Wusstet Ihr eigentlich, dass Godflesh Vokalist/Gitarrist Justin Broadrick kurzfristig für Napalm Death an der Gitarre stand, nämlich zu den Zeiten, als die Band gerade ihr erstes Demo namens "Hatred Surge" (1985) aufnahm und einen Drummer hatte, der gemeinhin als "Ratte" bekannt war? Es gab auch später noch einige Berührungspunkte mit Napalm Death, aber viel wichtiger ist es wohl, dass Justin gleichzeitig einer Band namens Fall Of Because angehörte (als Schlagzeuger), die er zwischendurch mal verliess, um sich später wieder dort einzuklinken. Beim Fall Of Because verbliebenen, letzten Mitglied Ben C. Green angekommen, beschloss man gemeinsam, sich einen Drumcomputer zuzulegen, Justin die Gitarre in die Hand zu drücken und die Band in Godflesh umzutaufen. Das full-lenght Debut kam 1989 heraus und nannte sich "Streetcleaner". Seitdem ist viel passiert ...

... der Drumcomputer beispielsweise wurde mittlerweile verschrottet. Seither schwingt ein gewisser Ted Parsons, der einigen von Euch vielleicht noch als Mitglied der Kultband Prong in Erinnerung sein könnte, die Schlaghölzchen. Aber auch stilistisch hat sich bei Godflesh etwas verändert, und so könnte man mutmassen, dass die kürzlich erschienene "In All Languages" Best Of Compilation (natürlich gibt es auch eine DVD dazu) dazu dienen soll, mit einigen alten Gewohnheiten abzuschliessen. "Hymns", das aktuelle Album also, klingt zwar immer noch staubtrocken und unpersönlich kühl, verzichtet aber weitgehend auf Industrialeffekte oder Hip Hop Gedönse. Vielmehr präsentieren uns die Briten auf ihrer neuen CD hauptsächlich harten Doomcore mit einigen HC-Einflüssen. Effekte und Samples hört man kaum noch, aber dafür lässt Justin seine Gitarre sprechen. Bendings, Saitengequietsche, Rückkopplungen und einige schräge Riffs füllen diese Lücke aus. Zudem gibt es auf "Hymns" ein paar Uptempomomente und gelegentliche Cleanvocals von Brüller Justin zu hören, aber unterm Strich gilt für Godflesh folgendes: Harte, brechende Gitarren, schwere, meist stereotype Rhythmen und rohe Aggressivität.

Bei "Antihuman" ist Nomen in der Tat Omen, denn dieser Track ist kalt wie eine Hundeschnauze, arbeitet mit elektronischen Elementen und wirkt durch den teils blechernen Drumsound sowie die entfremdeten Vocals von Justin wie ein tonnenschweres Metallmonster. Der krasse Gegensatz folgt sozusagen auf dem Fusse, nämlich "Regal", ein richtig atmosphärisches Stück Melancholie, bei dem die mit leichten Halleffekten versorgten, warmen Gesangslinien Justin's über dem Rest des Tracks schweben.

"Anthem" geht in eine ähnliche Richtung, während sich "Deaf, Dumb & Blind" sowie "Tyrant" eher hardcorelastig präsentieren. Dass "Defeated" als Opener gewählt wurde, ist sicherlich eine gute Entscheidung, denn schlussendlich ist es genau dieser "Dampfwalzenstil", der auf "Hymns" besonders stark vertreten ist. Man erfährt also bei Godflesh schon nach wenigen Sekunden, was wirklich Sache ist.

"Jesu", der letzte Titel, ist der absolute Winner dieser Platte. Bretterhart, straight, hypnotisch und mit leicht psychodelischen Elektrosounds versehen bricht dieser Rausschmeisser gnadenlos und mächtig über Euch herein. Meine Güte! Wenn Musik Stahl verbiegen könnte, dann hätte dieser Song die Kraft dazu! Schade eigentlich, dass "Hymns" nicht mehr solcher Tracks zu bieten hat, denn dann könnte man von songwriterischer Innovation sprechen. Achtung übrigens: Wenn "Jesu" fertig ist, gibt's eine kurze "minute of silence", und danach geht es noch ein bisschen weiter. Hidden-Tracks sind halt der letzte Schrei.

Ob man das Ganze jetzt gut oder schlecht findet, hängt sehr stark von der Meinung des Betrachters ab. Rohheit mit gelegentlichen Melodien, brachiale Härte, Monotonie und rhythmische Schwere - das sind die Zutaten, aus denen "Hymns" besteht. Aber schlussendlich ist es immer noch DEIN Geschmack, der entscheidet. Wir Pepsi Trinker wissen das.

Albuminfo

Punkte

 

0/5

Label

Music For Nations

Veröffentlichung

2/2002

Format

CD

Land

Genre

Doom Metal