Black- und Death Metal Fans haben ergänzend zu ihrer Leidenschaft zur Musik oft eine Vorliebe für andere bizarre Kulturformen. Allem voran steht wohl die oft geteilte Vorliebe für Splatterfilme... Black- und Death Metal Fans haben ergänzend zu ihrer Leidenschaft zur Musik oft eine Vorliebe für andere bizarre Kulturformen. Allem voran steht wohl die oft geteilte Vorliebe für Splatterfilme. Dass diese beiden Ausdrucksweisen von extremen Fantasien bisher sehr selten an einem Anlass vereint wurden, muss auf ein Mangel an kreativen und szenenübergreifend denkenden Veranstaltern zurückzuführen sein. Ein Abend wie der Freitag der 13. Dezember im Winterthurer Gaswerk könnte in diesem Bereich jedoch einiges wachrütteln, denn Veranstalter und ihre zahlreichen Helfer liessen sich sehr vieles für diesen Anlass einfallen. So wurden zwischen den vier live Bands aus den Genres Black- und Death Metal (Unlight, Mynedarion, Censored und Agathodaimon) für die Bluthungrigen verschiedene Kurzfilme vom low budged guerilla film Produzenten nuckleduster.com gezeigt. Fast pünktlich zur Geisterstunde sagten dann die beiden Hauptdarsteller Oswald Henke (Sänger von Goethes Erben) und Pepe Föiyeah das Filmhighlight des Abends an: Die Filmpremiere der neusten nuckleduster.com Produktion „Debilitas“. Danach liess man den gelungen Abend mit theatralischen Aufführungen ausklingen.

Doch alles der Reihe nach: Geplant war der Beginn um 19:00. Um diese Zeit war das Gaswerk noch fast menschenleer. Nur ein paar wenige stöberten bei den drei Verkaufsständen von Raxasa (Knochenschmuck), Gmork (Objekte aus Industrieschrott) und Evil Pieces (menschliche Körperteile) herum oder wagten sich an ihr erstes Bier. Durch die wenigen Leute liessen sich die Veranstalter aber nicht beirren, es war ja noch früh. Trotzdem ging die erste Band verspätet an ihr Werk.

Unlight hatten als Opener einen schweren Stand, einerseits, weil erst etwa fünf Duzend Leute den Weg ins Gaswerk gefunden hatten und zweitens, weil sie mit ihrem extremen Black Metal nicht gerade massentauglichen Sound machen. Für mich gibt es jedoch seit jenem Freitag einen neuen Thronhalter im schweizerischen extrem Black Metal. Nach der Hälfte des ersten Songs „The Nordic Stormbringer“ waren schon erste Kopfnicker im Publikum zu erkennen, doch dies sollte sich im Verlauf des Gigs noch steigern, nicht zu letzt Dank einer technisch soliden Leistung der Musiker und der Keyboarderin, denn bis auf wenige Ausrutscher hielt man sich trotz der Tempovariationen einigermassen an den präzise vorgetrommelten Takt. Und wenn es dann mal Fehler gab, bemerkte es eh keiner, denn mindestens die Augen aller männlichen Anwesenden waren auf die hübsche Keyboarderin gerichtet, was wohl die weiteren Sinneswahrnehmungen beeinträchtigte. Schade war nur, dass die Bandmitglieder nur Ansatzweise aus sich herauskamen und sich nur wenig bewegten, was sich bei den teilweise recht langen Songs positiv auf die Abwechslung ausgewirkt hätte. Mit dem letzten Song „Nordic heart“ wurde der nordische Kreislauf schliesslich geschlossen und die Bühne für den ersten Film geräumt.

Nun war „Kaffeeplausch“ angesagt - nicht etwa im Backstagebereich, sondern auf der Grossleinwand. Die Beiden netten Ladies, die sich die Rollen dieses Kurzfilms teilen, schwören zu Beginn beim Kaffeeplausch noch auf Frauenpower und weiblichen Zusammenhalt. Dass dies mit dem Vorwissen, dass es sich um einen Splatterfilm handelt nicht die letzten Worte dieser Ladies sein können, war klar. Die Frage war eigentlich nur noch, welche der beiden am Schluss zermürbt wird oder welches Motiv dahinter steckt beziehungsweise, ob es überhaupt ein Motiv gibt. Das Motiv des Gemetzels, das die beiden Frauen schliesslich an ihren Körpern veranstalten, war ein Telefonanruf eines Mannes, welcher die weibliche Glückseeligkeit aus dem Gleichgewicht brachte. Insgesamt sind vor allem die Splattereffekte des Films als geglückt zu beschreiben - schade ist nur, dass etwas wenig Liquor aus dem zermatschen Schädel der einen Lady fliesst. Die Schauspieler spielen jedoch (bewusst?) grottenschlecht spielen und die Szene wirkt völlig überkünstlich, was wohl aber wiederum Absicht ist.

Nun war wieder Livemusik angesagt: Die Black- Death- und Folkmetaller Mynedarion traten erstmals ohne Querflöte auf, dafür kam der Dudelsack im Intro wieder einmal zum Einsatz. Für die meisten Zuschauer, die die Band noch nie gesehen hatten, war es schwierig, sich in die doch recht komplexen Riffs von Mynedarion einzufühlen und diejenigen, die Mynedarion schon kannten, mussten sich zunächst umgewöhnen, dass keine Flöte mehr pfeift. Als sich die Band nach dem ersten Song noch einmal mit dem Mixer abgesprochen hatte, wurde der Sound besser, was sich aber im Publikum noch nicht sehr effektiv zeigte. Aber mit seinen emotionalen und wilden Bewegungen konnte Mynedarions Sänger das Publikum dann doch noch mitreissen. Die Halle füllte sich langsam immer mehr, mittlerweile waren bestimmt schon 300 Leute da!

Nach einem weiteren Kurzfilm gaben sich die Death Metaller von Censored die Ehre. Mit ihren direkten Riffs und den herrlichen Drums hatten sich Censored, wie es sich mittlerweile fast schon gehört, in die Herzen des Publikums gespielt. Die Gesichter der Leute in den ersten fünf Reihen waren kaum mehr zu sehen – es war ein richtiges Haarmeer entstanden! Neben den bekannten Vollgas-Passagen ergänzt durch bleischwere Mitbangpassagen begeisterten Censored auch mit dem neuen Song „Insanity“. Auch wer Censored schon zig male gesehen hat muss diesen Gig, auch wegen der passenden Location, als herausragend klassifizieren!

Dann folgte wieder ein „Kurzfilm“. Es handelte sich dabei jedoch eher um eine Diashow, in der blutverschmierte Barbiepuppen gezeigt wurden. Über den philosophischen Gehalt dieses Films kann hier auch nichts geschrieben werden – möglicherweise, weil dieser nicht existiert. Da waren die meisten froh, dass der Film sehr kurz war und man ja nicht hinschauen musste. Viele verpassten daher aber die gleich darauf folgende Live-Performance von Iris La Liner. Allerdings war es ein sehr gewöhnungsbedürftiger Auftritt der Zürcherin. Schauspielerisch überzeugte Iris völlig, man sah ihre gespielten Emotionen an jedem Glied. was sie aufführte, war ein Spektrum aller Urtriebe und natürlich auch diejenigen, die sonst nicht gezeigt werden. Irgendwie seltsam, dass sie Angst hatte, Blut zu trinken, es dafür genoss, ihre Fäkalien zu essen und das Kissen zu penetrieren...

Den musikalischen Höhepunkt des Abends bildeten Agathodaimon. Mit einer soliden Setlist aus älteren Songs („Banner of Blasphemy“, „Tristetea vehementea“) und neueren Liedern wie „Past Shadows“ wäre eigentlich eine gute Grundlage für einen perfekten Gig gegeben gewesen. Ganz so perfekt lief es dann nicht ab, denn viele Unterbrüche und die defekte Beleuchtung verhinderten ein aktiveres Publikum. Schade war auch, dass die Keyboards nicht live gespielt wurden. Die Kunstbluteinlagen, Feuerspeihen und die technisch ansprechenden Leistungen der Jungs verhalfen der Stimmung dann doch noch etwas auf die Sprünge. Einige eingefleischte Fans bangten sich sogar vollständig in Ekstase.

Nach dem musikalischen Höhepunkt sollte nun auch während 25 Minuten der Filmhöhepunkt gezeigt werden: Die Filmpremiere von „Debilitas“. Kurz zusammengefasst geht es bei „Debilitas“ um die Entscheidung zwischen Wahrheit und Lüge. Filmtechnisch zeigen sich nuckleduster.com vor allem wegen genialer Lichteffekte von ihrer besten Seite. Wer hier aber viel Splatter und Gore erwartete, wurde enttäuscht. Der Film regt eher zum Nachdenken an. Und die Moral der Geschicht: Der Mensch erträgt die Wahrheit nicht?

Leider verhinderten die fehlende Sitzgelegenheit und die etwas schlechte Soundqualität, dass sich mehr Leute um den tieferen Sinn des Filmes kümmerten und einigen war der Zugang zu tieferen Sinnen auf Grund des fortgestrittenen Alkoholkonsums (oder war es eher Türkischer Snüss?) sowieso schon verwehrt.

Mit einer politisch motivierten und sachlich nicht ganz sauberen, aufhetzenden Show namens Pig Brother wurde dem Abend ein Schlusspunkt gesetzt, der bei einigen einen etwas bitteren Nachgeschmack hinterliess.

Insgesamt wird der Freitag der 13. vielen als gelungener Abend mit zahlreichen Erlebnissen und abwechslungsreichen Ereignissen in Erinnerung bleiben und dies mindestens bis zum nächsten Freitag den Dreizehnten, der im Juni des nächsten Jahres ist... laut Gerüchten wird sich dann möglicherweise das Gaswerk wiederum in eine Splatterhalle verwandeln!