Wer in Jeremias Gotthelfs «die schwarze Spinne» immer mehr als blosse Schul-Pflichtlektüre gesehen hat, darf sich freuen. Denn die Luzerner Black Metaller Totenheer widmen ihr zweites Full-Length-Album dem Inhalt und insbesondere der bedrängenden Stimmung dieser literaturgewaltigen Novelle: In den 14 Songs riecht es gehörig nach Teufel – wuchtig, mit einem von Fäulnis triefenden Groove, dissonant. Der schweizerische Einschlag in der Aussprache der hochdeutschen Texte polarisiert; einerseits für Sprachpuristen ein No-Go, andererseits zugunsten des Vorhabens absolut stilprägend – gerade durch den Gesang wird das ‘Urchige’, das Totenheer auf ihrem Werk gekonnt zu vertonen wissen, noch rotziger, noch verdorbener.

Gestolpert ist man lediglich über eine scheinbare Überinspiration; mit einer epochalen Gesamtlänge von 1h 13 min. läuft die Scheibe Gefahr, sich zu wiederholen und in Geplänkel abzudriften. Hier hätte man durchaus kürzen und sich auf Highlights wie «Die Verwandlung» oder «Komthurs letzter Ritt» konzentrieren dürfen. Die einzelnen Songs zeugen in ihrer Struktur aber von absolut gekonntem Songwriting. Besonders schön sind auch originelle Einschübe wie das Hackbrett im «Einklang», das eine ungewohnt bluesige Melodie wiedergibt, oder ein verhext anmutendes (reverse-abgespieltes?) Clean-Riff in «Verbannung». Der christlich-moralische Gehalt von Gotthelfs Werk wird zudem auf feine Weise parodiert, indem zB. in «Martyrium» im Echo bedeutungsvoll widerhallt: «Dann starb sie [die Märtyrerin] auch den gleichen Tod wie alle».

In diesem Werk steckt viel Herzblut, viel Überlegung, scheinbar auch viel literarisches Verständnis von Gotthelfs Novelle. Damit ist Totenheers «Die Schwarze Spinne» nicht etwa bloss fern durch Gotthelfs Werk inspiriert, sondern eine kunstvolle und gekonnte Auseinandersetzung mit diesem.

 

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

 

Not On Label

Veröffentlichung

 

1/2020

Format

 

CD

Land

 

Switzerland

Genre

 

Black Metal