Mit "Zerfall" legt Ellende ein Werk vor, das die Entwicklung des Projekts von der introvertierten Ein-Mann-Vision hin zu einer international etablierten Größe des Atmospheric und Post Black Metal spürbar fortschreibt. Das Album bewegt sich sicher in jenem Spannungsfeld, das L.G. seit "Rückzug in die Innerlichkeit" und späteren Veröffentlichungen wie "Ellende", "Todbringer" oder "Ellenbogengesellschaft" geprägt hat: grosse Hymnen mit fein abgestuften Nuancen, getragen von Geige, Piano und weit ausholenden Gitarrenslaven, ohne den harschen Kern des Genres aufzuweichen.
Stilistisch gleitet "Zerfall" zwischen ruhig verträumten Momenten und wild rasenden Ausbrüchen. Die ruhigen Passagen wirken nie wie Pausenfüller, sondern als Kontraste, die den emotionalen Druck der eruptiven Parts erst richtig spürbar machen. Wenn das Tempo anzieht, formt Ellende typische, hochmelodische Gitarrenlinien, die an frühere Post-Black-Metal-Höhepunkte des Projekts erinnern, aber durch die klassisch anmutende Instrumentierung – vor allem die Streicher und das Piano – eine eigene Handschrift behalten.
Gerade diese orchestralen Elemente verleihen dem Album seine tragende Atmosphäre. Die Violine wirkt wie ein erzählerischer Faden, der sich durch die Stücke zieht, während das Piano einzelne Themen unaufdringlich, aber gezielt akzentuiert. Die Gitarren verweben sich dazu zu jenen hymnischen Bögen, die Ellende seit Jahren auszeichnen, ohne in reinen Pathos abzurutschen.
Die thematische Ausrichtung – der Zustand des inneren Auseinanderbrechens und der langsame, schmerzhafte Prozess des Wiederaufbaus – spiegelt sich hörbar in der Dramaturgie wider. Zwischen Verzweiflung, Erschöpfung und einem vorsichtigen Triumph entsteht ein Werk, das seine Wirkung weniger über dramatische Spitzen als über beharrliche Intensivierung entfaltet. Die Produktion bleibt atmosphärisch dicht, aber klar genug, um die Feinheiten der klassischen Instrumente nicht im Sturm der verzerrten Gitarren untergehen zu lassen.
"Zerfall" ist damit kein radikaler Bruch, sondern eine konsequente Weiterentwicklung: ein Album, das die bekannten Stärken Ellendes aufgreift, schärft und emotional vertieft. Es knüpft an das bisherige Schaffen an, bietet aber genügend neue Schattierungen, um eigenständig zu wirken – und bestätigt erneut, dass Ellende innerhalb des Atmospheric Post Black Metal längst eine unverwechselbare Stimme gefunden hat.
Albuminfo
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Punkte |
4/5 |
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Label |
AOP |
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Veröffentlichung |
01/2026 |
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Format |
CD |
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Land |
Österreich |
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Genre |
Black Metal |
