„Fællesskab“ – ein schlichtes Wort, das Gemeinschaft bedeutet, und doch ein Albumtitel, der in Afskys Händen zu einem Dolch wird, gezielt in das weiche Fleisch gesellschaftlicher Selbstgewissheit gestoßen. Ole Luk, der ruhelose Geist hinter dieser dänischen Black-Metal-Entität, hat mit dem vierten Werk seines Projekts ein Manifest geschaffen, das nicht nur in eisiger Melancholie badet, sondern in schneidender Schärfe jene falschen Solidaritäten seziert, die uns umgeben wie ein giftiger Nebel.
Von den ersten Tönen an spürt man, dass „Fællesskab“ mehr will als bloß Atmosphäre. Ja, da sind die vertrauten Sturmwände aus flirrenden Gitarren, das Donnern des Schlagwerks, die gepeinigten Schreie, die an den Nerven reißen wie Frostbisse. Doch darunter lodert etwas, das tiefer geht als die herkömmliche Raserei: ein menschlicher Puls, eine Verzweiflung, die sich nicht in nihilistischer Pose erschöpft, sondern nach innen frisst, dort, wo die Frage nach Wahrheit und Identität brennt.
„Velkommen til livet“ öffnet das Tor nicht mit einem Schrei, sondern mit einer unheilvollen Ruhe, die fast beschwörend wirkt, ehe die Lawine losbricht. Und wenn „Den der ingenting ved tvivler aldrig“ seine Klingen aus Melodie und Verzweiflung kreuzt, spürt man die ganze Zerrissenheit eines Menschen, der gegen die selbstgerechte Masse anschreit. Afsky zerren uns hinein in einen Raum, wo Gemeinschaft nicht tröstet, sondern erdrückt – wo die Stille lauter schreit als tausend Stimmen.
Die sechs Stücke von „Fællesskab“ sind keine einzelnen Kapitel, sondern ineinander verschlungene Szenen einer Tragödie. „Natmaskinen“ pocht wie ein fiebriges Herz in einer endlosen Nacht, „Arveskam“ trägt den bitteren Geschmack von Erbsünde und Identitätskampf, während „Flagellanternes sang“ wie ein makabres Ritual wirkt, ein Marsch durch Schuld und Selbstkasteiung. Am Ende steht „Svanesang“, und selten klang ein Abschied so endgültig, so erhaben und zugleich so zermürbend – ein Schwan, der nicht singt, sondern die Kehle aufreißt.
Was Afsky hier erreicht, ist bemerkenswert: Trotz der bekannten Versatzstücke des nordischen Black Metal – der eisigen Produktion, der Verweigerung von Komfort, der endlosen Raserei – entsteht ein Klangraum, der sich fast symphonisch anfühlt. Nicht bombastisch, sondern filmisch in seiner Tragweite, als würde man durch die Schneelandschaften einer inneren Apokalypse wandeln. Die Synths schimmern wie Nordlichter über einem gefrorenen Ozean, während die Gitarren wie Sägeblätter an der Seele reißen.
„Fællesskab“ ist ein Album, das uns zwingt, über das Wort Gemeinschaft neu nachzudenken – über den Preis des Schweigens, über die Schuld, die wir im Chor der Zustimmung auf uns laden. Afsky liefern hier nicht nur ein weiteres Kapitel skandinavischer Schwermut, sondern ein Werk, das die Grenzen des Black Metal in Flammen setzt und aus der Asche etwas erschafft, das gleichzeitig zerstörerisch und erlösend wirkt.
Dies ist kein Album, das uns umarmt. „Fællesskab“ stößt uns von sich, schleudert uns in den Sturm, nur um uns in dessen Auge ein schauriges, klares Bild zu zeigen: von uns selbst, als Teil einer Masse, die schreit, schweigt und sich doch nie befreit.
Albuminfo
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Punkte |
4/5 |
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Label |
Eisenwald |
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Veröffentlichung |
10/2025 |
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Format |
CD |
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Land |
Dänemark |
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Genre |
Black Metal |
Tracklist
1. Velkommen til livet
2. Den der ingenting ved tvivler aldrig
3. Natmaskinen
4. Arveskam
5. Flagellanternes sang
6. Svanesang
