Blutmond aus der Schweiz stellen unter anderem unter Beweis, dass die Urbanisierung ein zumindest europaweites Phänomen ist, dass das Individuum nicht unberührt lässt. Okay, vielleicht etwas hochgestochen, aber zumindest stellen sie unter Beweis, dass man auch in der Schweiz diese Problematik musikalisch zu verarbeiten weiss.

Die Thematisierung des Grossstadt- und Wohlfahrtsstaatlebens ist in der Musik nichts Neues, aber es ist zu beobachten dass sich die musikalischen Ejakulation mit dem faden Geschmack des Einflusses durch Beton, Ampeln und Konsumgier in den letzten Jahren rasant multiplizierten. Heretoir, Líam, Fäulnis, Amesoeurs - die Zahl der Vertreter dieses ideologischen Genres nimmt zu. Blutmond gesellen sich hinzu, beschreiten aber klanglich einen komplexeren Weg als ausschliesslich den des Post-Rock oder Black Metal.

Vorhang auf.

Was auf "Thirteen Urban Ways 4 Groovy Bohemian Days" alles geboten wird, ist schwer zusammenzufassen. Zum einen sind da natürlich die Lyrics. Die erinnern inhaltlich stark an Werke von Charles Bukowski und ähnlich verhalten sich dann auch die im Studio E (Markus Stock) aufgenommenen Stücke auf der Scheibe, in welche jene Texte eingewoben wurden. Blutmond fahren weniger eine melancholische und depressive Schiene, sondern bedienen sich eher einer Art Galgenhumor á la Lifelover. Die drei Herren hängen ihren Hut demnach zwar an die Stange der Resignation, meiden es aber trotzdem noch, ihr Müsli gleich mit Rasierklingen zu spicken.

Man bedient sich musikalisch aus dem Pool zahlreicher Genres. In "Working Poor..." begeistert mich der dezente Einsatz einer jazzigen Rockgitarre, "Rebellion" ist ein kräftiges Bluesrock-Instrumentalstück, "Friday - Trapped In Mental Disorder" vollführt unter anderem mittels Einsatz eines Saxophons den Spagat zwischen seichtem Rock und modernem Black Metal. Nicht nur in "CRY.sys" (was übrigens zu den hörenswertesten Stücken hier gehört) bieten elektronische Elemente, die entfernt an Nu Metal der Marke Static-X erinnern, zum Frohlocken an. "Metro Aesthetix" beginnt mit einem Dialog, den jeder kennt; die Begegnung mit einem Wollen-Sie-die-Welt-retten-unterschreiben-Sie-hier-und-hier-Typen in der Fussgängerzone. "Dance N' Society" stellt sich schliesslich als klassischer, auf einem geilen Riff aufbauender Death / Black Metal Klopper heraus, der das Vorangegangene nochmal ordentlich aufpeppt (wohlgemerkt neben ähnlichen Songs - "Good Morning World"; "You VS The Modern...").

Die 13 urbanen Wege wissen zu begeistern. Die Scheibe ist ein Muss für Sympathisanten von Fäulnis, Agrypnie, Traumatic Voyage oder Thränenkind. Ein schaurig schönes Dossier zur Blasiertheit des Grossstadtmenschen; über die Geheimnisse hinter den Holzverkleidungen an Betonwänden, der alltägliche Wahnsinn in den dunklen und hellen Gassen der verweltlichten Stadt. Verpackt in ein Gewand aus groovigem Schwarzmetall und modernem Thrash. "Thirteen Urban Ways 4 Groovy Bohemian Days" verliert nach dem 6. Durchlauf noch nicht an Charme und wird sich auch weiterhin in meinem Spieler drehen.

Vorhang zu? Vorerst.

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

Eigenproduktion

Veröffentlichung

3/2010

Format

CD

Land

Genre

Death Metal