Der wohl absolut deplazierteste Satz, den man über diese Band verlieren könnte, wäre wahrscheinlich: "Ich mag Eisregen". Totaler Schmu. Entweder man liebt oder man hasst sie, denn seit diese Thüringer mit ihrem Debut Zerfall (1998) erstmals "ernsthaft" in Erscheinung traten, polarisieren und provozieren sie "dem Teufel ein Ohr ab", wie man bei uns so schön sagt. Scharlachrotes Kleid (Krebskolonie, 1998) oder auch ... und sie blutete nur einen Sommer lang (Leichenlager, 2000) sind beispielsweise zwei "Klassiker" der Micha Roth'schen (Texter, Sänger) "Sex und Gewalt"-Abteilung, und mit dem Opener, meine tote russische Freundin, schlägt das Eisregen-Aushängeschild wieder einmal voll in die von ihm so geliebte Kerbe ...

... und als Anhänger dieser Formation wird man genau mit diesem Eröffnungstrack den optimalen Einstieg in Farbenfinsternis finden. Dabei fällt einem sofort auf, dass die Deutschen stark an der Produktion gearbeitet haben, und somit krachen und knallen Eisregen erstmals so richtig aus den Boxen.

Jedenfalls scheint Micha Roth in diesem fiktiven Songtext seine Frau zu betrügen, indem er seine russische Freundin in einer geheimen Wohnung trifft, sie während dem Liebesakt tötet und verstümmelt, um sie anschliessend wieder "herzurichten" und in eben dieser Wohnung zu lassen, in welcher er sie ab und zu besuchen kann. Äh ... strange. Mit Deutschland In Flammen tun Eisregen auch dieses Mal ihren Teil dazu, um von ihren Gegnern verbal mächtig die Fresse poliert zu bekommen. Geht's hier um einen normalen Brandstifter? Oder gar um einen dieser wirren Glatzköpfe, die im Namen des Vaterlandes Asylantenheime anstecken? Oder handelt es sich hierbei um einen nationalistischen Fanatiker, der für die Rettung seines Staates nur noch eine Lösung sieht, nämlich den Untergang im Flammenmeer? Nun ja, einfache Antworten und Stellungnahmen gibt's bei Eisregen-Songs eben nicht. Ach ja, übrigens ... Eisregen als "rechte Band" abzutun, wird immer wieder mal gerne versucht. Wer die Geschichte der Band allerdings ein bisschen verfolgt hat, weiss, dass das Unsinn ist. Nur - mit solchen Texten machen es sich die Thüringer halt auch nicht leichter.

Eisregen wirken auf Farbenfinsternis, vielleicht auch aufgrund der knackigeren Produktion, aggressiver und heavier denn je, wobei auch auf diesem Album Theresa mit ihrem "steril wirkenden Violinenspiel" den einzelnen Tracks einen etwas bizarren Touch verleiht. Gewisse Titel haben einen klaren Black Metal Einschlag, aber schlussendlich kann man die Thüringer auch mit Farbenfinsternis nicht in diese Ecke drängen, was ja in der Vergangenheit komischerweise immer wieder versucht worden war. Eisregenmusik ist in erster Linie einfach Metalmusik quer durch's harte Genre, und die Art und Weise, wie die Deutschen diese Stilrichtung für sich selbst interpretieren, verpasst ihnen eine ziemlich starke Eigenständigkeit, was wohl niemand absprechen kann oder will.

Übrigens scheint Micha Roth gar nicht so krank oder pervers zu sein, wie man ihn vielleicht aufgrund seiner Arbeit bei Eisregen einschätzen könnte. Das entsprechende Interview bei the renewal könnte hier ein bisschen aufklären.

Fazit: Eisregen Fans werden dieses Album lieben. Zu den üblichen Trademarks der Band gibt's zusätzlich noch eine ansprechende Produktion und tolle Songs mit dazu. Daumen ganz weit nach oben! Persönliche Faves: Meine tote russische Freundin, Dreizehn, Dein Blut (irgendwie höllisch brutal), Vorboten und Ein Jahr im Leben des Todes.

Albuminfo

Punkte

 

0/5

Label

Last Episode

Veröffentlichung

12/2001

Format

CD

Land

Genre

Black Metal