Ein tiefgreifendes Interview in Buchform?

„Beichten eines Ketzers“ ist ein Buch, das viel verspricht – und in weiten Teilen tatsächlich liefert –, aber nicht ohne deutliche Schwächen auskommt. Der auf Interviews basierende Ansatz gewährt einen ungewöhnlich direkten Zugang zu Adam Nergal Darski, doch die Methode bringt zugleich strukturelle Stolpersteine mit sich, die man nicht ignorieren kann.

Der größte Wert des Buches liegt zweifellos in der Offenheit, mit der Nergal über zentrale Stationen seines Lebens spricht: seine Kindheit im katholisch geprägten Polen, die ersten Schritte im Untergrund-Metal, sein intellektueller Umgang mit Religion, seine mediale Doppelrolle als Extrem-Metal-Protagonist und TV-Gesicht, vor allem aber der Kampf gegen die Leukämie. Diese Passagen wirken glaubwürdig, berührend und sind für Leserinnen und Leser, die den Menschen hinter Behemoth verstehen wollen, ohne Frage bereichernd.

Problematisch wird es jedoch dort, wo das Buch seine eigene Neugier nicht mehr bändigen kann. Die Autoren überstrapazieren das Format, wenn sie das Gespräch in Richtung seichter Sensationslust drängen. Ausgiebige Ausflüge in Nergals Privatleben – detaillierte Erzählungen über Affären, Erlebnisse in Thailand oder die Eskapaden seines Bruders – wirken nicht selten wie Anekdoten aus einem Musikboulevard-Magazin. Für ein Werk, das sich als intellektuelle Annäherung an eine polarisierende Figur versteht, sind diese Passagen eher Ballast als Erkenntnisgewinn.

Noch schwerer fällt ins Gewicht, wie oft die Interviewer mit suggestiven Fragen operieren. Die wiederkehrenden Versuche, Nergal politische Extreme anzudichten – bis hin zu plumpen Fragen über Antisemitismus, Rassismus oder Hitler-Verehrung –, wirken weder journalistisch sauber noch notwendig. Dass Nergal souverän und mit spürbarer Genervtheit darauf reagiert, rettet diese Momente nur teilweise; der fahle Beigeschmack bleibt.

Stilistisch ist „Beichten eines Ketzers“ hingegen stimmig. Der übertragene Gesprächsfluss liest sich flüssig, ist gut übersetzt und macht viele Kapitel überraschend unterhaltsam. Gleichzeitig zeigt sich jedoch die Kehrseite eines so offenen Formats: Wo keine klare Dramaturgie vorgegeben ist, wirken manche Kapitel langatmig, andere wiederum oberflächlich angerissen. Die Tiefe variiert stark – und das macht das Buch zu einem Erlebnis mit unerwarteten Höhen und ebenso unerwarteten Löchern.

So polarisiert das Werk letztlich auf fast dieselbe Weise wie sein Protagonist. Es ist mal schlau, mal banal; mal menschlich nahbar, mal unnötig voyeuristisch; mal präzise beobachtet, mal redselig und ausufernd. Wer Nergal ohnehin für einen spannenden Charakter hält, wird seine Freude daran haben. Wer sich jedoch eine stringente, analytisch fundierte Biographie erhofft, dürfte von der starken Abhängigkeit vom Interviewduktus enttäuscht sein.

„Beichten eines Ketzers“ ist damit ein zweischneidiges Schwert: unterhaltsam, offen, mitunter überraschend erhellend – aber nicht immer so fokussiert, wie man es von einer Biographie über eine der prägendsten Figuren des modernen Extreme Metal erwarten könnte.