Mit fünf Tracks und knapp 38 Minuten Spielzeit lässt sich bereits erahnen, dass Nordicwinter auch auf „Solitude“ nichts dem Zufall überlässt. Und ja – die verschneite, graue, atemlose Einöde auf dem Cover trifft die Stimmung dieses Albums erstaunlich präzise. „Solitude“ ist bereits das achte Album des kanadischen One-Man-Projekts und setzt die vertraute Linie aus atmosphärischer Schwermut, winterlicher Weite und dunkler Melancholie konsequent fort. Experimente sucht man hier vergeblich, ebenso abrupte Brüche oder unnötige Ausschläge. Stattdessen bekommt man Musik, die sehr genau weiß, welche Gefühle sie adressieren will: Frost, Einsamkeit, Sehnsucht und das langsame Einsinken in einen stillen, winterlichen Abgrund.

Der Einstieg mit „Whispers of the Frozen Abyss“ erfüllt exakt die Erwartungen, die Wind, Piano und sanfte Chimes wecken. Es ist ein atmosphärischer Auftakt, vielleicht ein wenig generisch, aber angenehm genug, um den Hörer behutsam in diese frostige Welt hineinzuziehen. Traurige, sehnsüchtige Gitarren treffen auf geisterhaft knarzende Vocals, und obwohl sich das Geschehen lange zurückhält, entsteht eine dichte, passive Atmosphäre, die nichts fordert, sondern nur umgibt. Der Spoken-Word-Part und das anschließende kurze Aufblühen von Gitarren und Piano sorgen für eine dezente Bewegung, bevor der Track wieder in die stille Winterweite zurückgleitet.

„The Howling Void“ ist von der ersten Sekunde an der heimliche Höhepunkt des Albums. Geisterhaftes Vocalising über Piano eröffnet den Song langsam, ehrfürchtig und beinahe entrückt. Wenn Drums und Bass einsetzen und schließlich dieser lange, tiefe, aus dem Innersten gezogene Growl erklingt, wirkt nichts davon aufgesetzt oder pathetisch. Der Gesang ist weich, verzweifelt und ehrlich, getragen von einer Gitarrenmelodie, die sofort hängen bleibt, ohne jemals banal zu wirken. Der Track fühlt sich wie ein Wiegenlied aus Isolation, Sehnsucht und stiller Resignation an. Selbst wenn die Drums im Mittelteil drängender werden und die Vocals schmerzhafter, bleibt darunter stets diese wunderschöne, traurige Ruhe erhalten.

„Echoes of a Dying Sun“ übernimmt die Atmosphäre des Vorgängers, verzichtet jedoch weitgehend auf Piano- und Synth-Flächen und setzt stärker auf rauere Gitarrenarbeit. Die Vocals raspeln, die Kanten werden schärfer, doch die winterliche Melancholie bleibt allgegenwärtig. In der zweiten Hälfte gewinnt der Song deutlich an Druck, das Drumming wird kraftvoller und die Vocals entwickeln eine herrlich schrille Rauheit, die sich perfekt mit der tragenden Gitarrenmelodie verzahnt.

Nahtlos stößt man anschließend in „Eternal Night’s Embrace“, das von Beginn an eine dunklere, bedrohlichere Grundstimmung anschlägt. Der tiefe Growl ist hier besonders gelungen, insgesamt wirken die Vocals finsterer, ohne die melodische Basis aufzugeben. Wenn Synths und ätherische Gesangsschichten hinzukommen, bewegt sich der Track endgültig im Kern dessen, was man unter klassischem Atmospheric Black Metal versteht. Drums, Gitarren und Vocals greifen hier besonders organisch ineinander. Es ist vermutlich der mutigste Song des Albums, einfach weil er die größte Varianz zeigt und die vertraute Klangwelt um eine weitere, dunklere Facette erweitert.

Den Abschluss bildet das Instrumental „As the Last Light Fades“, das mit Wind, Piano, geisterhaften Chorflächen und zarten Streichern einen ruhigen Kreis schließt. Eine Rückkehr zum Anfang, ein leises Verhallen, als würde man die Schneelandschaft langsam wieder verlassen.

„Solitude“ erfindet das Genre nicht neu und wird niemanden grundlegend verändern. Aber es ist stimmig, atmosphärisch und überraschend eingängig. Ein kleines, frostiges Album, das seine eigenen Stärken genau kennt – und sie ohne große Gesten, aber mit bemerkenswerter Konsequenz ausspielt.

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

 

Naturmacht

Veröffentlichung

 

11/2025

Format

 

CD

Land

 

Canada

Genre

 

Black Metal

Trackliste

1. Whispers of the Frozen Abyss 09:36
2. The Howling Void 09:55
3. Echoes of a Dying Sun 07:45
4. The Sorrow of Eternal Frost 08:02
5. Eternal Night's Embrace 07:17
6. As the Last Light Fades (Instrumental) 03:53