Ein dunkler Wald. Nebel hängt schwer in den Baumwipfeln. Der Mond steht wie ein stummes Auge über allem. Und irgendwo dort, zwischen Wurzeln und Sternen, beginnt „Nocturne“, das neue Werk von Hexvessel, zu flüstern, zu raunen – und schließlich zu brennen.
Wer das Cover betrachtet – ein düsteres Spiegelbild des bereits schattenschweren „Polar Veil“ –, spürt sofort: Hier wird nicht einfach ein Pfad fortgeführt, sondern tiefer gegraben, ins Erdreich und in die Seele der Nacht. „Nocturne“ ist kein Nachfolger im klassischen Sinne, sondern eine Transformation. Ein Ritual.
Mit einem leisen Piano-Intro, wie ein erster Tautropfen auf schwarzem Samt, beginnt die Reise. „Opening“ ist wie der Moment, in dem die Sonne den letzten Atemzug tut und sich der Himmel in ein tiefes Blau hüllt. Aber schnell wird klar: Dies ist keine Nacht der Romantik. Es ist eine Nacht der Alchemie.
Schon „Sapphire Zephyrs“ wirft sich mit donnerndem Schlagzeug, grellen Gitarrenlinien und kehligen Black Metal-Vocals in die Fluten. Hexvessel haben ihre folkige Vergangenheit nicht vergessen, aber sie in Rauch aufgelöst – und durch dunkle Magie ersetzt.
Die Klangfarben? Wie geisterhafte Aquarelle auf Rabenfedern.
Die Texte? Wie Runen in Eis geritzt.
Die Atmosphäre? Dicht wie Weihrauch, durchzogen von Schatten und Sternen.
Auch die Gäste auf „Nocturne“ erscheinen nicht wie klassische Features, sondern eher wie Beschwörungen. Saara Nevalainens Stimme? Ein verirrter Engel, der auf „Listen to the Night“ durch das Geäst schwebt. Vicotniks Gesang auf „Unworld“? Eine Halluzination, verzerrt wie durch ein Prisma aus Angst. Und am Ende, wenn Juho Vanhanens kehliges Rufen in „Phoebus“ erklingt, wirkt es wie ein letztes Echo aus einem uralten Tempel.
Dabei bleibt die Musik stets organisch, fast wie aus dem Waldboden gewachsen. Die Gitarren sind mal messerscharf, mal weich wie feuchtes Moos. Die Drums – ein pochendes Herz unter der Oberfläche. Und über allem: Mathew McNerneys Stimme – mal prophetisch, mal verwundet, mal wie ein nächtlicher Zauber.
Hexvessel haben mit „Nocturne“ nicht nur ein Album, sondern ein nächtliches Manifest erschaffen. Es ist keine leichte Kost, aber es nährt. Es ist kein Licht – aber ein Leuchten. Es ist kein Trost – aber ein Trostpflaster aus Düsternis.
Wer sich einlässt, wird nicht nur Musik hören, sondern eine ganze Welt betreten. Eine Welt, in der die Nacht lebt, atmet und erzählt.
Albuminfo
Punkte |
4/5 |
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Label |
Prophecy |
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Veröffentlichung |
06/2025 |
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Format |
CD |
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Land |
Finnland |
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Genre |
Black Metal |