Wahrscheinlich würde sich heutzutage nicht einmal mehr ein Prozent der neu formierten Truppen überhaupt daran wagen, derart verzwickte und progressive Klangorgien zu fabrizieren, wie dies Over Your Threshold quasi im Vorbeigehen zelebriert. Das hat genau zwei Gründe. Erstens braucht es Mut, nicht einfach nur geradlinige Kompositionen ohne Charme zu inszenieren. Und zweitens fehlt den meisten Truppen ganz einfach das technische Können. Over Your Threshold fehlt diese Kompetenz definitiv nicht.

Die jazzige Mischung aus melodieträchtigem Todesstahl und verzwicktem Dreschmetall überzeugt auf ganzer Linie. Der Hauptgrund liegt bei den Münchnern offenhörig darin, dass sie nicht aus technischer Profilierungssucht möglichst komplexe Anachronismen erzwingen, sondern mit viel Spielwitz und beeindruckender kompositorischer Intelligenz für eine freudebringende Artillerieschlacht sorgen. Dabei sind die verschiedenen Stücke dergestalt abwechslungsreich, dass der Spannungsbogen bis zum Anschlag aufgezogen bleibt. Zwischen verträumten Soli mit akustischen Inspirationen in "Facticity" und pfeifenden Haken mit einem Hochgeschwindigkeitsdreschgewitter in "Cortical Blindness" jagt der Fünfer sowohl nach Geschwindigkeitsrekorden als auch nach Ohrwurmmedaillen und einer kleinen Portion Hymnenbestzeiten. Hochkomplexe neuere Kompositionen wie "Contextual Fluctuating" geben direkteren Einspielungen wie "Self Exhibition" die Klinke in die Hand und sorgen für Kontraktion und Entspannung im richtigen Moment, so dass sich die Scheibe auch ohne Überanstrengung in einem Wurf durchhören lässt. Jazz soll schlicht kein Selbstzweck sein, sondern der höheren Gewalt des Metal folgen!

Nach der EP "Progress In Disbelief" hat sich Metal Blade den Deutschen angenommen. Hoch anzurechnen sind Metal Blade dabei zweierlei Denkweisen: Erstens gibt das Label wieder einmal einem unbeschriebenen Blatt eine grosse Chance. Zweitens malträtiert Over Your Threshold seine Instrumente in einem Bereich, der jenseits von Metalpop und modernistischen Exzessen agiert, so dass ein Deal nicht unbedingt auf der Hand liegt. Trotzdem hat der Trupp die Förderung mehr als verdient, denn solch ein Jazzgewitter verdient nur ein ordentliches Klanggewand, einwandfreies Mastering und gekonntes Marketing.

Over Your Threshold hat mit "Facticity" eine hochrespektable Fusionsgranate aus Death, Thrash und Progressive Metal geschaffen, welche die Hoffnung auf einen neuen progressiv-Trend im guten Sinne hoffen lässt!

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

Metal Blade

Veröffentlichung

8/2012

Format

CD

Land

Genre

Death Metal