Es scheint sich langsam, aber sicher ein neuer Trend zu entwickeln. Wobei Black Metaller ja nur weniges (ausser vielleicht Symbole des Christentums) mehr hassen als Trends. Wie dem auch sei, erfreuen sich immer mehr extreme Metal Bands aus der deutschsprachigen Alpenregion grösserer Beliebtheit, die ihre Texte im Dialekt ihrer Heimat verfassen. Perchta in Österreich, Ungfell in der Schweiz und eben Gràb aus Deutschland. Gut, Lunar Aurora haben das schon vor grob 20 Jahren gemacht, aber um die geht es hier nicht.

Mit "Kremess" legen die Bayern um Sänger Grànt nun ihr zweites Album vor und sind von Trollzorn zu Prophecy gewechselt. Der Wechsel erscheint sinnvoll, und erinnert an die alte Arbeitsweise von Prophecy, einzelne Perlen nach ihren ersten 1-2 Alben längerfristig an sich zu binden, wobei das Label sowohl für Authentizität aber auch Qualität stand.

Logisch kommen direkt die "Ausverkauf" schreienden Liebhaber des ersten Albums aus den Tiefen des Internets gekrochen, um zu bekräftigen, dass sie die ersten waren, die Gràb gehört haben und niemand anderem den Genuss des neuen Albums gönnen.

"Kremess" wurde wie auch Teile von "Zeitlang" bei Markus Stock in der Klangschmiede Studio E aufgenommen. Eine perfekte Wahl, denn der Knöpfchendreher hat wieder einmal die Messlatte in der Produktion eines modernen Black Metal Albums extrem hoch gelegt. Klar, warm und druckvoll zu sein, ist  das Ziel und LoFi hier definitiv nicht gefragt. Mag auch einigen Black Metal Puristen nicht passen, aber wer seinen Ohren auch mal einen sauberen und transparenten Klang gönnen mag, sollte "Kremess" schon allein wegen des Sounds auf einem echten Tonträger hören. Der Bass ist mal schnarrig, mal trocken, die Gitarren sägen, die Snare ist angenehm tief, Bass Drum und Becken ausgewogen.

Musikalisch ist Gràb dieses Mal eher in Richtung (alte) Satyricon, Storm und (ganz, ganz alte) Dimmu Borgir mit etwa 10% von deren Keyboards ausgerichtet, also im Vergleich zu "Zeitlang" etwas langsamer mit weniger Parallelen zu Wolves in the Throne Room.

Das erste Stück "Waidler" beginnt mit Gesang und Riff, welche auch auf dem einzigen Album des erwähnten Satyricon-Nebenprojekts Storm hätten stehen können. Aber bereits hier ist die enorme Vielfältigkeit von Gràb mit traditionellen Instrumenten zu spüren. Vom blossen hören sind sie kaum alle herauszufinden, da sie oft eher für Akzente sorgen. Ganz grosses Kino wird es aber, wenn Instrumente wie das Hackbrett und andere für die Melodie sorgen, z.B. bei "Kerkermoasta" oder "Vom Gråb im Moos".

Gelegentlich erwartet die Hörer Old School Griffbrettgerutsche, aber immer wieder kommt der Verdacht auf, dass Soundmeister Stock nicht nur am Sound gearbeitet hat, sondern eventuell auch als Produzent seine Finger im Spiel hatte, was durchaus erklären würde, warum die Stücke gegen Ende des Albums etwas weg vom norwegischem Black Metal, eher hin zum deutschen Black Metal des letzten Jahrzehnts mit Vertretern wie insbesondere Helrunar zu grandiosen "Sol"-Zeiten oder Eïs gehen. Auch ein entfernter Vergleich zum aktuellen Werk der oben genannten Ungfell ist nicht zu weit hergeholt, Gràb erscheinen aber weniger kauzig.

Gesanglich wird eher geknurrt, als geschrien, aber auch hier wird Wert auf Variantenreichtum gelegt. Bei "Im Hexnhoiz" z.B. wird man mit einem fast Dornenreichesken Akustikgitarren / Flüsterintro überrascht.

Abwechslung wird auf "Kremess" so grossgeschrieben, dass es unmöglich ist, alle verwendeten Elemente aufzuzählen. Trotzdem verlieren sich Gràb nie in Konfusion, sondern schaffen es trotzdem, relativ gradlinige und eingängige Stücke auf den Punkt zu schreiben. Schwächere Songs gibt es schlicht nicht, als Höhepunkte kristallisieren sich für mich die eher langsameren, längeren und rollenden Stücke wie "Vom Gråb im Moos" oder "Dà letzte Winter" heraus. Ein wahnsinnig spannendes Album, das bereits jetzt ein heisser Kandidat für das Album des Jahres 2025 ist.

 

Albuminfo

Punkte

 

5/5

Label

 

Prophecy

Veröffentlichung

 

02/2025

Format

 

CD

Land

 

Deutschland

Genre

 

Black Metal

 

Tracklist

1. Waidler
2. Kremess
3. Kerkermoasta
4. Im Hexnhoiz (A Weihraz-Gschicht, Kapitel Oans)
5. Vom Gråb im Moos (A Weihraz-Gschicht, Kapitel Zwoa)
6. Deifeszeig
7. Waldeinsamkeit
8. Dà letzte Winter