Also dass alle Skandinavier depressiv wären, weil das Wetter dort oben immer so schlecht sei, muss wohl entgültig als Gerücht abgehakt werden, denn Simon Johansson geht als glatte Frohnatur durch...

Also dass alle Skandinavier depressiv wären, weil das Wetter dort oben immer so schlecht sei, muss wohl entgültig als Gerücht abgehakt werden, denn Simon Johansson geht als glatte Frohnatur durch, als er sich am anderen Ende der Telefonleitung zu Wort meldet, obwohl er doch viel zu spät zu seinem nächsten Termin kommen wird, weil er aufgrund eines Autounfalls eine Umleitung fahren muss und gleichzeitig noch nebenbei mit dem Handy ein Interview abzuwickeln hat. Trotzdem wirkt der Schwede in höchstem Masse gut gelaunt und beantwortet sämtliche Fragen in aller Ausführlichkeit, als ob er ohnehin nichts mehr anderes an diesem Abend zu tun hätte. Kein Ausnahmeskandinavier übrigens, denn die scheinen irgendwie alle so nett und gesprächig zu sein. Drum sollt Ihr auch nicht länger mit langem Einleitungsgeschwafel gelangweilt werden. Here we go.

Simon: Hallo? Ich rufe von meinem Handy aus an. Ich wollte zu meiner anderen Band, Memory Garden, fahren, und das dauert mit dem Auto ungefähr 2 Stunden. Aber leider hat es einen Unfall gegeben, und jetzt leiten sie den Verkehr um. Daher habe ich schon 1ne Stunde verloren. Eigentlich wäre ich schon dort.

Die Qualität ist ziemlich gut, es wird nur etwas teuer werden. Scheint so, als müsstet Ihr unbedingt ein paar Platten verkaufen, damit Du Deine Telefonrechnung bezahlen kannst.

Simon: Ja, haha. Dann musst Du eben etwas Gutes über das Album schreiben!

Hab ich doch schon. Damit kommen wir gleich zur ersten Frage. Es war sehr schwierig, das Review zu schreiben, weil ihr so viele Stile in Eure Musik integriert. Theoretisch könnte das die Hörer verwirren, weil es ihnen zu ausgefallen ist. Andererseits wäre es aber auch möglich, dass Ihr mit dieser Art von Musik eine Menge Leute ansprecht, da jeder etwas auf dem Album finden wird, was ihm gefälltt. Was waren denn Eure Erfahrungen mit dem ersten Album Psychotic?

Simon: Es gab beides, gute und schlechte Reaktionen. Einige Reviews waren exzellent, andere Journalisten wiederum fanden einfach den Zugang zu dem Album nicht. Es war ihnen wohl zu psychotisch, haha. Wir haben halt so viele verschiedene Einflüsse, und diese Stilvielfalt ist irgendwo auch das Markenzeichen der Band. Es kann natürlich schon passieren, dass die Leute Probleme damit haben, unsere Musik nachzuvollziehen. Ein Song ist sehr progressiv, der nächste doomig und ein anderer eher wieder punkig. Das könnte verwirrend wirken. Wir machen einfach das, womit wir uns wohl fühlen, und wenn es funktioniert, sind wir glücklich damit.

Das ist mir sofort aufgefallen, als ich mir das erste Mal das Album angehört habe. Ihr habt kein Konzept, Ihr habt keinen Stil und Ihr habt keine Richtung, und genau auf das scheint Ihr auch stolz zu sein.

Simon: Warum auch nicht, haha. Nun gut, da ist die Sache mit den cleanen Vocals von Kristian, einem sehr melodischer Sänger. Den melodischen Stil wollten wir auch beibehalten, aber gleichzeitig hielten wir ihn auch dazu an, ein bisschen öfters aggressiver zu singen oder zu schreien, um der Musik ein breiteres Gesamtbild zu geben. Und genau um das geht es bei Fifth Reason auch. Alles zusammenzutragen, was uns gefällt, um daraus ein Album zu machen.

Fifth Reason besteht aus Mitgliedern verschiedener Bands wie Memento Mory, Hexenhaus, Tad Morose usw. Was für ein Status hat Fifth Reason für Euch? Ist es lediglich ein Projekt, eine Möglichkeit, etwas zu machen, was Ihr in Euren Hauptbands sonst nicht machen könnt?

Simon: Nein, denn alle Mitglieder stecken viel Energie hinein, und ab dem Moment, wo wir mit Fifth Reason arbeiten, hat diese Band auch die entsprechende Priorität. Das ist nicht nur eine Fun-Band. Wir mögen uns untereinander sehr, und deshalb wollen wir auch etwas zusammen machen. Klar, Memory Garden ist meine Hauptband und geniesst erste Priorität, aber keine unserer Hauptbands ist wahnsinnig gross im Geschäft. Solange Du gut planst, klappt das ohne Probleme.

Dann würdest Du also nicht sagen, dass die zahlreichen Sideprojects, welche von den Musikern heutzutage betrieben werden, die Qualität der Hauptband-Alben reduzieren?

Simon: Nein, das würde ich nicht sagen. Nimm beispielsweise Marty, der sonst bei Memento Mory und Hexenhaus spielt, wo er nicht übermässig viel zur Musik beitragen kann sondern eher einfach nur ein Musiker ist. Ich glaube also nicht, dass er durch Fifth Reason dieser Band Kreativität entzieht. Ich meinerseits schreibe sehr viel Musik für Fifth Reason und Memory Garden, aber die beiden Stile sind sehr weit voneinander entfernt. Also denke ich nicht, dass ich der einen Band Ideen stehle, während ich mit der anderen arbeite.

Martin Larsson, der Drummer, hat Euch verlassen und ist zu einer Popband gegangen. Da habt Ihr aber einen schlechten Einfluss auf ihn ausgeübt.

Simon: Nun ja, ich weiss nicht, ob es wirklich eine Popband ist, eher Punk. Das Problem für Martin war, dass wir als Fifth Reason nicht besonders viel proben, eigentlich nur ein paar Mal vor Studioaufnahmen oder Shows. Damit hat Martin sich nicht wohlgefühlt. Er wollte andauernd proben, aber wir anderen haben gar nicht die Zeit dazu. Darum hat er sich entschieden, in Zukunft bei einer anderen Band mitzumachen.

Du hast gesagt, dass Fifth Reason nicht nur ein Projekt sei, und dennoch hat es beinahe 4 Jahre gedauert, bis ihr ein zweites Album herausgebracht habt.

Simon: Es hätte eigentlich anders laufen sollen. 1997 haben wir das erste Album Psychotic beim Label Heathendoom aufgenommen und veröffentlicht. Aber Heathendoom ist nur ein kleines Label ohne viel Geld, und dadurch konnten wir nicht mal auf Tour gehen. Daher entschlossen wir uns, von Heathendoom wegzugehen, um zu einem grösseren Label zu wechseln, was schlussendlich gar nicht so einfach war, wie wir uns das vorgestellt hatten. Da wir nicht den Vertrag angeboten bekommen haben, den wir uns erwünscht hatten, verloren wir selbst auch ein wenig an Energie, und darum hat das alles so lange gedauert. Aber mit Scarlet haben wir ein sehr gutes Label gefunden, und ich denke, wir werden das kommende Album bereits Ende dieses Jahres oder zu Beginn des nächsten Jahres veröffentlichen.

Inwiefern hat sich Eure Musik in diesen 4 Jahren verändert? Stark?

Simon: Nein, denn es ist ja immerhin noch die gleiche Band. Ich persönlich denke, dass Within Or Without teilweise etwas härter, progressiver und aggressiver als Psychotic ausgefallen ist.

Wie bringt Ihr alle Vorstellungen sämtlicher Bandmitglieder beim Songwriting unter einen Hut? Hört sich Within Or Without aus diesem Grund so vielfältig an? Weil jeder ein Stück pro Song schreibt?

Simon: Ich schreibe etwa 70 Prozent der Musik. Einige Lyrics sind von den anderen Bandmitgliedern beigesteuert worden, und von Marco Nicosia, unserem anderen Gitarristen, stammen 2 Songs. Bei 2 oder 3 anderen hat er mitgearbeitet. Es schreiben somit nicht alle Beteiligten an der Musik zu Fifth Reason mit, aber wir arrangieren die Songs dann zusammen, wenn wir proben. Dadurch kann jeder seinen Input einbringen. Aber schlussendlich ist es doch oft so, dass sich mein Dickkopf durchsetzt.

Bist Du denn ein schwieriger "Bandleader"?

Simon: Nein, absolut nicht. Wir haben auch niemals beschlossen, dass ich die meisten Songs für die Band schreiben würde. Ich präsentiere den anderen Mitgliedern meine Ideen, und es ist jedem freigestellt, ebenfalls Songs für die Band zu schreiben. So arbeiten wir eben, und wenn jemand anderes von uns 5 Songs für das nächste Album beisteuert, dann ist das genauso in Ordnung für mich.

Gibt es einen Punkt, an dem Ihr sagen würdet, okay, wir benutzen viele verschiedene Stilrichungen, aber weiter als bis hierher gehen wir nicht?

Simon: Nun ja, Fifth Reason ist eine Metalband. Also müssen die Songs in irgendeiner Form immer nach Metal klingen. Ausserdem sollten alle in der Band einen Zugang dazu haben.

Kannst Du Dich noch daran erinnern, warum und wie Ihr Fifth Reason gegründet habt?

Simon: Ich bin eigentlich im Norden von Schweden geboren. 1992, nachdem ich die Schule abgeschlossen hatte, bin ich nach Stockholm gegangen, weil einige Freunde von mir bereits dorthin umgezogen waren. Mike, einer meiner Freunde, stellte mich einem Gitarristen namens Niklas vor, den ich als Person und Musiker sehr zu schätzen lernte. Zusammen haben wir Fifth Reason ins Leben gerufen. Wir nahmen 1993 ein 3 Song Demo auf, damals noch mit dem Sänger von Hexenhaus. Das Demo verschickten wir dann an verschiedene Labels. Obwohl wir einige sehr gute Reaktionen darauf bekamen, entschloss ich mich, Fifth Reason erst mal auf Eis zu legen, da ich gleichzeitig bei Abstrakt Algebra angefangen hatte und mich darauf konzentrieren wollte.

Ihr habt dermassen viele Bands in Schweden, dass man denken könnte, in Eurem Land würden ausschliesslich Musiker leben. Gibt es denn keine Leute, die normale Jobs haben? Bänker, Polizisten oder Elchjäger beispielsweise?

Simon: Haha. Ich gebe Dir recht. Hier hat es unglaublich viele Bands, und sie sind zudem auch noch gut. Ich glaube langsam selbst, dass jeder hier in Schweden Musik macht. Wir haben halt diese öffentlichen Musikschulen, die wir für einen kleinen, finanziellen Beitrag besuchen können. Es gibt auch unzählige Proberäume und Möglichkeiten, sich Instrumente auszuleihen, wenn man noch ein Anfänger ist. Ich denke, das sind die Gründe, warum wir so viele Musiker hier haben. Die jungen Leute sehen eben auch, dass es eine Menge Bands geschafft haben, was sie natürlich motiviert und inspiriert, selbst etwas auf die Beine zu stellen.