Sardinien, eine Insel von atemberaubender Schönheit, von der Sonne geküsst und von Windströmen durchzogen, ist der Ursprung eines neuen Kapitels in den Annalen des Black Metal. Die Veteranen Vultur kehren mit ihrem bislang heftigsten und immersivsten Werk "Cultores de Perdas e Linna" zurück. Zum zwanzigjährigen Bestehen der Band schreiben sie ein weiteres düsteres Meisterwerk, das die archaische Wut der Insel heraufbeschwört und uns in die okkulte Geschichte Sardiniens und die Schatten der Nuragischen Vorfahren eintauchen lässt. Eine tiefe Verehrung für das Land, seine Geschichten und seine Sprache durchzieht jeden einzelnen Ton.

In "Cultores de Perdas e Linna" ist die sardische Muttersprache sowohl Waffe als auch Schutzschild. Jeder Song ist durchtränkt von der rohen Kraft des Campidanesischen Sardisch, nur in "Nemini Parco" bricht diese Tradition, um sich in Latein und Italienisch zu entladen. Dieser Bruch verleiht dem Song eine gespenstische, sakrale Dimension, wie ein vergessener Gesang, der aus der Tiefe der Geschichte wieder ans Licht tritt. Vultur setzen mit ihrer Wahl der Sprache ein klares Statement, das ihre Einzigartigkeit und ihre tiefe Verbundenheit zu Sardiniens kulturellem Erbe widerspiegelt.

Musikalisch scheut sich Vultur nicht vor Brutalität. Schon die ersten Töne von "Su Frastimu" packen den Hörer mit eiserner Hand. Das Album ist unnachgiebig, geprägt von aggressiven, schnellen Riffs, die Fans von alten Satyricon, Marduk und Mayhem sofort ansprechen werden. Doch hier gibt es eine zusätzliche Tiefe, da Vultur es meisterhaft versteht, brutalste Gewalt mit melodischen Momenten zu verweben, die an die atmosphärischen Brücken von Dissection und die evokative Schwere alter Rotting Christ erinnern.

Stücke wie "Femina Mala" und "Arestis" treiben die Grenzen des Black Metal in eine beinahe rituelle Dimension. Ersteres vibriert vor dunkler, roher Energie, während letzteres den Hörer in eine bedrückende Atmosphäre hüllt, die sich langsam zu einem unheimlichen Höhepunkt aufbaut. Jeder Song fühlt sich an wie eine Beschwörung, ein Bekenntnis zur mystischen Vergangenheit Sardiniens. "Cultores Lapides et Lignea" - das Herzstück des Albums - webt ein Netz der Dunkelheit, in dem die uralten Elemente Stein und Holz wie ein verbotener Gebetshymnus widerhallen.

Was "Cultores de Perdas e Linna" von anderen Black-Metal-Werken unterscheidet, ist die Fähigkeit der Band, eine Atmosphäre zu erschaffen, die sowohl aggressiv als auch nachdenklich ist. Die melodischen Verzierungen sind nicht bloße Zierde, sondern fügen sich nahtlos in die Struktur des Albums ein und bieten inmitten des Chaos kurze Momente der Reflexion. Es ist, als rufe Vultur zu ihren alten Göttern, und sie balancieren die rohe Kraft ihres Black Metal mit einer tiefen Ehrfurcht vor der eigenen Kultur.

Das Artwork des Albums, inspiriert von der sardischen Maske "Su Boe" aus dem Karneval von Orotelli, fängt perfekt die Essenz der Musik ein: eine Mischung aus Groteskem und Sakralem. Das Bild dieser Maske, mit ihrem grimmigen Blick, ist das perfekte Metapher für Vulturs Ansatz im Black Metal—verankert in der Tradition, dabei stets mit einem unerschütterlichen Blick auf Dunkelheit und Tod.

In ihren 20 Jahren hat sich Vultur als Wegbereiter des sardischen Black Metal etabliert. "Cultores de Perdas e Linna" fühlt sich sowohl wie ein Höhepunkt als auch wie ein Neubeginn an. Es ist ein kraftvolles Bekenntnis zu Sardiniens okkultem Erbe, seiner Folklore und dem Erhalt der eigenen Sprache. Für Fans des traditionellen Black Metal, die mehr als nur rohe Aggression suchen, bietet dieses Album eine Reise in eine alte Welt, in der sich Metal und Mythologie vereinen.

"Cultores de Perdas e Linna" ist nicht nur ein Album, sondern eine Reise in das Herz der dunklen Geschichte Sardiniens—ein packendes Epos, erzählt durch Musik, Sprache und Feuer. Wenn du bereit bist, den Pfad aus Stein und Holz zu betreten, gibt es keinen besseren Führer als Vultur.

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

 

Masked Dead / Sulphur

Veröffentlichung

 

02/2025

Format

 

CD

Land

 

Italien

Genre

 

Black Metal

 

Tracklist

1. Su Frastimu
2. Eternu Trumentu
3. Su Spegu
4. Femina Mala
5. Arestis
6. Cultores Lapides et Lignea
7. Umbras
8. Nemini Parco