Wer oder was ist Mortiis? Darüber könnte man wohl stundenlang referieren. Kurz gesagt steckt ein Kerl dahinter, der mal kurzfristig bei Emperor den Bass bedient hat (in den Anfangstagen der Band). Sein Outfit ist und war schon immer einzigartig. Troll-Transe, Elfendämon oder Zwergendeibel? Geht auf die Webseite und entscheidet selbst (oder schaut Euch das Coverbildchen oben an). Spitze, lange Nase, noch viel spitzere Ohren (Kröten-Spocki?) und Baumwollfetzenschlabberlook machen den selbsternannten Parasiten Gott zum Dressman der Zwischenwelt. Ok, wenigstens zieht er sich mittlerweile nicht mehr seine knuffigen Fledermausflügelchen über. Das ist ja schon mal ein Fortschritt.

Ach ja, eines sollte man vielleicht jetzt gleich klarstellen. Trotz der zeitweisen Präsenz bei Emperor hat unser Räuber Hotzenplotz hier bei seinen Sologängen nichts mit Black Metal am Hut. Auf seinen bisherigen drei Alben ("Crypt of the Wizard", "Fodt Til A Herske" und "Stargate") zelebrierte er dunkelste Keyboardmusik, und nach Aussagen von Mortiis soll es ihm bei seiner eigenen Musik mittlerweile selbst nicht mehr ganz wohl gewesen sein.

Das ist scheinbar auch der Grund, warum "The Smell of Rain" doch sehr darkwavig und eingängig klingt, allerdings immer noch düster, bombastisch und kalt daherkommt. Was dieser Elektrostupsi mit seiner aktuellen CD abliefert, ist gar nicht mal so schlecht, wie man vielleicht aufgrund der etwas ulkigen Maskerade denken könnte.

Mit den ausgeprägten und von Mortiis selbst vorgetragenen, melodischen Vocals, hat man wohl nicht unbedingt rechnen können, doch erstaunlicherweise passen diese sehr gut zum neuen Sound des Kellerzwirbels (jetzt gehen mir gleich die Synonyme für Mortiis aus).

Der Anfang von "Scar Trek/Parasite God" (davon soll's ja auch mal ein Video geben, na darauf können wir uns schon mal freuen, hehe) klingt wie eine Soundtrackmelodie aus einem John Carpenter Horrorfilm der ersten Tage, welche der Meister damals übrigens noch selbst schrieb und aufnahm, weil er nie Kohle für einen Komponisten zur Verfügung hatte. Dafür gibt's natürlich einen Sympathiepunkt. Doch schon bald eröffnet uns Mortiis die wahre Natur seiner Musik. Atmosphärische Keyboards, Chöre, dramatische Bombasteinlagen, ein paar Industrial- resp. (veraltete) Dance Effekte, vereinzelte Gitarren und eingängige Melodien wühlen sich durch ein düsteres Gesamtbild - eine Kombination, die unterm Strich durchaus homogen wirkt.

In der Mitte des Albums schwächelt das Material allerdings ein bisschen. Nicht, dass es unbedingt schlecht wäre, aber die Magie der ersten Tracks scheint zeitweise etwas verloren gegangen zu sein. Bei "Everyone Leaves" entpuppt sich unser Wüstenwutz gar als Panflötenliebhaber (was man mit einem Synthie heutzutage nicht alles anstellen kann ...). Der balladeske Track selbst ist allerdings wirklich wunderschön (mit toller, weiblichen Zweitstimme). Auch "Marshland" kann durchaus überzeugen, und mit dem bombastisch wie auch böse klingenden "Smell the Witch" schliesst unser Hosentaschengnom seine Scheibe fast schon theatralisch ab.

Mortiis ist ganz klar etwas für den Dark Wave / Gothic DieHard Fan und für den Metalhead daher nicht zwingend interessant. Aber was wohl das Wichtigste ist: So übel, wie man aufgrund des Images von Mortiis vermuten könnte, ist "The Smell of Rain" nicht. Ganz im Gegenteil. Ausserdem dürfte dieser "Stilbruch" Mortiis eine Menge neuer Fans bescheren.

Albuminfo

Punkte

 

0/5

Label

Earache

Veröffentlichung

11/2001

Format

CD

Land

Genre

Gothic