer an Ort und Zeit der Konzerte zurückzuversetzen und alles miterleben zu lassen. Nuclear Blast hin oder her, hier liegt definitiv eine Platte vor, an der es überhaupt gar nichts auszusetzen gibt, selbst das erwähnte Label hält sich mit Selbstdarstellungen und Werbung auf DVD und Verpackung dezent zurück und erscheint nur am Rande.
Das Verhältnis von Preis und Leistung ist bei diesen 2 Scheiben beispiellos angebracht. Der Lieferumfang spricht Bände und die Qualität des Materials lässt kaum Platz zur Beanstandung. Es kommt heutzutage nicht mehr oft vor, aber von diesem Werk kann man tatsächlich noch behaupten es wäre ein Geschenk an jeden Destruction-Fan und sein Geld wert.




Tracklist DVD "Live Discharge":

01. Curse The Gods
02. Nailed To The Cross
03. Wacken – Before The Show
04. Eternal Ban
05. Mad Butcher
06. Life Without Sense
07. Machinery Of Lies
08. Thrash Till Death
09. Destruction On Tour
10. Metal Discharge
11. The Butcher Strikes Back
12. The Antichrist
13. Reject Emotions
14. Release From Agony
15. Tears Of Blood
16. Marc Drumsolo
17. Tormentor
18. Destruction WorldWide
19. Invincible Force
20. Bestial Invasion Fuck Up
21. Bestial Invasion
22. Wacken – After The Show
23. Bullets From Hell
24. Pratteln – Backstage Aftershow
25. Total Desaster


Tracklist CD "Alive Devastation”:

01. Intro – Curse The Gods
02. Nailed To The Cross
03. Eternal Ban
04. Machinery Of Lies
05. Bullets From Hell
06. Tears Of Blood
07. Life Without Sense
08. Thrash Till Death
09. Mad Butcher
10. The Butcher Strikes Back
11. Intro – Total Desaster
12. Invincible Force
13. Bestial Invasion