Unterhalten wir uns einmal über Stücke, die die 10-Minutengrenze überschreiten, beziehungsweise weit darüber hinausschiessen. Ein solches Ding würde ohne Unterbrechungen und Interludien zweifellos zu einem nervtötenden Monster, einem endlosen Sumpf Einheitsbrühe. Man kann sich dann die Frage stellen, wieso man verschiedene, hoffentlich unterschiedliche Teile, in ein Lied verpacken soll und ihnen stattdessen nicht eine eigenständige Identität gibt. Bei "Kadavreski" ist die Antwort denkbar einfach: Weil es so vorgesehen war.

Die französischen Anthemon haben sich die Mühe für ihr "Cadavre Exquis" (nein, "Kadavreski" gehört keiner Sprache an, nicht einmal dem Finnischen) im wahrsten Sinne des Wortes geteilt. Jedes Mitglied komponierte einige Minuten, von der letzten Minute der vorhergehenden Passage ausgehend. Daraus entstand ein Brocken von 23 Minuten Länge, gespickt mit allem, was man von Gothic und Doom Metal erwarten kann, ausser Frauengesang! Der Klargesang wird durchwegs vom männlichen Geschlecht dargeboten. Er schafft es, ohne lächerliche Theatralik auszukommen, stattdessen wagt man sich an eigenständige, teils zweistimmige Melodien, die durchaus nicht so leicht ins Ohr gehen. Chromatische Veränderungen und häufige Modulation der Musik sorgen dafür, dass schmerzerfüllte, lang ausgehaltene Töne ihre Wirkung richtig entfalten. Die mehr im Gothic anzusiedelnden Passagen bringen dann mit leicht verdaulichen Harmonien und Melodien wieder festen Boden unter die Füsse. Mit anziehendem Tempo und verstärktem Einsatz des Schlagzeugs werden Zwischenhöhepunkte eingeleitet, die Atmosphäre wird dichter und das Harz am Plektron des Gittaristen scheint sich zu lösen. Schon folgt aber der nächste schleppende Aufstieg zu einem verhüllten Gipfel.

Nachdem die Musik sich zum wiederholten Male neu ausgerichtet hat, aber ein erneuter Blick auf die Digitalanzeige immer noch das Abspielen von Titel 01 bestätigt, nimmt man den Wechsel zu den nächsten Stücken gar nicht mehr wahr. Ein deutlicher Bruch vollzieht schliesslich der majestätisch-dunkle Eingang zu "Weight of the Feather", wo durch die orchestrale Begleitung schlachthungriger Gitarren ein kurzes Hochgefühl aufsteigt. Doch schon bald betritt Sänger Loïc das Feld und führt mit seiner charakteristischen Stimme, die mir immer weniger gefällt, das Geschehen auf Vorangegangenes zurück.

Bei Anthemon ist der Weg das Ziel, nur sollte dann das Wandeln wenigstens Spass machen. Die Musik ist viel zu komplex und anspruchsvoll, um von entspanntem Zuhören reden zu können. Sogar leise im Dunklen fordert das Geschehen Aufmerksamkeit, verklebt sich in den Gedanken, lässt einen nicht ruhen. Die Botschaft aber ist unklar, und alles Wühlen führt zu – nichts.

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

Manitou Music

Veröffentlichung

7/2006

Format

CD

Land

Genre

Dark Metal